Von der sozialen Marktwirtschaft zur markanten Sozialwirtschaft

Vor 25 Jahren machte die Planwirtschaft in Thüringen etwa 90 % der Wirtschaftsleistung aus. Der Rest war private Schattenwirtschaft, also eine simple Form der Marktwirtschaft. Wer nun denkt, daß die Revolution von 1989 Marktwirtschaft hervorgebracht hat, der irrt. Ein Weg zur Durchleuchtung dieses Fakts führt über die Erwerbstätigenstatistik.

Jeder wird mir zustimmen, daß Beamte, Verwaltungsangestellte, Polizisten, Soldaten, Erzieher und Lehrer zum Staatsbereich gehören. Der Staat hat aber verschiedene verlängerte Werkbänke. Dazu gehören zunächst die Freiberufler, die staatliche Aufgaben erfüllen, wie zum Beispiel Notare und Rauchfangkehrer.

Aber auch Ärzte, Krankenschwestern, Apotheker und Krankenkassenangestellte gehören zum staatlichen Bereich, soweit ihre Leistungen über die Krankenkassen mit Zwangsbeiträgen nach Gebührenverordnungen verrechnet werden. Weiterhin haben auch Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Architekten, Ingenieure staatliche Aufgaben, sind Zwangsmitglieder berufsständischer Kammern und werden nach staatlichen Gebührenordnungen vergütet.

Die Versicherungsunternehmen sind staatlich so streng reguliert, daß sie sich nicht aussuchen dürfen, was sie den Kunden verkaufen. Sie sind ferngesteuerte Roboter des Finanzministeriums.

Ein Teil des Verkehrswesens ist öffentlicher Nahverkehr, der als Eigenbetrieb von Kommunen verwaltet wird. Wasserversorger und Abwasserbetriebe sind immer schon kommunale Monopolbetriebe gewesen. Die Energieversorgung ist mittlerweile vollständig politisiert. Kein Energieversorger kann den Brennstoff nehmen, den er aus wirtschaftlichen Erwägungen benutzen will. RWE und e on sind seit einigen Jahren Befehlsempfänger des Umweltministers. Private Entscheidungen, das war mal.

Kunst und Unterhaltung leben überwiegend von Subventionen und Zwangsabgaben, wie Fördergeldern, Kulturpfennigen, Künstlersozialkasse, Bettensteuern usw. Auf eigene Rechnung drehende Regisseure wie Lemke (Helden für Berlin) sind die Ausnahme. Selbst Künstler, die nicht bei den Anstalten auf der Gehaltsliste stehen, werden über Fernsehauftritte, Ausstellungen, Werkverträge, Fördergelder und Rundfunkgebühr indirekt finanziert. Selbst die Stars der Bundesliga bekommen über staatliche Senderechte das Sahnehäubchen auf ihre Einkünfte.

So, nun wollen wir den planwirtschaftlichen Sektor mal zusammenrechnen (Beschäftigte in Millionen 2011):

2,8 Mio Öff. Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung

2,5 Mio Erziehung und Unterricht

5,0 Mio Gesundheit und Sozialwesen

3,8 Mio Freiberufler mit Mitarbeitern

0,2 Mio Wasser und Abwasser

0,4 Mio Energieversorgung

0,9 Mio geschätzt öffentlicher Verkehr

0,7 Mio geschätzt Versicherungen

0,1 Mio geschätzt kommunale Wohnungsunternehmen

0,3 Mio geschätzt subventionierte Kunst und öffentlich-rechtliche Unterhaltung

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Summe 16,7 Mio planwirtschaftlicher Bereich

Zusammen gibt es 32,0 Mio Beschäftigte

Planwirtschaftlicher Bereich: 16,7 Mio / 32 Mio = 52 %

Gegenprobe: Der Prozentsatz der Beschäftigten des planwirtschaftlichen Bereichs muß etwas größer sein, als der Staatsanteil an der Bruttowertschöpfung (Zahlen von 2011).

Bruttowertschöpfung: 2.296 Mrd. €

Steuern 573 Mrd. €

Sozialbeiträge 424 Mrd. €

Rundfunksteuer 7 Mrd. €

EEG und KWK Umlage 13 Mrd. €

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Summe Steuern und Abgaben 1.017 Mrd. € = 44 % von 2.296 Mrd.

Die Differenz zwischen 44 % Steuern / Abgaben und 52 % Beschäftigten im planwirtschaftlichen Bereich ergibt sich daraus, daß es neben Steuern und Abgaben noch Verkehrstarife für den Nahverkehr, Wasser- und Abwassergebühren, Mieten für städtische Wohnungen, Energietarife und Müllgebühren gibt. Diese füllen die Differenz von 8 % auf.

Im Unterschied zu einer Steuer erlangt der Bürger für eine Miete, einen Stromtarif oder einen Wasserpreis eine Leistung, auf die ein persönliches Anrecht besteht. Steuern zahlt man dagegen, ohne einen personalisierten Anspruch auf die Rückgewähr einer adäquaten Leistung zu haben. Steuern kommen überwiegend denen zugute, die selbst keine Steuern zahlen.

In den kommunalen Unternehmen und Zweckverbänden zeigt sich seit einiger Zeit ein größer werdendes Problem: Die Einnahmen und Ausgaben werden in Wirtschaftsplänen geplant. Die Einnahmen sind durch Gebührenordnungen, Tarife usw. immer wie festgenagelt. Die Einkäufe, z.B. Benzin, Diesel, Maschinen usw. erfolgen aus dem marktwirtschaftlichen Bereich, weshalb man die Preise eigentlich nicht planen kann, insbesondere wenn sie steigen. Krankenhäuser, Verkehrsbetriebe, Ver- und Entsorgungsbetriebe machen immer mehr Verluste, weil sie die Kosten nicht decken können. Die Wirtschaftspläne werden in Anlehnung an kapitalistische Verhältnisse aufgestellt. Es gibt Zinsen, Abschreibungen, Investitionen und Überschüsse. Aber der Geist der Marktwirtschaft fehlt, weil für Festpreise verkauft wird und weil über den Preis keine Signale von Knappheit und Überfluß gesendet werden können. Leere Eisenbahnen fahren durch Felder und Wälder, während kommunale Wohnungen knapp sind. Ein Überangebot an Krankenhäusern steht einem Mangel an Hausärzten gegenüber. In der überfüllten S-Bahn fährt der Kulturbürger ins halb leere Theater. Solche Fehlsteuerung von Ressourcen ist typisch für die Planwirtschaft und führt immer zum Niedergang und Verfall von ganzen Staaten.

Ergebnis: Deutschland ist mindestens zur Hälfte eine Planwirtschaft. Das zeigt sowohl die Berufsstatistik als auch die Steuer- und Abgabenquote.