Enormer Lärm um fast nichts

Der Internationale Währungsfonds erwägt eine 10-prozentige Schuldensteuer für alle in der EU geparkten Geldvermögen. Im Geldmonitor des IWF „Taxing our Way out of—or into Trouble“  heißt es:
„Die deutliche Verschlechterung der öffentlichen Finanzen in vielen Ländern hat das Interesse an einer Vermögensabgabe geweckt. Dies ist eine Einmalabgabe als eine außerordentliche Maßnahme, um die Nachhaltigkeit der Schulden wiederherzustellen. Der Charme einer solchen Maßnahme besteht darin, dass so eine Steuer erhoben werden kann, bevor es zu einer Steuerflucht kommt. Dazu muss der Glaube hergestellt werden, dass die Maßnahme einmalig ist und nicht wiederholt werden wird. Die Steuer würde die Bürger nicht aufregen. Einige würden sie sogar als fair empfinden.“

So unwahrscheinlich wie dieser Gedanke auch anmutet, die Enteignung der Sparer in Zypern hat gezeigt, daß die Realität die Planspiele der Finanzeliten oft einholt.

Wie bei jeder staatlichen Maßnahme versteckt sich der Teufel im Detail.  Am Beispiel Deutschlands kann man das illustrieren: Das Gesamtgeldvermögen beträgt 4,9 Billionen €. Davon sind aber nur gut 2 Billionen Bargeld und Einlagen bei Banken und Sparkassen. Etwa 1,4 Billionen sind Ansprüche gegenüber Versicherungen, vor allem natürlich Lebensversicherungen. Der Rest verteilt sich auf Zertifikate, Aktien, Pensionsrückstellungen und sonstige Beteiligungen. Was passiert, wenn man zum Beispiel Aktien mit einbezieht? Es käme voraussichtlich zu einem Massaker an den Aktienmärkten, weil ja Aktien flüssig gemacht werden müßten, um zu zahlen. Oder der Staat konfisziert einfach 10 % der Aktien und wird Aktionär. Auch bei geschlossenen Fonds ist das Einsammeln von 10 % eher schwierig. Sie könnten am Zweitmarkt verkauft werden, wenn sie einigermaßen laufen. Bei Containerschiffsfonds ist das derzeit aussichtslos.  Auch Ansprüche gegen Lebensversicherungen sind kaum seriös zu beziffern, weil die wertbildenden Faktoren wie Zinsen von Staatsanleihen ständig im Fluß sind und über die Laufzeit äußerst schwer prognostizierbar. Die Tendenz bei Lebensversicherungen ist eh, daß die Versicherungsnehmer von den Staaten in den April geschickt werden. Einfach zu handhaben sind eigentlich nur Bankeinlagen. Die können auf Knopfdruck in Sekunden ans Finanzamt gemeldet werden. Bei 2 Billionen Einlagen würden etwa 200 Mrd. € abgeschöpft werden.

Die Frage ist natürlich, ob das etwas nutzt. Die Gesamtverschuldung des Bundes, der Länder und Kommunen beträgt über 2 Billionen € oder 81 % des Bruttoinlandsprodukts. Davon würden 10 % getilgt werden. Der Schuldenstand betrüge nach dem Eingriff 1,8 Billionen € oder 73 % des BIP.

Zum Vergleich: Der deutsche Anteil an diversen Rettungspaketen für Griechenland, Portugal und Co. beträgt 392 Mrd, €, ist also doppelt so hoch wie der Ertrag einer 10%igen Abgabe auf Geldvermögen. In wenigen Jahren wäre der Schuldenstand derselbe wie vor dem finanziellen Aderlaß.

Außer dem Geschrei der enteigneten Bürger würde eine 10-%-Abgabe auf Geldvermögen überhaupt nichts bringen. Es ist eine reine Symbolhandlung.

Der IWF verweist auf Schuldenschnitte in Deutschland nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg. Ja, lieber IWF, damals wurden nicht 10 % des Geldvermögens enteignet, sondern eigentlich alles.

Über 10 % Vermögensabgabe hätte Shakespeare folgendes Drama geschrieben: „Enormer Lärm um fast nichts.“  Falls Shakespeare in Sachwerten investiert gewesen wäre, wäre es natürlich ein Lustspiel geworden…