In Deutschland gibt es die Einheitskrankenkasse

In der Schweiz ist gerade das Ergebnis einer Volksabstimmung über die Einführung der Einheitskrankenkasse bekannt geworden. Grüne, Sozialdemokraten und Gewerkschaften hatten den Schweizern in einer Initiative die Abschaffung der 61 Krankenkassen empfohlen. Die Schweizer wollen jedoch mit großer Mehrheit von fast 62 % an der Vielfalt festhalten. Lediglich dreieinhalb Stände, so heißen bei Abstimmungen die Kantone, stimmten der linken Initiative zu.

Sind die Schweizer noch ganz dicht? Ich hatte als deutscher Unternehmer mit vier Betrieben und etwa 40 Beschäftigten jeden Monat ungefähr 20 Meldungen an verschiedene Kassen abzusenden und die entsprechenden Überweisungen zu tätigen, weil die Mitarbeiter die freie Kassenwahl haben und nicht dazu zu bewegen waren pro Betrieb alle in eine Kasse zu gehen.  Zunächst hatte das noch Vorteile, weil die Mitarbeiter immer in die billigsten Kassen gewechselt haben. Seit Seehofer gab es keine billigen Kassen mehr, weil alle Unterschiede durch Quertransfers zwischen den Kassen ausgeglichen worden sind. Seitdem hatte ich mir die Einheitskasse gewünscht.

In der Schweiz sind die meisten Kassen landesweit aufgestellt, haben aber in jedem Kanton entsprechend dem Risikoprofil spezielle Tarife. Das heißt die Kassenmitglieder in Appenzell-Innerhoden zahlen viel weniger, als in Genf oder in Basel. Die Leute in der Deutschschweiz sind prinzipiell gesünder als die in der Romandie und Stadtluft scheint kränker zu machen als Landluft. Der Vorteil einer gesunden Lebensweise und sozialer Kontrolle auf dem flachen oder im gebirgigen Land wird in der Schweiz an die Mitglieder weitergegeben. In der Schweiz ist die Selbstverantwortung und damit auch die Selbstbeteiligung an den Kosten höher als in Deutschland.

Man kann natürlich spekulieren, welche Umstände das Leben in bestimmten Regionen teurer machen. Kostensteigernd sind eine hohe Zahl alter Chroniker, Mitglieder mit bestimmten sexuellen Praktiken und vor allem Psychopathen. Überall auf der Welt gibt es Leute, die die Apothekenzeitungen lesen und die darin beschriebenen Symptome nach einer Weile selbst entwickeln. Ausgebrannte gibt es seltsamerweise vor allem in der Stadt. Die ganze Klientel der Bachblütengurus, der Rauschgiftverkäufer,  der Homöopathen und  Wunderheiler ist im ländlichen Raum etwas seltener.

Hochprämienkanton mit 500 Franken monatlich im Durchschnitt ist Genf, gefolgt vom Kanton Waadt  mit 450 Franken,  von Bern und Basel. Die niedrigsten Durchschnittsprämien zahlen das ländlich-sittliche Appenzell-Innerrhoden mit knapp 320 Franken und Nidwalden mit 330 Franken. Diese Unterschiede resultieren natürlich nicht aus unterschiedlichen Einkommen in den Schweizer Regionen. Nidwalden hat dasselbe Durchschnittseinkommen wie Genf und Waadt unterscheidet sich kaum von Appenzell. Entsprechend den Prämien waren die Abstimmungsergebnisse:  in Genf und Waadt stimmten 57 % für die Einheitskasse, in Appenzell-Innerrhoden 18 % und in Nidwalden 22 %. Es ist dasselbe Gezerre wie zwischen Frankreich und Deutschland in der Wirtschaftspolitik. Frankreich will von Deutschland ausgehalten werden und ebenso will die Romandie auf Kosten der Deutschschweiz zum Arzt gehen. In der Schweiz ging diese Rechnung auf Grund der geäußerten Volksmeinung nicht auf.

Was können wir von der Schweiz lernen? Vielfalt ist dann gut, wenn sie zu wirklichem Wettbewerb führt.  Und wenn jeder seine Lebensweise selbst verantworten und bezahlen muß. Das ist in der Schweiz zumindest auf der Kantonsebene der Fall. In Deutschland machen die verschiedenen Kassen eigentlich keinen Sinn mehr, weil alle Unterschiede zwischen Regionen und Mitgliederklientels mit zahlreichen gesetzlich vorgegebenen Quertransfers zwischen den Kassen letztlich nivelliert werden. In Deutschland haben wir spätestens seit Seehofer die Einheitskasse, obwohl wir die Beiträge an 131 verschiedene Kassen überweisen müssen. Erhöhter Bürokratieaufwand bringt in Deutschland keinen Nutzen, weil eine gleichgültige und ahnungslose Politikerkaste in den Einheitsbrei verliebt ist.  Wir brauchen auch in Deutschland Volksabstimmungen.