Am Abgas-Pranger stehen die Falschen

Holger Douglas, Vorstand Wissenschaft und Technik beim DAV hat einen wirklich lesenswerten Eintrag zu Dieselgate gepostet. Er hat alles einmal aufgeschrieben, was die grünen Empörungsmedien uns verschweigen. Ein wirklicher Hintergrundbericht.

Ob das Rudolf Diesel geahnt hätte, welche Verwerfungen seine Erfindung dermaleinst auslösen würde? Ein ganzer Konzern gerät ins Wanken, weil angeblich mit einer Software Abgasverhalten manipuliert werden würde. Dabei läßt sich an diesem Fall eher ablesen, in welcher Zwickmühle Autoentwicklung, Umweltschutz und Verbraucherverhalten stecken. Nach außen hin spielen alle, natürlich reflexartig auch die Regierungsspitze, wieder mal den Weltretter. Und leisten der Zerstörung des Rückgrats des deutschen Wohlstands, der Automobilindustrie und den hunderttausenden daran hängenden Arbeitsplätzen Vorschub. Mit nichts als Phrasen.

Was ist geschehen? Auf der jüngsten IAA spotteten viele Experten hinter vorgehaltener Hand, wie man mit null Emissionen 100 Prozent Leistung liefern solle und forderten zu Recht statt »Downsizing« endlich ein »Rightsizing«. Sie fragen, wie weit die Politik die Grenzwerte noch verschärfen will. Denn die neuen Regeln sind mit vorhandener Technik praktisch nicht umzusetzen.

Gerade der Fall »Dieselgate« macht deutlich, wie wenig die Vorschriften und Prüfverfahren um Umweltfreundlichkeit taugen. Es reicht heute, die Floskeln »manipuliert« oder gar »Software auszuschalten« zu rufen bei Autos, die ohne elektronische Steuerung keinen Meter mehr fahren würden, um eine ganze Industrie in Verruf zu bringen. Und das ausgerechnet bei einem Konzernchef wie Winterkorn, der als integer und zuverlässiger Ingenieur gilt.

Damals, als sich Rudolf Diesel vor 120 Jahren mit Kältemaschinen befasste, also auch mit Kompression, war alles noch viel einfacher. Diesel kam die Idee, eine Maschine zu bauen, die den Kraftstoff besser ausnutzt als der bereits vorhandene Gasmotor des Nikolaus Otto. Diesels Maschine komprimierte Luft, erhitzt sie bis zu jenem Punkt an dem Öl, dass eingespritzt wird, zündet. Diesen, seinen, Dieselmotor bekam er patentiert.

Doch der Dieselmotor war neben dem Benzinmotor der raue, ungehobelte Geselle. Aufgrund seiner hohen Kraftentfaltung konnte er zwar gut schwere Lastwagen und Lokomotiven sowie Schiffe antreiben. Er drehte langsam, arbeitet mit hohem Luftüberschuss, die Verbrennung funktioniert jedoch einigermaßen gut, fast alle Kraftstoffpartikel können verbrannt werden. Zudem verbraucht er wenig Kraftstoff, ist also sparsam.

Kein Wunder, daß Motorenbauer den Diesel als Antrieb für besonders sparsame PKW-Motoren wollten. Mercedes-Motorenbauern gelang es zuerst, den Diesel einigermaßen zu zügeln und stellten 1936 den ersten Dieselmotor im Personenwagen vor.

In den Fünfziger und sechziger Jahren eroberte er sich auch im Personenwagen einen größeren Marktanteil; die Autokäufer freuten sich über günstigeren Kraftstoff und sparsamere Motoren. Zum Leidwesen ihrer Nachbarn, denn der frühmorgendliche Kaltstart eines Dieselmotors weckte zuverlässig sämtliche Schlafenden auf, klang so, als würde man einen Eimer mit Kieselsteinen über einem Blechdach ausschütten.

Mit verschiedenen Tricks versuchten die Konstrukteure, den Diesel zu zivilisierten. Einer dieser Tricks: die Vorkammer, eine kleine Aushöhlung im Brennraum, in der zuerst ein Teil der Verbrennung stattfand, bevor sie dann in den Zylinderraum kam und dort den Kolben nach unten treiben konnte. Damit war die massive, kräftige Explosion zu einem Zeitpunkt etwas verzögert und damit in ihrer Wucht gleichzeitig gedämpft.

Dann versuchten die Ingenieure, die einströmende Luft in eine gezielte Drehbewegung zu versetzen, um den Diesel russärmer, leiser und umweltfreundlicher zu machen.

Doch die Experimente erweisen sich als kompliziert. Bilder aus dem Inneren des Brennraumes zeigen turbulente Strömungen, Flammfronten, die sich chaotisch ausbreiten. Es ist eben anspruchsvoll, chemische Energie in einer Verbrennungsreaktion in mechanische umzuwandeln und die Prozesse gleichzeitig so beherrschen zu wollen, dass wenig Abgase dabei herauskommen. Das gelingt trotz jahrelanger Forschung bis heute noch nicht richtig. Niemand weiß genau, was in den entscheidenden Millisekunden der Explosion im Einzelnen geschieht.

Man kann die Ausbreitung der Flammenfronten im Brennraum bis heute nicht genau berechnen. Was in Bruchteilen von Sekunden bis zu 500 oder 1000 mal in der Sekunde passiert, ist auch kaum im Computer zu simulieren. Zu chaotisch ist das, was uns die Natur mit der Verbrennung liefert.

Entsprechend heikel, den Ausstoß an Schadstoffen zu regeln. Schließlich läuft ein Verbrennungsmotor unter extrem unterschiedlichen Bedingungen: im Leerlauf, langsam, schnell, bei eisiger Kälte und großer Hitze. Entsprechend unterschiedlich sind die Verbrennungsvorgänge und mithin das Abgasverhalten.

Dennoch gelang es, den Dieselmotor erheblich zu verbessern. Heute werden alle unfreundlichen Stoffe zu immerhin rund 90 Prozent aus den Abgasen herausgefiltert. Was aber dem Diesel seit Anbeginn anhaftete, war der schlechte Geruch und der Ruß, der sich in dunklen Qualmwolken aus dem Auspuff bemerkbar machte. Das waren verbrannte Dieselpartikel. Die sollten weg. Die Motoreningenieure erhöhten also den Druck im Zylinder, damit der Kraftstoff bei einem höheren Sauerstoffanteil noch mehr und besser verbrannt werden kann.

Dazu mussten sie Gehäuse und Wände verstärken, aber auch die Einspritzpumpe leistungsfähiger machen. Heute sind diese Motoren wahre Technikmonster: Mit bis zu 2500 bar Überdruck spritzen sie bei jeder Zündung den Kraftstoff in wenigen Tröpfchen in den Brennraum. Senkrecht in den Himmel gehalten würde eine solche Einspritzpumpe die Kraftstoffpartikel bei diesem Druck höher in den Himmel schießen, als jedes Flugzeug fliegt: 25 km – allerdings unter der Voraussetzung, daß der Strahl nahezu senkrecht in Ideallinie hochfliegt und nicht zur Seite hin aufgefächert wird.

Unliebsame Folge: Die Rußpartikel, die aus dem Auspuff kommen, wurden immer kleiner. Man konnte sie praktisch nicht mehr sehen. Aber sie sind noch vorhanden und stehen unter dem Verdacht, lungengängig zu sein, ja sich sogar in der Blutbahn einnisten zu können sowie Krebs zu erzeugen.

Deshalb entwickelten die Motoreningenieure Partikelfilter. Das konnten aber keine einfachen Filtersysteme wie beim Kaffeefilter sein; die wären rasch mit Russpartikeln verstopft. Der Ruß muss in regelmäßigen Abständen verbrannt werden. Wenn möglich, ohne dass dabei das Auto in Flammen aufgeht. Auch das gelang den Ingenieuren. Aus einem modernen Diesel-Auspuff kommen heute praktisch keine Partikel mehr heraus.

Dafür aber noch Abgase, die nun einmal bei jeder Verbrennung entstehen. Darunter auch das ach so umweltschädliche Kohlendioxid, an dem die Welt gerade zu Grunde gehen soll.

Präzise und damit ziemlich teure Einspritzdüsen, Hightech-Einspritzpumpen und eine genaue Geometrie des Einspritzstrahles sollen helfen, die Verbrennung so vollständig wie möglich ablaufen zu lassen und damit die Abgasqualität zu verbessern. Das unter den stark wechselnden Arbeitsbedingungen eines Automotors.

Der aktuelle Trend der Motorenbauer: Downsizing. Die Motoren werden kleiner und kleiner gemacht nach der Regel, damit sie weniger Sprit schlucken und dementsprechend weniger Abgase ausstoßen. Die vorläufige Spitze sind Motoren mit nur noch drei Zylindern. Nur mit Mühe kann denen eine einigermaßen akzeptable Laufruhe beigebracht werden. Denn auch da knallt es im Inneren bei jeder Umdrehung der Kurbelwelle dreimal sehr heftig und versetzt dem Motörchen heftige Schläge. Hier müssen drehende Massen sehr sorgfältig ausgeglichen werden.

Diese geringeren Verbräuche und Abgase der downgesizten Motoren allerdings werden mit einer deutlich verringerten Haltbarkeit erkauft. Die kleinen Diesel sind extrem hochgezüchtet und halten längst nicht mehr so lange wie man dies von Dieselmotoren gewohnt war.

Und: Diese Motoren sind im Gemisch stark abgemagert. Die Menge des Kraftstoffes wurde so weit reduziert, dass gerade noch die Verbrennung sauber stattfindet. Das reduziert logischerweise die Menge der Abgase. Bei plötzlichen Vollgasstellungen wird das Gemisch kurzfristig kräftig angereichert, damit die Leistung zur Verfügung steht. Dabei steigen natürlich auch wieder die Abgaswerte. Nun sind aber die Vollgasphasen – das kennt jeder von sich selbst – meist nur von sehr kurzer Dauer. Etwa beim Überholen oder beim Bergauffahren.

Doch beim Abmagern steigen auch die Temperaturen der Verbrennung. Es sind nicht genügend Tröpfchen an Kraftstoff vorhanden, die kühlend wirken können. Und noch ein Wert steigt sehr kräftig an: unsere Stickoxide. Die sollen möglichst auch weg. Deswegen haben die Umweltbewegten in Behörden und NGOs neue Grenzwerte aufgelegt, so dass hierzulande nach der europäischen Norm EU 6 nur noch 80 mg NOX pro Kilometer als Höchstwert aus dem Auspuff kommen darf.

In Amerika gelten sogar noch strengere Grenzwerte mit der Hälfte an erlaubten Stickoxiden. Das können sich amerikanische Umweltschützer problemlos erlauben: Es trifft amerikanische Autofahrer in der Regel nicht. Denn die fahren langsam drehende, großvolumige Benzinmotoren, die von Haus aus wenig Probleme mit Stickoxiden haben. Außerdem halten diese Motoren wesentlich länger als die empfindlichen, downgesizten, mit Turbos aufgeladenen Dieselmotörchen in Europa.

Die allerdings kauft in Amerika niemand, und das war bisher das Problem von VW.

Klar ist auch, daß solche Motoren sehr viele Werte von Öl- und Wassertemperatur über Druckverhältnisse bis hin natürlich zu Drehzahlen messen und der Steuercomputer alles entsprechend regelt. Ohne Software läuft also überhaupt kein Motor mehr, höchstens in einem Notmodus, wenn die Elektronik ausfällt. Die Software kann also gar nicht abgeschaltet werden.

Um Abgase messen und auch herstellerübergreifend miteinander vergleichen zu können, müssen Grenzwerte her. Vorher muss man definieren, wie sie gemessen werden sollen. Dazu muss die gesamte Messanalytik in den Kofferraum eingebaut werden. Das aber ist noch nicht alles, denn jetzt kommt es darauf an, wie, wo und welche Strecken bei welchen Witterungsbedingungen gefahren werden?

Wir kennen das Problem: Der eine Fahrer benötigt 12 Liter auf 100 Kilometer, der andere dagegen bewegt sein Fahrzeug so, dass er mit acht Litern auskommt. Alte Regel: Im Gasfuß des Autofahrers steckt das größte Sparpotential; da können sich die Motoreningenieure noch so sehr anstrengend.

Es müssen also vergleichbare Bedingungen geschaffen werden, damit Autos auch verschiedener Hersteller in ihrem Abgasverhalten gemessen werden können.

Motorenbauer und Behörden haben sich daher auf »Prüfzyklen« geeinigt. Auf Rollenprüfständen wird der Wagen mit verschiedenen Belastungen gefahren, ein kurzes Stück, das Stadtfahrten simulieren soll mit wechselnden Beschleunigungen, relativ gleichmäßigen Fahrten über Landstraßen und Autobahnen. Das alles bei gleichbleibenden Temperaturen.

Dass diese künstlichen Zyklen im Labor nicht viel mit alltäglichen Fahrten zu tun haben, liegt auf der Hand und weiß jeder Beteiligte in Industrie und Politik. Die Grenzwerte sind natürlich wiederum ein Kompromiss. Man könnte auch Kuhhandel sagen. Nur sind Normen immer Industriepolitik. Wer das Auto politisch kaputtmachen will, kann das am besten über Normen tun. Er sollte allerdings nicht vergessen, dass noch immer die Autoindustrie eine der Schlüsselindustrien ist, in der das Geld verdient wird, an dem sich die Politik so bereitwillig und gerne vergreift.

Noch nicht bekannt wurde übrigens, wie die Messdaten von EPA erstellt wurden und unter welchen Bedingungen. Nachgeprüft werden können diese Darstellungen also nicht. 2000 Kilometer sollen gefahren worden sein. Das ist nicht besonders aussagekräftig.

Volkswagen hat im Augenblick keine bessere Chance, halbwegs glimpflich davon zukommen, indem sie sich (»mea culpa, mea maxima culpa«) geißeln und hoffen, dass es nicht zu teuer wird. Eine Diskussion über technische Hintergründe anzufangen, wäre aus krisenkommunikationspolitischer Sicht immer zum Scheitern verdammt. Beispiele wie Brent Spar zeigen in bedrückender Weise, wie NGOs im Zusammenspiel mit Medien und Politik auch die dreistesten Lügen durchbringen.

Und im konkreten Fall steht anzunehmen, dass die amerikanische Autoindustrie mit Hilfe von Normen und NGOs der lästigen deutschen Konkurrenz eine Lehre erteilen will.

 

Der Eintrag war zuerst auf DAV – Markt und Freiheit erschienen. der ganze Eintrag > hier.