Der Warschauer Pakt ist zwar tot…

Wenn Westeuropäer den bevorstehenden Zerfall der Europäischen Union vor Augen haben, denken sie an die Pleitestaaten Griechenland, Zypern und Frankreich. Oder an die Zerfallsprozesse in Spanien, Italien, Belgien und im Vereinigten Königreich: an die mögliche Abspaltung Katalaniens, Venetiens, Flanderns und Schottlands. Diese in der westlichen EU-Hälfte angesiedelten Hotspots nehmen breiten Raum in unserer Berichterstattung ein.

Der Osten der EU dagegen liegt im medialen Dauernebel. Oder ist im Verständnis deutscher Eliten ein Dunkeleuropa, welches zu beachten sich nicht verlohnt. Allenfalls wenn Ungarn oder Polen von deutschen Undiplomaten wieder einen auf die Mütze bekommen, fällt ein meist grelles Zwielicht auf die staatlichen Zerfallsprodukte des Warschauer Pakts und Jugoslawiens. Jüngstes Beispiel: Die Ex-Bischöfin und Promille-Protestantin Margot Käßmann bezweifelte vor ein paar Tagen die europäische Identität von Polen und Ungarn.

Immerhin Elf von 28 EU-Länder gehörten früher dem Warschauer Pakt oder Jugoslawien an. Und die Bundeskanzlerin will diese Zahl durch die Aufnahme weiterer Balkanstaaten noch geschwind vermehren. Eigentlich muß man noch den Osten Deutschlands zu diesem Block dazurechnen. In diesen Ländern bildet sich langsam eine Opposition gegen den Westen der EU. Begonnen hat alles mit ein paar kritischen Bemerkungen des damaligen tschechischen Präsidenten Waclaw Klaus. Er opponierte gegen den Vertrag von Lissabon, der die Souveränität der einzelnen Mitgliedstaaten gefährde, er lehnte die staatliche Homo-Ehe ab und stellte den von pseudowissenschaftlichen Scharlatanen prognostizierten Klimawandel in Frage. Damit ist bereits das brisante Themenfeld umrissen, welches der ganze Osten anders beackert, als der Westen.

Keines der Ostländer „investiert“ in einem Umfang wie Deutschland in Windräder, Polystyrolplatten und Photovoltaik. Polen verdient seine Kohle weiter mit Kohle, Tschechien und die Slowakei bauen die Kernkraft aus, genauso wie Finnland oder die Staaten des Baltikums. Alle Länder des Ostens machen sich im Gegensatz zu Deutschland von russischen Gaslieferungen unabhängiger.

Keiner der ehemaligen Warschauer-Pakt-Satelliten lehnt die Familie in einem Maße ab, wie das in Westeuropa der Fall ist. Abweichende und seltene sexuelle Vorlieben als Privatsache werden überall gelebt, es fehlt von Tallin bis Sofia jedoch der staatliche Eifer bei der Gender-Propaganda. In armen Ländern ist die Familie ökonomisch und sozial ein stabilisierender Faktor und das nutzen die Regierenden.

Und aktuell kommt der Umgang mit den Asylbewerbern zum Sorgenpaket dazu. Kein Staat des Ostens hat Lust, in nennenswertem Umfang Ärzte und Ingenieure aufzunehmen. Allen steckt noch die russische, serbische, deutsche und türkische Fremdherrschaft in den Knochen. Manche dieser Länder haben nacheinander mehrere dieser kräftezehrenden Übergriffe erduldet und wollen endlich ungestört im eigenen Saft schmoren.

Bisher haben die EU-Beitrittsländer des Ostens alle Brüsseler Kröten tapfer geschluckt, weil sie das Ausbleiben der EU-Fördergelder nicht riskieren wollten. Oder sie haben in Brüssel, Straßburg und Luxemburg zu allem Ja gesagt, um zu Hause alle Beschlüsse möglichst geräuschlos zu relativieren und zu unterlaufen. Jeder aufmerksame Beobachter, der in Polen, Tschechien oder Rumänien geweilt hat, kennt die abgeklärten, oft ex-kommunistischen Beamten, die aus leidvoller Erfahrung sehr national denken und entscheiden.

Der entstehende Bruch in der EU zwischen Ost und West deutet sich erst an und komplettiert die Risse zwischen Nord und Süd im EU-Gebälk. Es wird immer klarer, daß langsam und unaufhaltsam ein Auseinanderdriften beginnt.

Vor Jahren konnte ein mittlerer deutscher EU-Beamter einen baltischen Politiker noch vor versammelter europäischer Mannschaft ungestraft regelrecht zusammenfalten. Inzwischen wächst der Widerstand. Kürzlich verbat sich der polnische Verteidigungsminister Tomasz Siemoniak deutsche Belehrungen zur Asylfrage. Wirtschaftsminister Waldemar Pawlak hatte sich namens der polnischen Regierung schon vor geraumer Zeit eine Einmischung Deutschlands in seine Energiepolitik verbeten. „Genauso wie wir die Entscheidung der Deutschen, aus der Atomkraft auszusteigen, nicht bewerten, genauso möchten wir auch nicht, dass sich die Deutschen in unsere Entscheidungen einmischen.“ Nachdem Peer Steinbrück Ungarn im Mai 2013 aus der EU ausschließen wollte und Angela Merkel dagegenhielt, man müsse nicht gleich „die Kavallerie schicken“, kontert der ungarische Premier Orbán, die deutschen Panzer seien ja schon da gewesen. Das ist nur ein kleiner Einblick in wachsende Differenzen zwischen der Berliner Reichskanzlei und dem renitenten Osten.

Mit der Wahl des neuen polnischen Präsidenten Andrzej Duda steht der zuweilen polternden deutschen „Diplomatie“ ein gewaschener, disziplinierter und geschmeidiger Gegner gegenüber, der Deutschland gut kennt. Deutsche Sozialdemokraten wie Schulz, Stegner, Fahimi, Gabriel, Steinbrück und Maas, die verbal gerne mal scharfe Attacke reiten, haben umgekehrt vom Osten keine wirkliche Ahnung. Sie könnten sich in den Sümpfen Masurens und den Schluchten der Karpaten und selbst im lieblichen Erzgebirge böse vergaloppieren.

Wie in Europa vertieft sich auch in Deutschland der ideologische Graben am ehemaligen Eisernen Vorhang. Insbesondere zwischen Sachsen und Helldeutschland verschärft sich der Ton. Der ganze Osten beginnt zu revoltieren.