Freihandel, Lügenpresse und Europäische Union

Der TTIP-Aufregungsmotor ist wieder angeworfen, denn der Vertragsentwurf liegt in einem abgesicherten Leseraum aus. Top secret alles.

Eigentlich ist Freihandel doch ganz einfach, denkt sich Fritzchen. Da gibt es Zölle als prozentualen Aufschlag auf den Warenwert und alles ist klar. Na gut, die Zölle könnte man noch abschaffen. Aber so einfach ist es nicht. Es gibt nämlich auch die sogenannten nichttarifären Handelshemmnisse, das sind die eingebauten Schikanen.

Letztere sind eng verwandt mit außerökonomischen Herrschafts- und Knechtschaftsverhältnissen. Als die Deutschen ab 1884 Schutzverträge mit den Stämmen in Kamerun aushandelten, stießen sie schnell auf ein Problem, welches es überall in Afrika (und nicht nur dort) gab. Der Küstenstamm der Duala war mit Freihandel keineswegs einverstanden. Er hatte seit geraumer Zeit den Handel zwischen den seefahrenden Nationen und den Hinterlandstämmen monopolisiert und wollte diesen Vorteil gerne beibehalten. Ähnliche Zustände herrschten im Altertum auch in unseren Breiten. Jedes Rohstoffvorkommen wurde von mächtigen Stämmen erobert und dann monopolisiert. Besonders umstritten waren Salzvorkommen.

In der Neuzeit wurden die Handelspraktiken von roher Gewalt befreit. Es blieben aber Zölle und Schikanen übrig. Wobei letztere das größere Hemmnis sind. Ein Bekannter ist Ingenieur in einer Kettensägenfabrik. Das halbe Jahr ist er im Ausland, um mit gewählten oder dahergelaufenen Regierungen die Spezifikationen für das Gerät auszuhandeln. Oder sich die rigiden Bedingungen anzuhören, unter denen die Maschine unter die Leute gebracht werden darf. Nicht alles ist mit Vernunftsgründen hinterlegt. Viele Vorschriften stammen aus dem staatlichen Irrenhaus und lassen sich weder mit Arbeitsschutz noch mit Emissionsschutz begründen. Sie sind historisch gewachsener Unsinn oder absichtlich eingebaute Schikanen, um den eigenen Markt zu schützen und von ausländischen Mitbewerbern freizuhalten.

Solange es noch Kanonenbootpolitik gab, konnten gut gerüstete Nationen ihre Vorstellungen von einwandfreier Ware einseitig gegen die Schwächeren durchdrücken. Das brisanteste Beispiel war der britische Rauschgiftexport nach China um 1840. Ein großes Land wurde durch Rauschgift regelrecht lahmgelegt. Was wiederum für Aufrüstung, eine nationale Außenhandelspolitik und Verbote spricht.

Schikanen für Produzenten sind nicht nur ein internationales Problem, sondern inzwischen auch ein nationales. Durch EU- und nationale Normung sind auch innerhalb Deutschlands die Markteintrittsbarrieren so hoch gelegt, daß vielfach nur ein Hersteller übrig geblieben ist, der sich Mitbewerber über den Normenausschuß vom Halse hält. Man gehe mal durch zehn Küchenstudios. Überall gibt es die gleichen Griffe. Oder man sehe sich Objektbeschläge von Türen in Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen an. Es sind drei Hersteller übriggebleiben. Das sind nur Beispiele. Oder man überlege mal, warum zwischen 1900 und 1930 die Autohersteller in Deutschland wie Pilze aus dem Boden schossen und seit 1960 kein einziger Hersteller mehr seinen Betrieb eröffnet hat.

Teilweise berechtigt, teilweise eben auch nicht sind Umwelt- und Gesundheitsvorschriften. Kürzlich ist VW unter die Räder gekommen. Abgaswerte, die mit dem Gesundheitsschutz nichts mehr zu tun haben, sondern nur noch der Abschottung des Marktes dienen, sind zum Fallstrick geworden. Manchmal gibt es noch einen Hauch von Begründung, manchmal nicht: Deutschland darf seine salmonellenverseuchten Hähnchen nicht nach Amerika ausführen. Und umgekehrt trommeln die deutschen Grünen gegen desinfizierte Ware aus den Staaten. Unsere grünen Freunde bewegen sich auf dem hygienischen Niveau von Charlotte Roche.

Die Abschottung gegen das Fremde ist ein uralter archaischer Trieb. Unter den Segeln des Umweltschutzes, Emissionsschutzes, Tierschutzes, Arbeitsschutzes und Gesundheitsschutzes hat er mächtigen Aufwind erhalten. Interessant, daß gerade die Grünen besonders eifrige Marktabschotter sind. Die doch sonst so für Multikulti und fremde Kulturen schwärmen. Beim Handel lieben sie die Steinzeit, wo die Neandertaler lieber unter sich blieben und selbst erlegte Mammuts mit Mehlsuppe aus regionalem Anbau verschlangen. Entlarvend war die Kampagne gegen das Chlorhühnchen, in der sich die ganze Irrationalität der Behandlung des Themas abbildete.

Wie man sieht, handelt es sich um ein sehr komplexes Thema. Aufgeregte Grüne, die sich dieses Themas gerne annehmen, sollten immer bedenken, daß unser Land – was Rohstoffe betrifft – nur mit Kohle und Erdgas reich gesegnet ist (wenn man gegen Kohle nichts hat und Erdgas mit modernen Methoden fördern will). Weitere Roh- und Energiestoffe müssen durch Außenhandel beschafft werden. Wirtschaftliche Autarkie war sowohl im Dritten Reich, als auch in der ähnlich strukturierten DDR grandios gescheitert.

Die in den Lügenmedien argumentfrei und emotional geführte Nicht-Diskussion über TTIP wird der Vielgestaltigkeit des Themas nicht gerecht. Von Anfang haben die Medien Desinformationen auf Chlorhühnchen-Niveau verbreitet. Die Verhandlungsführer der EU reagieren auf die Inkompetenz der Medien mit einem abgeschotteten Leseraum. Das ist in der Demokratie eine völlig falsche Methode. Wenn die Öffentlichkeit die Diskussion aus Kompetenz- und Informationsmangel nicht führen kann, so ist die Zeit für TTIP einfach nicht reif. Eine Reform der Medien müßte der Diskussion über den Freihandel eigentlich vorausgehen.

Eine demokratische Diskussion ist in einem vielsprachigen Babylon wie der EU offensichtlich schwierig oder nicht mehr drin. Alle Entscheidungen kommen undiskutiert, demokratisch nicht legitimiert und geradezu überfallartig über die im Brüsseler Kerker gefangenen Völker, wie exemplarisch das Verbot der Glühbirne. Das wurde im Expreßtempo durchgepeitscht. Die Brüsseler Bürokraten fühlen sich als Monarchen oder sie führen sich zumindest so auf. TTIP wird in finsteren Hinterzimmern der Macht durchgezogen werden (oder auch verhindert) wie der puppenkleine Spülkasten oder das Verbot des Verbrennens von Baumschnitt. Die EU krankt am Demokratiedefizit. Der Leseraum für TTIP-Dokumente ist nur ein Symptom dieser antidemokratischen Seuche. Es ist bezeichnend, daß unterbelichtete Witzfiguren wie Martin Schulz und Jean-Claude Juncker dieses System der Intransparenz repräsentieren.