Die SPD schafft sich ab

Die „Politikwissenschaftler“ rätseln über die Ursachen des Absturzes der SPD. Diese ehemalige Arbeiterpartei ist Opfer einer von ihr selbst mit vervorgerufenen Fehlentwicklung geworden. Sie hat sich ungewollt selbst abgeschafft.

Ihre zeitweilige Stärke resultierte aus der Instrumentalisierung des Verteilungskampfes zwischen Arbeit und Kapital für ihre politischen Zwecke. Als die SPD gegründet wurde lag die Nettogewinnquote bei 50 %, während die Bruttolohnquote etwa 40 % betrug. In den Augen der SPD und auch ihrer Anhänger eine Basis, um für die Arbeit mehr Lohn zu fordern.

Nach der Machtergreifung der SPD in der Novemberrevolution 1918 begann sie die Löhne und die Steuern zu erhöhen. Die Löhne über die Einführung der Koalitionsfreiheit und die Steuern zusammen mit ihren Regierungspartnern vom Zentrum und von den Linksliberalen. Die Lohnaufbesserungen in der deutschen Großindustrie verhalfen der SPD zu einer festen politischen Basis in der sogenannten Arbeiteraristokratie. Freilich machten diese organisierten und sehr gut bezahlten Arbeiter schon in der Weimarer Republik eine Minderheit der gesamten Arbeiterschaft aus. Mit dem 1919 begonnenen Marsch in den Steuerstaat hat sich die Sozialdemokratie nach fast hundert Jahren allerdings ruiniert. Das war zunächst nicht abzusehen.

Man kann mit dem langen Blick die Größenverhältnisse zwischen Lohn, Gewinn und Steuern um 1870, 1930 und 2007 mal vergleichen, um zu erkennen wie das sozialdemokratische Geschäftsmodell erodierte. Dann erkennt man den gesellschaftlichen Wandel von einer Klassengesellschaft zu einer Staatsökonomie sofort. Durch Steuern und Abgaben reduzieren sich verfügbarer Lohn und Gewinn. Nach den Abgaben sieht die Verteilung des volkswirtschaftlichen Ertrags etwa so aus:

Jahr Nettolohnquote Nettogewinnquote Abgabenquote
1870 40 % 50 % 10 %
1930 53 % 27 % 20 %
2007 38 % 12 % 50 %

Der von Karl Marx konstruierte Antagonismus zwischen Arbeit und Kapital ist nach dem zweiten Weltkrieg angesichts der Größenordnungen der Verteilung des volkswirtschaftlichen Kuchens zum „Nebenwiderspruch“ geworden. Die neue Front verläuft zwischen steuerzahlendem Kapital und steuerzahlender Arbeit auf der einen Seite und den Steuerprofiteuren andererseits. Die Wind- und Solarbarone, die GEZ-Millionäre, die Riester-Renten-Vertreter, die Parlamentarier mit ihrem Troß, die vielgestaltigen hochbezahlten Politikberater und Fördergeldjäger ärgern den selbständigen Handwerker genauso wie sie den angestellten Handwerker reizen. Die SPD hat sich mit dem Ausbau des Steuerstaats als Partei der Schaffenden disqualifiziert. Zunächst baute die SPD nur den Sozialstaat aus, was noch breite Akzeptanz fand. Nur eine Minderheit ist schließlich gegen die Kranken- und Rentenversicherung. Inzwischen wird das Steuergeld so ausgegeben, daß es den Steuerzahlern nicht mehr nutzt, sondern regelrecht schadet. Ja das arbeitende „Pack“ sogar verhöhnt.

Genderstudies, Klima-„Wissenschaften“, die Ausgaben für die Bewältigung der Asylkrise, Elektroautos, Medien- und Kultursubventionen nutzen den Steuerzahlern nichts. Immer mehr Geld wird ohne gesellschaftlichen Mehrwert ausgegeben. Einfach sinnlos. Frau Dr. Merkel und Herr Gabriel könnten auch Pyramiden als sinnfreie Denkmäler ihrer Regierungszeit bauen lassen. Die um sich greifende Sinnkrise staatlichen Handelns führt auf ein umfassendes Akzeptanzproblem. Die SPD ist mit ihrem Alt-Image als Arbeitnehmervertretung viel schneller im Identitäts-Schlamassel als die vermeintlich wirtschaftsnahe CDU.

Die Gewerkschaften werden im zukünftigen Kampf um das Lohnniveau nur noch im öffentlichen Bereich des Staatsapparates eine Rolle spielen: Da sie sowohl die Beschäftigten in der Privatwirtschaft vertreten, als auch die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, können sie keine klare Position beziehen. Der öffentliche Dienst will immer höhere Steuern, da er nur bei hohen Abgaben hohe Löhne garantieren und expandieren kann. Im Interesse der Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft sind höhere Steuern dagegen nicht. Sie ruinieren seinen Nettolohn. Den Gewerkschaften laufen die Beschäftigten aus der Privatwirtschaft zunehmend weg. Der Transport- und Handelssektor der Gewerkschaft ver.di ist ein aufschlußreiches Beispiel: Er ist kaum noch existent.

Deutschland braucht wieder einen Staat, der sich auf wenige Kernaufgaben konzentriert und das Abgabenniveau insbesondere für den arbeitenden Mittelstand senkt. Die Interessen der Schaffenden müssen zukünftig wieder eine Stimme erhalten. Solche funktionslos gewordenen Parteien wie die SPD werden schrumpfen oder ganz untergehen.