Morgenwäsche wie Kaiserin Sissi

Der beginnende Niedergang der Bauhausmode wäre nicht erwähnenswert, wenn damit nicht ein allgemeiner Wertewandel verbunden wäre. Wir leben eben wieder mal in einer Wendezeit.

Am 16.12.2015 hatte Staatskanzleiminister Hoff von der Linkspartei im Thüringer Landtag geunkt, daß die AfD-Fraktion sicher bald auch etwas gegen das Bauhausjubiläum vorbringen werde. Das wäre ja wirklich eine glatte Ungeheuerlichkeit! Wie Majestätsbeleidigung mindestens! Er hat sich in diesem Fall zwar geirrt – leider. Gründe für Meckerei am Bauhaus gibt es nämlich genug.

Das Jubelfest der Würfelfans findet 100 Jahre nach der Gründung des Bauhauses im Frühjahr 2019 statt und soll durch die Eröffnung des neuen Bauhausmuseums in Weimar gekrönt werden. Wenn Sozialdemokraten Bauherren sind, geht es oft etwas schleppend zu. Die Baustelle in Weimar erinnert an den Flughafen BER. Die Planungen verzögerten sich, die Ausschreibung des Bauhauptgewerks mußte wegen totaler Kostenüberschreitung aufgehoben werden und die Termine befinden sich seither auf dem kritischen Weg.

Die Rohbauarbeiten begannen am 9. Januar 2017 und sollen Ende 2017 abgeschlossen sein. „Ich freue mich, dass jetzt die Eröffnung des Hauses im April 2019 zum 100. Geburtstag des Bauhauses möglich erscheint“, so die vorsichtige Sprachregelung von Hellmut Seemann, dem Präsidenten der Klassik Stiftung Weimar.

C. Northcote Parkinson (1909 – 1993), ein ehemaliger Professor an der Raffles University of Malaya, veröffentlichte 1957 sein Buch „Das Parkinsonsche Gesetz“. In Kapitel VI „Das vorgeplante Mausoleum“ erläuterte er seine Beobachtung, daß lebendige und produktive Institutionen in schäbigen Unterkünften untergebracht sind. So ein Bau war zum Beispiel der deutsche Bundestag in Bonn. Oder das Zeughaus am Theaterplatz in Weimar, in dem die Reliquien der Kubus-Fangemeinde derzeit untergebracht sind. Northcote schreibt, daß eine Perfektion der Planung nur von jenen Institutionen erreicht wird, die sich am Beginn des Ruins befinden. Kurzer Schluß: Wenn das Bauhaus-Museum fertiggestellt ist, ist die Bauhausgemeinde am Ende und in vollster Auflösung.

Auch Architekturmoden steigen nämlich die Stufenleiter der gesellschaftlichen Pyramide herunter.  Ausgehend von ein paar elitären Künstlern werden nacheinander öffentliche Bauherren, Unternehmen, der Mittelstand und der prekäre Bauherr erfaßt. Wenn der Stil bei den Bauträgern angekommen ist und für Otto Normalverbraucher als Stangenware oder Katalog-Konfektion wie Sauerbier angeboten wird, dann läutet das modische Totenglöckchen. Die Spitzen der Gesellschaft suchen sich dann was Neues, um den eigenen Avantgardismus zu zelebrieren.

Diesen Punkt haben wir inzwischen erreicht. Große und kleine Würfel haben sich über IKEA, Pfennigfuchser, Amazon, Mc Geiz und ebay als Einrichtungsgegenstände bis in die letzte Plattenbau-Großsiedlungswohnung ergossen. Immer mehr Bebauungspläne erlauben Flachdächer oder erzwingen sie sogar. Bauliche Musterprojekte „zeitgemäßen“ Wohnens von 2000 bekommen bereits Algenteppiche und Pilzbewuchs und verasseln mangels Dachüberständen. Zeit, daß die Architektenkarawane zu neuen Ufern aufbricht. Der totale Sieg kostete seinen Feldherren oft das Leben.

Vor wenigen Tagen besuchte ich ein österreichisches Küchenstudio. Im Schauraum noch Bauhausküchen. Mit der Ausnahme einer einzigen Landhausküche. Der Inhaber verriet, daß die Würfelküchen auf dem flachen Lande auch noch gut verkauft würden. Wenn dagegen in die nahe Metropole nach Wien geliefert würde, hätte das Publikum andere Wünsche. Auch ein Blick ins Internet verrät die Zeitenwende.

Zum Beispiel ein Blick in standesgemäße Badeinrichtung. Die Kritik am Ornament ist tot. Die Vierecke der Moderne sind denselben Weg gegangen, den die Dreiecke der Postmoderne schon hinter sich hatten. Verschwunden im Orkus des Ekels. Dagegen lebt die alte Welt der Hohenzollern und Habsburgs wieder auf: Barocke Waschtische, Wasserhähne der vorletzten Jahrhundertwende, klassizistische Oberkastel mit dorischen Säulchen und Badewannen aus der Kaiserin-Sissi-Periode. Man denkt, man wäre in Schloß Schönbrunn gestrandet. Die Preise dafür sind nicht populär, sondern in der Regel selbst für das Einzelteil gut vierstellig.

Mit Rechtspopulismus hatte das Bauhaus nie etwas zu tun. Mit Rechts- und Linkselitarismus dafür umso mehr. Rechtslastig zum Beispiel das Hakenkreuzsignet von 1919, der Hausantisemitismus von Frau Gropius oder die Anleihen beim faschistischen Futurismus. Linksverdreht die Kontakte nach Sowjetrußland und zur deutschen Dependence der Komintern. Zeitgenossen berichteten, daß in den heiligen Hallen Dessaus die „Rote Fahne“ und der „Völkische Beobachter“ studiert wurden, nicht jedoch der „Vorwärts“.

Wenn sich die Eliten dem Eklektizismus und Historismus zuwenden, und sei es zuerst in Bad und WC, so ist das ein Signal. Das Bildungsbürgertum beginnt wieder tastend nach historischen Bezügen zu suchen, statt konstruktivistischen Reißbrettentwürfen zu gehorchen. Ist das nach einer Zeit globalistischer Einheitskultur die zaghafte Rückkehr zu nationalen Leitkulturen? Kann sein!

Zumindest für den elitaristischen thüringischen Staatskanzleiminister Hoff und für seinen Vorgesetzten Bodo Ramelow ensteht eine peinliche Situation. Man wird das Bauhausmuseum 1919 einweihen, während die Konsumpioniere angesichts des langweiligen Weimarer Würfelklotzes mit der Gestaltwahrnehmung eines Hochregallagers nur noch gähnen und die Augen verdrehen. Kurz danach sind Landtagswahlen und das politische Buch der thüringischen Bauhausaffen wird zugeschlagen. Bei Demonstrationen in Erfurt riefen die Thüringer bereits: „Bodo, wir kommen!“