Baby, du bist aus der Zeit gefallen

Honecker hat 1989 nichts mehr gemerkt. Sein Haltbarkeitsdatum war abgelaufen. Sein politischer Quark lag zwar im Kühlschrank der Partei, aber er verströmte Verwesungsgeruch. Und nun leidet Dr. Merkel unter dem gleichen Realitätsverlust und verdunstet wieder den Achselschweiß des Versagers.

Um Deutschland herum ist die ganze schöne neue Orwell-PC-Welt von 1984 in Auflösung. In Österreich kommt eine Regierung, die in den deutschen Schreibstuben Pickelattacken und harte Schreikrämpfe auslösen wird, nachdem schon Polen für den rechten elitistischen Glauben der Kanzlerin verloren scheint, Ungarn und Tschechien sowieso zu den Feindstaaten gehören und Dänemark Soldaten zum Grenzschutz nach Schleswig beordert hat. In Moskau, Ankara und Washington verfolgt man den nicht enden wollenden politischen Todeskampf der Kanzlerin mit kaum verhohlener Genugtuung.

Wie sich die Ereignisse gleichen: Auch 1989 verfolgte in Sachsen und Thüringen fast kein Mensch mehr, was in Bonn diskutiert wurde. Dort am Rhein wurde der Mond noch mit der Stange geschoben und die SPD forderte kurz vor deren Gegenstandslosigkeit die Anerkennung der DDR-Staatsbürgerschaft. Alle Blicke der Sachsen, Thüringer und Franken waren nach Osten, auf Moskau, Warschau und Budapest gerichtet. Dort waren richtige Männer am Werk, die am Rad der Weltgeschichte drehten. In Polen wurde gegen den Widerstand des linken Establishments die erste freie Wahl durchgedrückt, Ungarn baute den Stacheldraht ab und die revolutionäre Wachsamkeit in Rußland wurde durch Sabrinas Auftritte in Moskau restlos ruiniert. Erst in den letzten Tagen des zu Ende gehenden Jahres signalisierte Helmut Kohl bei seiner Dresdner Rede, daß es Deutschland überhaupt noch gab. Von da an war Bonn wieder ein Ort, dem man höchste Aufmerksamkeit schenkte.

Heute ist die Lage ähnlich wie 1989. Die zivilisierte Welt schaut auf Wien, Warschau und Budapest, während sich die Akteure in Berlin und Brüssel in der Nase bohren (um nichts despektierlicheres zu behaupten). Kein vernünftig denkender Mensch würdigt das Berliner Irrenhaus namens Bundeskanzleramt noch eines Blickes. Eine Dresdner Rede des Bundeskanzlers, zum Beispiel auf PEGIDA: Fehlanzeige.

Dr. Merkels Reich liegt in Agonie. Es gibt einen herrlichen gleichnamigen Film von Elem Klimov, der 1966 bis 1974 gedreht wurde und die letzten Monate der Zarenmonarchie in Rußland beleuchtet. Der Quacksalber Rasputin beherrschte den spirituellen und politischen Raum, so wie heute die Spindoktoren Schellnhuber und Soros. Doch mit Zauberkünsten und von grundfalschen Prämissen getrieben kann man auf die Dauer nicht regieren. Sag mir, wer dich berät, und ich sage dir wer du bist. Ein qualvoller Untergang in einer bleiernen Zeit folgt jeweils auf Obskurantismus und Ratgeber aus dem Voodoo-Bereich.

Nach der Niedersachsenwahl riecht die CDU nicht mehr wie eine frische Leiche, sondern nach fast drei Wochen verschleppter Bundestagswahlanalyse wie ein alter Kadaver.

Merkels Zeit ist abgelaufen. Es wird langsam fraglich, ob Grüne und Gelbe mit in den Malstrom ihres Untergangs hereingezogen werden wollen. Ob die Schwampel-Koalitionsverhandlungen überhaupt noch abgeschlossen werden, oder ob die potentiellen Partner der CDU in letzter Sekunde kalte Füße bekommen.

Die Rolling Stones haben mal ein Lied über ein Baby geschrieben, das zurückgewiesen wird, weil es aus der Zeit gefallen ist:

You’re obsolete my baby
My poor old-fashioned baby
I said baby, baby, baby you’re out of time
Well, baby, baby, baby, you’re out of time
I said, baby, baby, baby, you’re out of time

Paßt.