Das Überangebot an Nutten

In der Russenzeit wollte eine Schülerin aus der Parallelklasse was mit Film werden. Sie war sich schon darüber im Klaren, daß man für die berufliche Karriere Opfer bringen muß. Sie übte auch schon lange vorher, damit sie in Babelsberg oder sonstwo im Dunstkreis der Hauptstadt nicht so unbeleckt daherkam. Einmal passierte ihr noch ein kleiner Betriebsunfall. Deutschlehrer Genosse Lieding kämpfte gegen die Verbürgerlichung des Proletariats und die Klasse mußte ein Gedicht von Erich Weinert über den Postbeamten Emil Pelle auswendig lernen, der eine Kleingartenparzelle bewirtschaftete und dabei im klein-klein der Pflanzungen und Begießungen den Überblick über die welthistorische Mission der Arbeiterklasse verloren hatte. Die junge Dame kam beim Aufsagen nicht weit, weil sie nicht gelernt hatte: „Der Postbeamte Emil Pille…“ „Pille“ schrie ein Mitschüler in die Klasse, alles brüllte vor Lachen und sie hatte für die nächsten drei Jahre ihren Spitznamen weg: Pille.

Sängerin oder Schauspielerin und Nutte, das war damals eine Gleichung. Wenn jemand häßlich war und sehr überdurchschnittlich gut singen konnte gab es natürlich Ausnahmen. Der sehr überschaubaren Zahl von wirklichen Talenten will ich nicht zu nahetreten.

Auch in Berlin bei der UFA ging es zu wie in Sodom und Gomorra. Die Affären von Dr. Goebbels mit Stars und Sternchen sind legendär und haben sich damals sogar im politischen Witz abgebildet. Goebbels besucht einen afrikanischen Häuptling. Als er den Kral betritt ruft der Häuptling: „Husch, husch, husch, alle Weiber in den Busch!“ Die Ehe von Goebbels mußte vom Führer persönlich gekittet und gerettet werden.

Warum soll das in Hollywood, Mailand oder Paris anders sein? Ich weiß es nicht. Ist doch genau dieselbe Monopolsituation: Eine überschaubare Zahl von Produktionsfirmen und eine Flut von extrouvertierten und exhibitionistischen Sternchen, die die Türen eindrücken, um berühmt und reich zu werden. Selber Schuld. Wenn man das Gehampel mit den Kaderleitern des Filmwesens und den Modezaren nicht will, kann man ja Abrechnerin bei der Krankenkasse oder Köchin im Altersheim werden.

Nach hundert Jahren Film fällt das Schnackseln auf den Besetzungscouches und das Poklatschen auf den Fluren plötzlich auch den Medien auf und sie machen eine Kampagne gegen einen Herrn Weinstein. „Guten Morgen!“, kann man da nur wünschen.

Es rollt wieder mal eine feministische Kampagne. Wie damals bei der „dann-mach-doch-die-Bluse-zu“-Geschichte. Ein Idiot jedoch, der denkt, daß Frauen keine sexuellen Machtspielchen machen. Es gab da in den 80ern in Erfurt und Weimar die kultige Firma TGA Weimar, wo das ganze Leitungspersonal mit einer Ausnahme weiblich war. Der einzige Mann in der Runde hatte bezeichnenderweise den Spitznahmen „Stehimbett“, in der Kantine hing nicht das obligate Honecker-Porträt, sondern das Konterfei der Chefin Lammert.

Einmal war dort eine Betriebsfeier. Die Leitungsebene saß an einem extra Tisch beisammen. Der Mann von der Chefin wurde losgeschickt, um meine gutaussehende Freundin, die in dieser grandiosen Firma tagsüber mit der F/E-Abteilung Doppelkopf klitschte und in der knappen verbleibenden Zeit Pflichtenhefte schrieb, zum Tanz aufzufordern. Er kam auf unseren Tisch zu und ich saß ihn so freundlich an, als würde ich ihm eine auf die Nuß hauen wollen. Kurz vor meinem Stuhl bog Lammert um 90 Grad ab und ging zum Assistenten der Geschäftsleitung Bennewitz, dem sogenannten Flaschenöffner. In diesem Moment johlte der ganze Tisch mit den herrschenden Damen. Ho-ho-ho-ho-ho… Teilweise hatten die Damen vom allgegenwärtigen Alkohol tiefe und raue Männerstimmen. Das war schon etwas mehr als Gleichberechtigung, das war Demütigung pur.

Diese kleine Begebenheit lehrt: Der ganze Feminismus mit seiner verlogenen Diskriminierungsprosa ist verlogen, idiotisch und irreführend. Es gibt nur knallharte Herrschafts- und Knechtschaftsverhältnisse. Wer die ausübt? Wer cleverer und mächtiger ist. Das sind oft Frauen…

Man könnte nun über eine entmonopolisierte Film- und Modeindustrie philosophieren, in der Angebot und Nachfrage sich die Waage halten, wo keine Macht über Niemand gilt. Vielleicht mal ein Thema für die libertäre Debattenzeitschrift „eigentümlich frei“. Aber wie realistisch ist das? Film und Mode ohne krasses Überangebot an jungen Damen? Na hey!

Mir fällt da immer der Frühzug nach Leipzig ein, in dem sich die Schlampen gegenseitig auf die Füße traten, weil er überfüllt war, wenn in der Russenzeit die Messe veranstaltet wurde. Damals gab es eine Liedstrophe, die Bezug darauf nahm: Jede Straßennutte hat ´ne Parkerkutte, aber unsereiner, der hat nichts. Ja, das war mal eine seltene Gelegenheit an Devisen, Parkas und Netzstrümpfe zu geraten.

Pille hat inzwischen 50 Jahre später auch schon den zweiten Frischegrad erreicht. Zu einem Klassentreffen kam sie nicht und entschuldigte sich wortreich. Sie schäme sich so wegen damals… Das erinnerte nicht an Erich Weinert, sondern an Wilhelm Buschs fromme Helene. Auch sie machte eine Kehrtwende: „Fort ihr falschen Zöpfe, Puder und Pomadentöpfe…“ Im fortgeschrittenen Alter entdecken manche der frivolen Sternchen plötzlich ihre verpaßte Unschuld und werden bigott. Das wird gerade in den Medien breitgetreten und mit einem männerfeindlichen Spin versehen.