Macht die FDP schon wieder Selbstmord?

Nein, nie wieder würde man der Schwarzen Witwe Merkel in Koalitionsverhandlungen auf den Leim gehen! Nie wieder würde man wie 2009 politischen Selbstmord begehen. Nie wieder würde man die Wähler der FDP enttäuschen! Denn 2017 hätte das deutsche Bürgertum der FDP nach der verpatzten Regierungszeit 2009 bis 2013 die letzte Chance eingeräumt.

Nun dringen erste Schwampel-Verhandlungsergebnisse nach draußen, und es sieht schwammig aus. Auf Tichys Einblick hat Fritz Goergen zwei Einträge zum Umgang der FDP mit dem Maasi-Zensurgesetz gepostet:

Am 11.11.: Ein Nachruf: Lindner, Kubicki und FDP ade
Einen Tag später: Windige Worte, NetzDG und FDP

Goergen hat offensichtlich Anlaß zu der Vermutung, daß die FDP umgefallen ist. Sie hatte ihrem Anhang versprochen, daß es mit dem NetzDG-Zensurgesetz keine Regierungsbeteiligung gibt.

„Wir Freie Demokraten setzen uns für die Meinungs- und Pressefreiheit ein. Jenseits von falschen Tatsachenbehauptungen sind auch erfundene oder verfälschte Nachrichten, die sich in sozialen Netzwerken und einigen Presseportalen finden lassen, von der Meinungs- und Pressefreiheit abgedeckt. Diese muss gerade dann gelten, wenn andere Meinungen als die eigenen verbreitet werden. Das bedeutet für uns, dass wir jede Form von staatlicher Kontrolle oder Prüfung auf die Richtigkeit von Nachrichten oder Meldungen ablehnen. Ebenso lehnen wir die Einführung eines Straftatbestands der Desinformation ab.“

Und nun wird die Netzwerks-Stasi-Kröte der Dr. Merkel doch geschluckt. Goergen schreibt:

„Die FDP will einen Jamaika-Vertrag unterschreiben, ohne ein sofortiges Ende des Maas’schen Zensur-Gesetzes überhaupt erst zu versuchen, ohne die sofortige Außerkraftsetzung des NetzDG und alles dessen, was sonst noch zur Zerstörung des Rechts getan wurde, überhaupt in Erwägung zu ziehen. Gar zur Koalitionsbedingung zu machen. Wer das tut, ist zu noch mehr politischen Verbrechen gegen den Geist des Liberalismus fähig. Künftig mögen Lindner & Kubicki & FDP die Worte Freiheit und Recht nie wieder in den Mund nehmen.“

Nun kann sich der verwunderte Verhandlungsbeobachter schon mal die Wählerwanderung ausmalen, die dieses Versagen auslösen wird. 2009 war die FDP mit fast 15 % als Protestpartei gegen Merkel gewählt worden und hatte gar nicht begriffen, wie ihr geschehen war. 2013 hatte die FDP durch ihren Totalausfall der eurokritischen Professorenpartei AfD unter Bernd Lucke auf die Beine geholfen, die in den Folgejahren die bei der FDP zwischengeparkten Anti-Merkel-Proteststimmen von 2009 Schritt für Schritt einkassierte.

Im Herbst 2017 gab es noch einmal ein retardierendes Moment im liberalen Drama. Die Protestanten gegen den Merkelkurs hatten sich von knapp 5 % 2013 (die AfD-Stimmen) auf 23 % (12 % für die AfD und 11 % für die FDP) vermehrt und die FDP konnte auf Grund der Übernahme eines Teils des AfD-Programms (Einwanderungsgesetz, keine Vergemeinschaftung der Schulden, keine Zensur, kein Zwang zum Kauf von Staatsanleihen usw.) fast die Hälfte dieser kritischen Wähler für sich gewinnen.

Die Schwampel, wenn sie denn nach dem von Goergen befürchteten Selbstmord von Lindner und Kubicki tatsächlich kommt, und nicht an der verunsicherten CSU oder der widerborstigen grünen Basis noch scheitert, wird zum weiteren kräftigen Wachstum der AfD beitragen. Wenn man davon ausgeht, daß wieder knapp 5 % der Wähler wie 2013 mit den Liberalen durch dick und dünn gehen, werden die beweglicheren 6 % mit hoher Wahrscheinlichkeit zu den Alternativen abwandern. Letztere nähern sich dann 20 % und könnten zweitstärkste Partei in Deutschland werden. Im Osten sind sie das schon jetzt. Zumal ja auch die CDU an dem Ast sägt, auf dem sie noch sitzt.

Fritz Goergen weiß wovon er schreibt. Er war von 1975 bis 1979 stellvertretender und von 1979 bis 1983 Bundesgeschäftsführer der FDP. 2002 war er Strategieberater von Guido Westerwelle und arbeitete am sogenannten „Projekt 18“. Nach der enttäuschenden Bundestagswahl 2002 – die FDP hatte mit 7,4 % nur 1,2 % zugewonnen – trat er aus der FDP aus. Zwei Jahre später machte er seinem Frust in einem Buch Luft: „Skandal FDP – Selbstdarsteller und Geschäftemacher zerstören eine politische Idee“. Der Titel ist auch dreizehn Jahre später noch aktuell.

Ich habe viele FDP-Größen irgendwann mal auf Veranstaltungen gesehen, ohne daß das Fernsehen das Interessante rausgeschnitten hat. Hans-Dietrich Genscher 1989 in Leipzig, Wolfgang Gerhardt und Ruth Wagner 1995 in Eschborn, Christian Lindner 2009 in Jena. Uwe Barth 2009 in Erfurt, Thomas Kemmerich 2004 in Jena. Wirklich nicht alle waren eitle unfähige Selbstdarsteller, einige aber schon. Einmal redeten Uwe Barth und Christian Lindner auf derselben Veranstaltung. Bei Barth wußte ich hinterher, was er wollte. Er hatte eine wunderbar klare und strukturierte Rede über Schulbildung gehalten. Von Lindners im Allgemeinen und Ungefähren rumstochernden Vortrag ist mir in Erinnerung geblieben, daß danach die Wiener Würstchen und die Bananen alle waren. Banal…