Messer- und Gabelfragen an der CDU-Basis

Täglich grüßt derzeit das Merkel-Murmeltier. Seit dem Streit mit der CSU über ein paar Zurückweisungen von ausgeschafften Asylbewerbern wird von den Medien jeder ihrer sinistren Schachzüge beobachtet, jede ihrer verbiesterten Gesichtsentgleisungen fotografiert. Die Frage ist jedoch: Wie sieht es mittlerweile eine oder zwei Etagen tiefer in der CDU aus? Schauen wir doch mal bottom up rein bei den Christbolschewisten. Die WELT hatte den Thüringischen CDU-Vorsitzenden Mohring zur Kanzlerkrise interviewt.

WELT: Wie viele Tage, Wochen oder Monate bleibt Angela Merkel noch Kanzlerin?
Mohring: Ich hoffe, bis zum Ende dieser Legislaturperiode.

Wer glaubt, daß das Mohrings wirklicher Wunsch ist, der ist natürlich auf dem Holzweg. Wenn er sehr fromm wäre, würde er jeden Abend beten, daß sie in ein Trappistenkloster gesperrt wird oder daß Petrus Deutschland endlich erlöst und sie mit einem Blitz erschlägt. Ich habe mich seit 1990 durch meinen Wohnsitz im Weimarer Land immer in Sicht- oder Hörweite des thüringischen CDU-Fraktionsvorsitzenden Mike Mohring bewegt und viele seiner Manöver verfolgen können. Gelegenheit ein Psychogramm des typischen CDU-Funktionärs zu erstellen. Denn so wie Mohring denken viele CDU-Mitglieder und Funktionsträger.

Bis 2009 war ich wie Mohring CDU-Mitglied, seitdem sitzen wir gelegentlich im Kreistag. Ich allerdings nicht für die CDU. 28 Jahre habe ich ihn also beobachten können und seinen Aufstieg vom Neues-Forum-Revoluzzer zum relativ seelenlosen Techniker der Macht. Mike Mohring ist kein Charismatiker. Bei vielen seiner Reden kämpft man beim Zuhören gegen den Schlaf. Trotzdem kann man ihm nicht vorwerfen, daß er je unvorbereitet und ahnungslos ist. Er lebt vom Fleiß.

1993 war er vom Forum in die CDU übergetreten. Weil er die Felle der Bürgerbewegungen bei der anstehenden Kreistagswahl wegschwimmen sah und eine neue Versorgungsinstitution brauchte. Er wählte instinktsicher die stärkste Partei – die CDU – als neuen Hafen. Als Chef der Kreis-JU hatte er in den 90ern viele Feinde in der Partei. Die Landtagsabgeordnete Vopel, der Apoldaer Bürgermeister Müller, die Kreisvorsitzenden Dr. Burghoff und Trübner wollten sein allzu schnelles Fortkommen in der Partei entschleunigen. Aber Mohring war wie bereits erwähnt bienenfleißig und nicht wirklich zu bremsen. Mit der JU schuf er sich eine zahlenmäßig beachtliche Hausmacht, die bei Kreisparteitagen auch geschlossen antrat. Von den fast 700 Altmitgliedern im Landkreis kamen im Schnitt 50 zu den Veranstaltungen, von der JU um die 30. Das verschaffte ihm Gewicht. Bereits 1995 wurde er Fraktionsvorsitzender der Kreistagsfraktion.

1998 wollte er in den Bundestag gewählt werden. Helmut Kohl hatte jedoch den Wunsch, daß die aus Thüringen stammende Vera Lengsfeld Wahlkreiskandidatin würde, um für die Wahl ein Signal in die Bürgerrechtsbewegung zu senden. Die Aufstellungsversammlung für den Wahlkreiskandidaten in der Apoldaer Vereinsbrauerei war entsprechend turbulent. Lengsfeld wurde mit Mehrheit gewählt und alle, die sich für sie ausgesprochen hatten, kamen bei Mohring auf die Schwarze Liste und wurden in den Folgejahren innerparteilich abgesägt.

Lengsfeld organisierte nach ihrer erfolgreichen Wahl in den Bundestag die Mittelstandsvereinigung im Kreis. Alle Mitglieder dieser Vereinigung wurden automatisch als Lengsfeld-Anhänger verdächtigt. Als Bürgermeister meiner Gemeinde hatte ich mal ein Problem, weil das ansässige Kinderheim geschlossen werden sollte. Ich wandte mich an die CDU-Landtagsabgeordnete Vopel, weil die im Sozialausschuß des Landtags saß und auf die Standortpolitik Einfluß hatte. Auch das wurde mir von Mohring verübelt. In den Parteien herrscht ständiges Beobachten, wer auf welchem Stühlchen sitzt und von welchem Tellerchen ißt. Mohring gehört zu den besonders eifersüchtigen Exemplaren der schwarzen Zwerge.

Mohring wurde für seine verpatzte Bundestagsbewerbung mit einem Landtagsmandat entschädigt, wurde erst Generalsekretär der Landespartei und später Fraktionsvorsitzender im Landtag. Fast wäre er 2009 Ministerpräsident geworden, aber Christine Lieberknecht schnappte ihm mit Unterstützung einiger Damen den Job weg.

Eines kann man ihm nicht vorwerfen: Daß er zu Dr. Merkel je seine Meinung geändert hätte. Er stand ihr von Anfang an kritisch gegenüber, die Äußerungen im Kreisvorstand und im JU-Kreis haben sich im Lauf der Jahre eher radikalisiert. Er fürchtet, daß ihm die Pastorentochter die Karriere ruiniert. In der letzten Civey-Umfrage zur Landtagswahl liegt die thüringer CDU nur noch bei 31,7 %, die AfD mit knapp 24 % auf Platz 2. Auch die Kreistagswahl im kommenden Jahr dürfte ihm die Laune verhageln, weil auch dort ein ähnliches Ergebnis zu erwarten ist. An allem schuld: Dr. Merkel mit ihrer Sturheit.

In der Kreistagsfraktion ballen angesichts des Treibens in der Berliner Parteizentrale einige die Faust in der Hosentasche. Nach mehreren Gläsern Bier offenbarten sich einige „Mutige“ als AfD-Anhänger. Aber sie können nicht übertreten, weil sie Posten bekleiden und von der Partei existenziell abhängig sind. Es ist eben ein goldener Käfig.

Sollte die CSU auf das Bundesgebiet – in welcher Form auch immer – expandieren, so würden Übertritte von der CDU zur CSU aus denselben Gründen der babylonischen Gefangenschaft im schwarzen Postensystem ähnlich schwierig werden und zähflüssig ablaufen. Da sollte man sich nichts vormachen. Auch Parteikader gehören zu jenen, die wirklich manches besser wüßten, wenn sie nicht täglich fressen müßten. So eine Liedzeile von Wolf Biermann über die deutschen Professoren.

Wer erlebt hat, wie im November 1989 die SED-Parteibücher zu Hunterttausenden in den Straßengraben oder in die Mülltonne flogen, der weiß, wie stabil angeblich gefestigte Überzeugungen sind. Sie werden allerdings erst entsorgt, wenn das Versorgungs- und Korrumpierungssystem zusammenbricht. In diesem Sinne ist interessant, daß sich CDU/CSU und SPD gerade jetzt eine Aufstockung der Parteienfinanzierung genehmigt haben. Es herrscht Panik auf der Regierungs-Titanik und Merkel, Seehofer und Nahles wollen sich schnell noch ein paar Anhänger mit Beschäftigungsangeboten gefügig machen.

In der vergleichbaren Situation 1988 gab es eine Anekdote: Honecker fährt mit dem Schlepper durch Berlin. Er sucht seine Anhänger.