Gott hat England noch nie gestraft

Wenn wir uns recht erinnern, so konnten die Rolling Stones und die Beatles trotz Nichtzugehörigkeit Großbritanniens zur EWG zahlreiche Reisen nach Westeuropa unternehmen und dort auftreten. Sogar Platten der Bands wurden in Millionenauflage nach Deutschland, Italien und in die Beneluxländer geschmuggelt exportiert. Es gab einen regelmäßigen Verkehr von Fähren zwischen Dover und dem Festland. Sogar britische Flugzeuge hatten in Deutschland Landerechte und umgekehrt. Britische Soldaten waren in Deutschland stationiert. Es gab ganz mutige Deutsche, die einen Trip nach London machten, um die Horse Guards zu sehen oder die Geburtsstadt von Shakespeare zu besuchen.

Graf Yoster ließ sich von seinem Diener Johann zunächst mit einem Rolls-Royce 25/30 hp und ab 1974 mit dem Rolls-Royce Phantom III durch Oberbauern und Schwaben kutschieren und gab sich die Ehre. Unklar, wie das Auto nach Bayern verbracht werden konnte. Vermutlich über Außenhandel. Zuweilen gelang es sogar ein Matchbox-Auto hinter den Eisernen Vorhang zu schmuggeln. Irgendwie gab es für die britischen Außereuropäischen ein Leben vor der EU.

Das war nicht immer ganz einfach. Hier drei Fakten aus der Handelsgeschichte mit England. Bereits der machtbesoffene Franzosenkaiser Napoleon I. hatte ohne Erfolg ein Handelsembargo gegen die Briten verhängt. Die am 21. November 1806 in der europäischen Unglückszentrale Berlin verfügte sogenannte Kontinientalsperre sollte England ruinieren und zur politischen Kapitulation zwingen.

„1. Über die britischen Inseln wird der Sperrzustand verhängt.
2. Aller Handel und alle Correspondenz nach den Britischen Inseln ist verboten.
3. Für das zukünftige Fernbleiben englischer Kaufleute vom Kontinent ist noch hervorzuheben, daß britische Staatsangehörige von den Militärbehörden festzunehmen und als Kriegsgefangene zu behandeln seien.
4. Alle Vorräte, Magazine und Waren, die aus England, aus seinen Fabriken und Kolonien kamen, sowie jedes Eigentum, das englischen Untertanen gehörte, werden für „gute Prise“ erklärt.
5. Jeglicher Handel mit „englischen“ Gütern ist untersagt.
6. Die Einnahmen, die sich aus der Konfiszierung der Güter ergeben, werden zur Hälfte den Kaufleuten erstattet.
7. Kein Schiff aus England oder seinen Kolonien darf in irgendeinem Hafen anlegen.“

Diesem Embargo mußten sich alle französischen Satellitenstaaten, darunter auch die deutschen anschließen. In Frankfurt wurden mehrere Verbrennungen von englischer Schmuggelware organisiert. Um 1800 wurde fast ein Drittel des britischen Exports und 15 % der britischen Industrieherstellung nach Kontinentaleuropa gehandelt. Großbritannien erschloß nach der Verhängung der Sanktionen außereuropäische Märkte um Napoleons Sperrungen unwirksam zu machen. Portugal streikte übrigens, und wurde von Frankreich mehrmals erfolglos angegriffen. Auch Sizilien und Sardinien machten was sie wollten, weil die französische Flotte unter Admiral Nelson vor Trafalgar geschrottet worden war. Ansonsten blühte ein schwunghafter Schmuggel.

John Hobsbawn hat in seinem Buch „Das imperiale Zeitalter“ die Zölle vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges zusammengestellt:
England 0 %
Niederlande 4 %
Schweiz, Belgien 9 %
Deutschland 13 %
Dänemark 14 %
Österreich, Italien 18 %
Frankreich, Schweden 20 %
USA 30 %
Russland 38 %
Spanien 41 %
Die Briten kamen mit einer Welt des Protektionismus gut zurecht, ohne selbst zu verzollen.

Dieselbe Situation wie zur Zeit der Kontinientalsperre ergab sich noch einmal im Zweiten Weltkrieg, als Adolf Hitler Frankreich, Dänemark, die Niederlande, Belgien und Norwegen besetzt hatte. Auch die damalige Störung des Handels mit dem Kontinient überstand Britannien.

Wenn man die heutige Situation betrachtet, so exportiert die EU, insbesondere Deutschland viel mehr Waren auf die Insel, als Großbritannien zurückliefert. 2015 exportierte das Vereinigte Königreich für 42 Mrd. € nach Deutschland, Waren für 84 Milliarden € wurden auf die Insel geliefert. Insofern dürfte der deutschen Industrie das größere Ungemach bevorstehen, falls der No-Deal-Brexit überhaupt negative Auswirkungen hätte.

Dem Inselreich steht weder die von den deutschen Medien prophezeite Hungersnot, noch der Zusammenbruch der Wasser- und Energieversorgung bevor. Alles das sind Relotius-Phantasien, die den Köpfen der medialen Klasse entspringen. „Gott strafe England“, das war schon 1914 die Parole der Berliner Redaktionen. Alles wiederholt sich.

1806 und 1940 hat Großbritannien keine vertraglichen Vereinbarungen mit Napoleon bzw. Hitler erbeten. Zu einem Vertrag mit den Brüsseler Erpresserbanden besteht ebenfalls kein Grund. Einen Handelskrieg mit der EU dürfte die Insel auf Grund ihrer Lage gewinnen. Zumal die Regeln der Welthandelsorganisation gelten würden. Großbritannien wäre sicher gut beraten mit den EU-Politkommissaren nicht weiter zusammenzutreffen. Letztere haben Angst vor dem No Deal, weil er vor aller Welt ihre Schwäche enthüllen würde. Panik herrscht auf der Brüsseler Titanic.