Bundestag weg, Hymne weg, Symbole weg

Die Deutschen waren mal stolz auf die alte Bundesrepublik. Aus rauchenden Trümmern hatten sie sich ein kleines Paradies geschaffen. Jedenfalls sah das von rechts hinter dem Stacheldraht so aus. Rentner berichteten nach ihren Reisen vom Wunderland, in dem Bärenmarke und Langnese als Milch und Honig flossen, Nylonstrümpfe und Kaffee nur eine Mark kosteten. Dieses Land hatte Symboldinge und -figuren: Die D-Mark, den spartanischen Bundestagssaal am Rheinufer, den Boten vom Bundestag aus „Mainz wie es singt und lacht“, die SPD-Baracke, das Oktoberfest und von mir aus auch die dritte Strophe vom Deutschlandlied.

Aus meiner Sicht über den Stacheldraht waren das die wichtigsten Merkzeichen, die der westdeutschen Nachkriegsdemokratie eine Erkennbarkeit, ein Gesicht gaben. The same Procedure like every year. Jedes Jahr einmal Haushaltsberatung im Plenarsaal, jedes Jahr der Bote vom Bundestag, im Herbst Oktoberfest und ab und zu das Gesinge. Riten und Traditionen geben Halt. Alter adelt selbst Zeremonien und Institutionen, die fragwürdig sind, umso mehr jedoch Erfolgsgeschichten.

Gerade nach 1990 als die Deutschen ihre kurze Nachkriegstradition als Anker in einer Umbruchssituation nötig brauchten, wurde sie in Frage gestellt und beseitigt. Das fing schon an, als Kohl und Genscher am 10.11.1989 vor dem Schöneberger Rathaus versuchten die Nationalhymne zu singen, was im Krawall der Berliner Gosse unterging. War schon mutig gerade im deutschen Shithole aufzutreten. Das war piu o meno der Tag als Millionen Sachsen und Thüringer beschlossen CDU zu wählen. Leider gibt es dazu kein Video auf Youtube. Warum kann man sich denken…

Als nächstes wurde der Bundestag baufällig und zog ins Wasserwerk um. Der Ortswechsel signalisierte dem Fachmann wie auch dem Laien Geschichtslosigkeit. Der dritte Akt des Bruchs mit der Bonner Republik war der Umzug nach Berlin und der Umbau des Reichstags in einen Tempel kalter Pracht.

Professor Parkinson von der Raffles University of Malaya hatte bereits Ende der 50er Jahre darauf aufmerksam gemacht, daß die lebendigsten Zeiten der parlamentarischen Demokratie in England zu Ende waren, als das berühmte Parlamentsgebäude an der Themse 1876 eingeweiht wurde. Ähnlich erging es den Deutschen mit ihrem Kuppelbau. Insbesondere die Legislatur von 2013 bis 2017 erinnerte an die Nationale Front in der Volkskammer.

Der Bote vom Bundestag Ernst-Jürgen Dietz starb 2015 und wurde durch eifrige Mainstreamkasper ersetzt, deren Namen zu nennen den Mund besudeln würde.

Nun soll es nach dem Willen der Dekonstruktvisten an die Nationalhymne gehen. Der Osten hatte früher eine eigene, die von einem rauschgiftsüchtigen Frauenmörder getextet worden war. Eines Tages – es war 1967 – durfte man die nicht mehr singen. Weil darin „Deutschland einig Vaterland“ vorkam. Unser bulliger Schuldirektor Vollandt spitzte die Lippen und hielt den Zeigefinger davor, als aus Gewohnheit beim Fahnenappel doch gesungen wurde. Selbst der Osten hatte also schon ein Hymnenproblem und damit eine gebroche Tradition produziert, weil sich die Direktiven aus Moskau geändert hatten. Gut bekommen ist der Verzicht auf das einige Vaterland der Zonenführung nicht.

Ich werte die laufende Diskussion über die Hymne als Versuch, Deutschland der letzten Gewißheiten zu berauben, um früher oder später zwischen desorientierten Leuten einen Bürgerkrieg auszulösen. Es ist ja die Massenmörderpartei, die das Thema angestoßen hat.