Stellungnahme von J. Treutler zum Verfahren vor dem Verfassungsgericht
Hier finden wir die Stellungnahme des Alterspräsidenten Jürgen Treutler zum heute zu verhandelnden Verfahren 36/24 am Thüringer Verfassungsgerichtshof zur Kenntnisnahme.
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Vorab per Telefax 03643/206224 und Anruf!!!
Thüringer Verfassungsgerichtshof
Jenaer Straße 2a
99425 Weimar
Jürgen Treutler
In dem Verfahren
des Antrags auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung
der Fraktion der CDU im Thüringer Landtag
gegen den Alterspräsidenten des Thüringer Landtages
VerfGH 36/24
beantrage ich, die Anträge als unzulässig zu verwerfen
S A C H V E R H A L T
Die Sachverhaltsdarstellung der Antragsteller ist in mehrfacher Hinsicht gröblich falsch und
irreführend – im Einzelnen dazu sogleich.
Der Gesamtsachverhalt ergibt sich in vorbildlicher Weise aus dem Bericht der angesehensten Zeitung des deutschsprachigen Raumes mit einer klaren, nicht durch die deutsche Ideologiedebatte befrachteten Sicht von außen, den wir hier zur Wahrung der Neutralität zunächst zur Darstellung des Grundsachverhaltes zitieren. Denn die politische Blase, die bei
bundesdeutschen Publikationen im Vordergrund steht, spielt hier keine Rolle und weicht
einer objektiven Betrachtung.
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Unter dem Titel „Verstörendes Schauspiel in Thüringen“ sandte die NZZ den folgenden Bericht aus:
„von Fatina Keilani
Redaktorin NZZ Deutschland
Neue Zürcher Zeitung
Thema des Tages: Wer so mit dem Wahlsieger umgeht, hat selbst ein Problem mit
der Demokratie
In Thüringen war am Donnerstag verkehrte Welt. Aus der Landtagswahl vom 1. September
ging die AfD als klare Siegerin hervor; sie stellt mit Abstand die stärkste Fraktion. Am Donnerstag nun sollte sich der neue Landtag konstituieren. Es war ein verstörendes Schauspiel.
Die vier anderen Fraktionen taten alles, um die AfD um ihre Rechte zu bringen, sie sogar
zum Rechtsbruch zu verleiten – und inszenierten sich obendrein noch als die Hüter der
Demokratie.
Die um 12 Uhr eröffnete Sitzung wurde das erste Mal um 12 Uhr 12 unterbrochen, das
zweite Mal um 12 Uhr 28 – und immer so weiter, bis sie nach 16 Uhr ergebnislos endete.
Der Alterspräsident des neuen Landtags, Jürgen Treutler (AfD), hatte sich bis dahin streng
nach Lehrbuch verhalten, kam allerdings nicht weit. Man erlaubte ihm zunächst, eine Rede
zu beginnen, die er jedoch aufgrund von Störmanövern der CDU lange nicht beenden
konnte. Als ältester Abgeordneter fungiert er kommissarisch als Präsident des neuen Landtags, bis der Präsident gewählt ist.
In seiner Ansprache betonte er, von einer Abkehr des Volkes von der Demokratie könne
keine Rede sein. Die Wahlbeteiligung sei mit 73,6 Prozent die höchste seit 1994 gewesen.
Dem so geäusserten Willen des Volkes gelte es nun gerecht zu werden.
Es gebe «in gewissen Teilen der politisch-medialen Elite» jedoch eine «offenkundige Verachtung des Volkes, eine Verachtung des demokratischen Souveräns, die mit der politischen Kultur der freiheitlich-demokratischen Ordnung nicht vereinbar ist», sagte Treutler mit
Blick auf Zeitungskommentare, in denen die Thüringer Wähler als demokratiefeindlich beschimpft worden seien, weil sie in grosser Zahl AfD gewählt haben. Die Realität drohe hinter
solchen Deutungen manchmal zu verschwinden, stellte er fest.
Das Schauspiel im Erfurter Landtag war unwürdig, und die begleitende Berichterstattung
war teilweise so intoniert, als ob es Treutler gewesen sei, der gegen die demokratische
Ordnung verstossen habe.
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Dabei liegt es eigentlich auf der Hand: Die AfD hat die Wahl gewonnen. Die CDU könnte
mit ihr eine bequeme Mehrheit haben, wenn sie sich nicht – erstens – in ihrer Brandmauer
eingemauert und wenn sie – zweitens – einen weniger machtversessenen Kandidaten hätte.
Ihr Spitzenmann Mario Voigt will um jeden Preis selbst Ministerpräsident werden. Das kann
er nur, wenn er sich kleinere Partner sucht. Da weder Grüne noch FDP zur Verfügung stehen, weil sie nicht ins Parlament kamen, muss er auf linke Parteien zurückgreifen. Die SPD
ist mit sechs Sitzen viel zu klein, also wird der Neuzugang BSW umarmt. Ob der Wähler
dieses Ergebnis wollte, erscheint mehr als zweifelhaft.
Doch bei Koalitionen ist man sowieso noch längst nicht. Im Landtag am Donnerstag ging es
zunächst darum, das Gesetzgebungsorgan überhaupt arbeitsfähig zu machen. Dafür benötigt es nun einmal einen Präsidenten, und diesen vorzuschlagen, ist das Recht der stärksten
Fraktion, der AfD.
Streit um Rechtsauslegung
Während der zahlreichen Unterbrechungen wurde der Ton des Parlamentsfernsehens abgeschaltet, man sah zweierlei: den CDU-Mann Voigt unbeweglich wie Buddha auf seinem
Stuhl direkt gegenüber dem Präsidentenpult; und an diesem die Runde der parlamentarischen Geschäftsführer, gestikulierend. Der AfD-Mann Björn Höcke wechselte gelegentlich
von seinem Stuhl aus Worte mit Voigt, leider unhörbar.
Weit nach 14 Uhr hatte man den ersten Tagesordnungspunkt «Eröffnung durch den Alterspräsidenten» noch immer nicht beendet. Treutler wurde daran gehindert, seine Eröffnungsrede zu beenden, insbesondere durch ständige Zwischenrufe und Respektlosigkeiten vonseiten der CDU. Die Fraktion, die sich als besonders demokratisch feiert, beachtete keine
demokratischen Gepflogenheiten.
Sie verlangte zudem, dass sofort die Beschlussfähigkeit festgestellt werde, und kündigte
an, dies zu erzwingen. Das war ohnehin als Punkt drei der Tagesordnung vorgesehen. «Als
Alterspräsident bin ich verpflichtet, die geltenden Rechtsnormen strikt zu achten», sagte
Treutler. Zuerst müssten Schriftführer benannt werden. Von der Reihenfolge könne nicht
abgewichen werden. Noch sei man bei Tagesordnungspunkt eins, und er wolle seine Rede
zu Ende bringen.
Undemokratisch sind immer die anderen
Dafür erntete er aus der CDU den Zwischenruf: «Was Sie hier tun, ist Machtergreifung!» –
ein Tiefpunkt des Tages. Tatsächlich verhielt sich Treutler korrekt, während die CDU in beispielloser Weise Obstruktion betrieb. Dabei hätte sie es recht einfach haben können.
Richtig interessant wäre es nämlich erst bei den Tagesordnungspunkten vier und fünf geworden, zu denen man nun nicht mehr kam. Punkt vier war nachträglich eingefügt worden
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mit dem Ziel, der AfD das Vorschlagsrecht für das Amt des Landtagspräsidenten zu nehmen, und hatte eine entsprechende Änderung der Geschäftsordnung zum Gegenstand.
Punkt fünf sah dann die Wahl des Landtagspräsidenten vor, den nach der neuen Geschäftsordnung nun eine Mehrheit der Abgeordneten ohne AfD-Vorschlag wählen sollte.
Die Geschäftsordnung kann aber von einem noch nicht beschlussfähigen Parlament nicht
geändert werden. Der Versuch, die Regeln zu frisieren, zeigte vor allem, dass jene, die sich
für besonders demokratisch halten, es, wenn es darauf ankommt, mitunter nicht sind. Vor
dem Gesetz sind alle gleich, und niemand kann sich aus einem bestehenden Regelwerk
aussuchen, welche Regeln angewendet werden und welche nicht.
Kurioserweise stand nun gerade die Thüringer AfD, die vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wird, als demokratisch korrekt da. Abzuwarten bleibt,
ob das mit einem CDU-Mann an der Spitze besetzte thüringische Verfassungsgericht dies
auch so sieht. Nach 16 Uhr kam die CDU am Donnerstag zu dem Schluss, dass man dieses
Gericht wohl zu Rate ziehen müsse, und beantragte die Unterbrechung der Sitzung bis zu
dessen Entscheidung. Am Samstag soll es weitergehen. Der Donnerstag war kein guter
Tag für die Demokratie.“
Der Alterspräsident hat seine Rede beenden wollen, indem er – angesichts der vorher bereits aufgekommen Neuinterpretationen des Konstituierungsvorgangs u.A. durch die Antragsteller im Interesse der allseitigen Transparenz im Prozess der Konstituierung sein Handeln erklärt und die seit Jahrzehnten überkommenen rechtlichen Rahmenbedingungen erläutert. Auch ansonsten zeigte sich keine Parteilichkeit: Der Alterspräsident hat sich gerade
alle Rechtsauffassungen der Fraktionen angehört hat, aber dass eben die AfD-Fraktion die
einzige war, die im Rahmen der Aussprache eng am Wortlaut der Geschäftsordnung argumentiert hat, während die anderen Fraktionen nur sehr allgemein und unspezifisch blieben.
Beweis (in Ermangelung eines Protokolls): Sitzung des Thüringer Landtags am 26.09.2024,
phoenix, https://www.youtube.com/watch?v=xR6-pPrM5Lc, Zeitmarke ab 03:49:29
(hh:mm:ss)
Nun wurde der Präsident in seiner Rede schon zu Beginn durch den Antragsteller zu 2
unterbrochen. Erstaunlicherweise waren zu diesem Termin alle Mikrofone offen, so daß
weithin eine geordnete Versammlungsleitung unmöglich gemacht wurde. Der Landtagsdirketor weigerte sich ausdrücklich, die offenen Mikrofone, mit deren Hilfe ein völlig ungeordnetes Durcheinander produziert wurde, abzustellen, ja er selbst plärrte ins Mikrofon, das –
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was über mehr als 30 Jahre unterschiedslos praktiziert wurde – sei nun unter Vorsitz eines
Altpräsidenten aus der AfD-Fraktion plötzlich alles rechtswidrig.
Ein zweites Mal wurde der Präsident vom Antragsteller zu 2 unterbrochen, als er zu eben
jener Erläuterung zum Abschluss der Rede übergehen wollte.
Ein drittes Mal wurde der Alterspräsident vonseiten der Antragsteller unterbrochen, als er
tagesordnungsgemäß die Wahlhelfer ernennen wollte.
Der nächste Tagesordnungspunkt wäre, auch für die Antragsteller ersichtlich, die Feststellung der Anwesenheit und Beschlussfähigkeit gewesen.
Der Alterspräsident hat sich nie geweigert, dies durchzuführen, wurde bloß immer wieder –
und in ganz hervorgehobener Weise durch die Antragsteller – an äußerst unpassender Stelle
unterbrochen.
Übrigens kann seine Mahnung daran, sich doch im Interesse der demokratischen Institution
an das jahrzehntelang unterschiedslos und in Überzeugung der Verbindlichkeit geübte Verfahrne zu halten, schwerlich als Parteiergreifung gedeutet werden.
Im EINZELNEN:
Im Einzelnen:
Auf Seite 3 der Antragsschrift wird behauptet:
„Er[der Alterspräsident] wich dann aber von der üblichen Reihenfolge ab und verweigerte, trotz
einer Aufforderung des Antragsteller zu 2. Eine Feststellung der Beschlussfähigkeit.“
Der Antragsgegner wich nicht wie von den Antragstellern behauptet von der üblichen Reihenfolge ab. Er setzte vielmehr gemäß parlamentarischem Brauch unter TOP 1 „Eröffnung durch
[…] den Alterspräsidenten“ zur traditionellen einleitenden Rede des Alterspräsidenten an. Tatsächlich versuchte der Antragsteller zu 2., den Ablauf dieses Tagesordnungspunktes entgegen
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aller parlamentarischen Bräuche zu stören, in dem er noch vor Beginn der eigentlichen Rede
des Alterspräsidenten einen Geschäftsordnungsantrag stellte, der folgenden Inhalt hatte:
„Bevor wir in die weitere Tagesordnung eintreten, würde ich Sie bitten, Herr Alterspräsident,
nach § 40 Abs. 2, da wir ja kurz vor Abstimmung stehen, spätestens zur Tagesordnung festzustellen, dass wir beschlussfähig sind.“
Beweis (in Ermangelung eines Protokolls): Sitzung des Thüringer Landtags am 26.09.2024,
phoenix, https://www.youtube.com/watch?v=xR6-pPrM5Lc, Zeitmarke ab 00:13:33
(hh:mm:ss)
Im weiteren Verlauf der Sitzung, aber vor Beendigung der Rede des Alterspräsidenten und noch
immer innerhalb des Tagesordnungspunktes 1, meldete sich der Antragsteller zu 2. erneut zu
Wort, und ergänzte seinen Geschäftsordnungsantrag wie folgt:
„[…] wir hatten eine gemeinsame Verabredung mit allen parlamentarischen Geschäftsführern,
dass sie sodann jetzt die Beschlussfähigkeit feststellen, indem sie die Namen der Abgeordneten verlesen und Sie bitten, ihre Anwesenheit zu bekunden und wir sind auch so verblieben,
damit das entsprechend aufgeteilt ist vorher [Hervorhebung durch den Unterzeichner] die
Schriftführer zu berufen.“
Beweis (in Ermangelung eines Protokolls): Sitzung des Thüringer Landtags am 26.09.2024,
phoenix, https://www.youtube.com/watch?v=xR6-pPrM5Lc, Zeitmarke ab 00:31:52
(hh:mm:ss)
Durch Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont ergibt sich also, dass der Antragsteller zu 2. zwei Dinge begehrte:
- Dass der Alterspräsident zunächst Schriftführer beruft, und
- hiernach mit dem Namensaufruf der Abgeordneten beginnt und danach die Beschlussfähigkeit des Landtags feststellt.
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Alle weiteren im Laufe der Sitzung gestellten Geschäftsordnungsanträge, insbesondere auch
die rechtswidrig gestellten unter eigenmächtiger Selbsterteilung des Wortes, waren lediglich
Wiederholungen dieses wie oben dargestellt zu verstehenden Geschäftsordnungsantrages.
Ausdrücklich nicht ist zu irgendeinem Zeitpunkt von Antragstellerseite beantragt worden, den
Antrag auf Drucksache 8/7 aufzurufen oder zur Abstimmung zu stellen. Die Antragsteller legen
hierfür auch keinerlei Beweise vor. Der Antragsgegner bestreitet dies auch vorsorglich.
Vor diesem Hintergrund ist das Verhalten der Antragsteller in keiner Weise nachvollziehbar.
Denn die vorläufige Tagesordnung enthält direkt nach dem Tagesordnungspunkt 1 folgende
zweiTagesordnungspunkte:
„2. Ernennung von vorläufigen […] Schriftführern - Aufruf der Namen und Feststellung der Beschlussfähigkeit“
Mit anderen Worten: Das, was die Antragsteller laut ihrem eigenen Geschäftsordnungsantrag
begehrt haben, war bereits ohnehin Gegenstand der Tagesordnung. Indes ist dieser Teil der Tagesordnung völlig unstrittig. Insbesondere hat der Antragsgegner zu keinem Zeitpunkt irgendetwas erklärt, was die Annahme rechtfertigen würde, dass er von den Tagesordnungspunkten 2
oder 3 abweichen wolle. Entsprechenden Beweis bleiben die Antragsteller schuldig.
Nach Ende der Rede des Alterspräsidenten, die im Übrigen zwischen den Fraktionen nach der
ersten Unterbrechung vereinbart wurde, hätte der Antragsgegner bei einem gewöhnlichen Geschehensablauf, bei dem die Antragsteller nicht sinn- und gegenstandslose Geschäftsordnungsanträge gestellt hätten, genau das getan, was die Antragsteller mit ihren Geschäftsordnungsanträgen bezwecken wollten: Der Alterspräsident hätte unter TOP 2 vorläufige Schriftführer ernannt und unter TOP 3 die Namen der Abgeordneten aufgerufen und die Beschlussfähigkeit des Landtags festgestellt.
Der Antragsgegner setzte hierzu sogar an, als er zu Beginn des Tagesordnungspunktes 2 sagte:
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„Ich setze jetzt die Sitzung fort. Ich komme nun zur Ernennung von vorläufigen Schriftführern
…“
Beweis (in Ermangelung eines Protokolls): Sitzung des Thüringer Landtags am 26.09.2024,
phoenix, https://www.youtube.com/watch?v=xR6-pPrM5Lc, Zeitmarke ab 03:27:14
(hh:mm:ss)
Bevor der Antragsgegner aber den Satz überhaupt zu Ende führen konnte, fiel ihm erneut der
Antragsgegner zu 2. eigenmächtig und rechtswidrig in Wort und bestand auf Abstimmung seines Geschäftsordnungsantrages. (Hinweis: Die Landtagsverwaltung verhielt sich gegenüber
dem Landtagspräsidenten während der Sitzung durchgehend feindselig und befolgte seine Anweisungen nicht, insbesondere schaltete die Landtagsverwaltung trotz gegenteiliger Anweisung des Alterspräsidenten alle Mikrofone der Abgeordneten entgegen von § 26 Abs. 1 S. 1 der
Geschäftsordnung des Landtages frei und provozierte so ständige Störungen und Verletzungen
der parlamentarischen Ordnung.)
Da aber der Alterspräsident genau das umsetzen wollte, was der o.g. Geschäftsordnungsantrag
beinhaltete, war eine Abstimmung dazu nicht erforderlich. Jedenfalls sind die Antragsteller
nicht dadurch in ihren Rechten verletzt, dass der Antragsgegner etwas umsetzen wollte, was
sie vorgeblich laut dem Inhalt ihres eigenen Geschäftsordnungsantrags begehrten. Vielmehr
vereitelten die Antragsteller durch ihre ständigen rechtswidrigen Wortbeiträge, zu denen ihnen
das Präsidium nicht das Wort erteilte, die Abarbeitung der vorläufigen Tagesordnung und somit
auch die Erfüllung des von ihnen selbst gestellten Geschäftsordnungsantrages, den sie vorgeblich begehrten. Vorgeblich deshalb, weil das Verhalten der Antragsteller schlechterdings überhaupt nicht nachvollziehbar ist. Nur wenige Sekunden, in denen die Antragsteller Störungen
hätten unterlassen müssen, trennten sie an dieser Stelle von der Erreichung ihres Ziels, dass
Schriftführer berufen werden und die Beschlussfähigkeit des Landtags festgestellt wird. Das
gesamte Verhalten der Antragstellerseite ist somit als rechtsmissbräuchlich zu bewerten.
Allein deshalb wäre also der Antrag zu Nr. 1 abzuweisen: Denn der Landtagspräsident hat sich
nie geweigert, den Tagesordnungspunkt 3, wie in der Tagesordnung vorgesehen, abzuarbeiten.
Somit sind die Antragsteller auch nicht in ihren Rechten verletzt.
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Zulässigkeit
Ebenso wie die Anträge der Antragsteller sind auch alle Beitritte unzulässig.
I. Zu den Besonderheiten des Eilantrags in aller Kürze - Im Eilrechtsschutz kann grundsätzlich nicht etwas erlangt werden, was nicht im Hauptsacheverfahren erlangt werden könnte.
- Sämtliche Anträge von 1. bis 4. wollen dem Antragsgegner Verhaltenspflichten auferlegen.
Dies dürfte offensichtlich rechtswidrig sein; gemäß § 41 ThürVerfGHG stellt der VerfG in seiner
Entscheidung (nur) fest, ob eine beanstandete Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners gegen eine Bestimmung der Verfassung verstößt. Dies wurde indes nicht beantragt, sondern es wurde eine Verpflichtung des Antragsgegners beantragt, die so nicht von Verfassung
und Gesetz autorisiert ist. - Dies deckt sich auch mit anderer Rechtsprechung, beispielsweise, HVerfG 1/2022,
https://www.hamburgisches-verfassungsgericht.de/entscheidungen/hverfg-1-2022, hier die
Leitsätze 2 und 3 (ich war hier erfolgloser Antragsteller):
„2. Im Organstreitverfahren stellt das Hamburgische Verfassungsgericht in der Hauptsache lediglich fest, ob die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung gegen eine Bestimmung der
Verfassung verstößt. Demgemäß kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung im Organstreit, welcher die Verpflichtung der Antragsgegnerin zu einem bestimmten Verhalten zum Gegenstand hat, grundsätzlich nicht in Betracht. - Eine Abweichung von dem Grundsatz, dass der Inhalt einer einstweiligen Anordnung nicht
über die im Hauptsacheverfahren erreichbaren Rechtsfolgen hinausgehen darf, kommt nur in
Betracht, wenn allein hierdurch eine endgültige Vereitelung des geltend gemachten Rechts verhindert werden kann. Dass eine solche, eine Ausnahme von der grundsätzlichen Unzulässigkeit eines Verpflichtungsausspruchs im Organstreitverfahren gebietende Sonderkonstellation
gegeben ist, ist vom Antragsteller darzulegen.“
Der Antragsteller legt keine Sonderkonstellation dar, insbesondere legt er überhaupt nicht dar,
worin eine endgültige Vereitelung der von ihm geltend gemachten Rechte liegen könnte! Tatsächlich ist es so, dass eine endgültige Vereitelung seiner Rechte überhaupt nicht droht; der
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Alterspräsident hat mehrfach erklärt, dass über eine Änderung der Geschäftsordnung abgestimmt werden könne, strittig ist nur der Zeitpunkt, ab welchem dies passieren kann. Gerade
das kontraindiziert aber eine endgültige Vereitelung dieses Rechts, die Antragsteller werden auf
jeden Fall zu ihrem Recht im späteren Verlauf der Sitzung des Landtages kommen.
Unzutreffende und nicht glaubhaft gemachte Unterstellungen bei der Folgenabwägung
Auf S. 12 und 13 wird faktisch behauptet, dass man mit Sicherheit annehmen könne, wie zukünftige Abstimmungen im Landtag, insbesondere hinsichtlich des Antrags auf Drs. 8/7 oder
dem Wahlvorschlag der AfD zum Landtagspräsidenten mit Sicherheit vorhersehen könne, wie
diese Abstimmungen ausgehen. Jedenfalls letztere Abstimmung z.B. ist eine geheime Abstimmung und die Abgeordneten sind frei, wie sie abstimmen (z.B. auch gegen die Fraktionslinie).
Der dargestellte Geschehensablauf ist also weder gewiss noch wahrscheinlich. Man bedenke
insofern, dass in der vergangenen Legislaturperiode auch wechselnde Abstimmungsmehrheiten herrschten, vor Abschluss einer Koalition ist dies potenziell auch in dieser Wahlperiode
denkbar und selbst danach, falls es sich um eine Koalition handelt, die über keine parlamentarische Mehrheit verfügt (was im Falle einer Koalition von CDU, SPD und BSW der Fall wäre).
Vorwegnahme der Hauptsache
Hier hat man gar das Verfassungsgericht zu einem Zeitpunkt angerufen, bei dem eine Verletzung der Rechte der Antragsteller noch gar nicht eingetreten ist und nach jetzigem Stand der
Sitzung droht es auch nicht. Denn ein Antrag, den Antrag auf Drs. 8/7 aufzurufen, ist während
der laufenden Landtagssitzung nie gestellt worden, s.o.
II. Antragsbefugnis
Die Antragsbefugnis ist gegeben, wenn ein Antragsteller schlüssig behauptet, dass er und
der Antragsgegner an einem verfassungsrechtlichen Rechtsverhältnis unmittelbar beteiligt
sind und dass der Antragsgegner hieraus erwachsende eigene verfassungsmäßige Rechte
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und Zuständigkeiten des Antragstellers durch die beanstandete Maßnahme oder das Unterlassen verletzt oder unmittelbar gefährdet hat.
BVerfGE 93, 195, Rn. 40; BVerfGE 88, 63 (67 f.).
Sie tragen sogar selbst ausdrücklich vor, dass die von ihnen genannten Mitwirkungsrechte
unter dem zeitlichen Vorbehalt eines geordneten Verfahrens stehen. Das bisherige Handeln
des Alterspräsidenten, seine präsente Auslegung der Geschäftsordnung in der bisherigen
Sitzung und auch die von ihm vorgetragene – auch materiell-inhaltlich zutreffende Rechtsauffassung des Alterspräsidenten sind ganz objektiv nicht geeignet, dieses verfassungsmässigen Rechte der Antragsteller in Frage zu stellen
Selbst wenn man an dieser stelle anderer Auffassung wäre, ist festzustellen, dass durch die
Geschäftsordnung des Landtages keine im Organstreitverfahren rügefähigen Rechte oder
Kompetenzen begründet. Geschäftsordnungsverstöße sind nach herrschender Meinung
zwar rechtswidrig, zeitigen aber bemerkenswerterweise keine weiteren Rechtsfolgen. Sie
sind nicht justitiabel.
Klein, in Maunz/Dürig, Art. 40 Rn. 57 mit zahlr. Nachweisen.
Geschäftsordnungsvorschriften begründen somit keine verfassungskräftig geschützte
Rechtsposition und können nicht Grundlage der Feststellung im Organstreitverfahren sein.
Im Organstreitverfahren können nur gerügt werden
- Verstöße der Geschäftsordnung selbst gegen das Grundgesetz,
- Verstöße gegen die Geschäftsordnung, die zugleich von der Verfassung selbst eingeräumte Rechte beeinträchtigen.
- Maßnahmen, in denen eine Anwendung der Geschäftsordnung liegt, die sich nicht als
gleichmäßig, nicht als „fair und loyal gegenüber den Abgeordneten, Gruppen und Fraktionen“ erweist.
BVerfGE 84, 304 (332); E 1, 144 (149); E 80, 188 (219).
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Alle Parlamentsfraktionen sind von Verfassungs wegen befugt, die ihnen durch Verfassung,
Gesetz oder Geschäftsordnung eingeräumten Rechte in formal gleicher Weise auszuüben.
Deren Durchsetzung darf nicht davon abhängen, ob sich eine Fraktion in der Mehrheit oder
in der Minderheit befindet,
Besonders deutlich z.B. StGH Wiesbaden, 09.10.2013, P.St. 2319, juris Rn. 114.
denn übertragen auf die Ebene der Fraktionen ergibt sich aus dem Prinzip der gleichen
Mitwirkungsbefugnis aller Abgeordneten der Grundsatz der Gleichbehandlung der Fraktionen.
BVerfGE 93, 195, 204, juris Rn. 43; E 135, 317, 396, juris Rn. 153; StGH Hessen,
Urteil vom 9. Oktober 2013 – P.St. 2319 -, DVBl 2014, 40, 41, juris Rn. 112.
Die Fraktionen haben ihrerseits ein aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG abgeleitetes Recht auf
gleiche Teilhabe an der parlamentarischen Willensbildung.
BVerfGE 84, 304, 325, juris Rn. 106; E 96, 264, 278, juris Rn. 60; 112, 118, 133, juris
Rn. 46; E 135, 317, 396, juris Rn. 153.
Die Antragsteller wären somit antragsbefugt mit einer Rüge der Verletzung des Grundsatzes
der Gleichbehandlung der Fraktionen bzw. der Abgeordneten.
Vgl. BVerfGE 93, 195, juris Rn. 39.
Eine solche Rüge erheben die Antragsteller hingegen nicht. Sie könnte sie auch nicht wirksam erheben, denn der Alterspräsident hat lediglich die Geschäftsordnungsbestimmung des
§ 1 iVm § ThürGOG (ein CDU/FDP-Gesetz!) so angewendet, wie sie über mehr als drei
Jahrzehnte UNVERÄNDERT ANGEWENDET wurde. Dass das dieses Mal zu einem Gefühl
der Benachteiligung aufseiten der Antragsteller führt, ist unerheblich. Regeln können im
Laufe der Zeit den eigenen Machtzielen hinderlich werden, ohne dass daraus eine unfaire
oder ungleich Anwendung resultiert.
- Keine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Alterspräsidenten zur Befolgung
der von der Antragstellern und ihren neuen Verbündeten vom BSW der Präsidentin
des alten Landtages vorgegebenen Tagesordnung? (Anträge 1 – 4)
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Das Verlangen, den Alterspräsidenten zu verpflichten, nach einer von der Präsidentin des
vorherigen Landtages auf Zuruf der Antragsteller in mehreren Schritten gefertigten, hat
keine verfassungsrechtliche Grundlage im Gegenteil, es widerspricht Verfassung und geltendem Gesetzesrecht.
Die Verfassung trifft keine Bestimmung darüber, wer den Tag des Zusammentritts festsetzt
und das neue Parlament einberuft. Gemäß einer alten parlamentarischen Übung, die man
jedenfalls für den Bund als Verfassungsgewohnheitsrecht bezeichnet, erfolgt beides im
Bund und in vielen Ländern durch den Präsidenten des alten Parlaments – und zwar unabhängig davon, ob er selbst dem neuen angehört oder nicht. Dieser kann sich dabei nicht auf
das ihm vom Altparlament verliehene Amt als vielmehr auf das Selbstversammlungsrecht
des neugewählten Parlaments stützen, für das er materiell gewissermaßen in einer Art „Geschäftsführung ohne Auftrag“ handelt (vgl. § 1 Abs. 1 GOBT).
Vgl. Dürig/Herzog/Scholz/Klein/Schwarz, 104. EL April 2024, GG Art. 39 Rn. 46.
Andere bezeichnen das Tätigwerden als „gleichsam treuhänderisch“ aufgrund Verfassungsgewohnheitsrechts.
Huber/Voßkuhle/Schliesky Rn. MANGOLDT/KLEIN/STARK, GG, Artikel 39 Randnummer 26; MSW ParlamentsR-HdB/Payandeh § 7 Rn. 2; BK GG/Brocker Art. 40
Rn. 107 mwN.; BeckOK GG/Brocker, 58. Ed. 15.6.2024, GG Art. 39 Rn. 14.
Dabei wird betont, dass ebenso kraft Verfassungsgewohnheitsrechts nur Termin und Ort
des Zusammentritts bestimmt werden.
Sachs/Magiera, SACHS, GG Artikel 39 Randnummer 21; Schmidt-Bleibtreu/Kluth
Rn. 17; BK GG/Brocker Art. 40 Rn. 107.
Um mehr kann es auch angesichts der – wie gesehen – äußerst schwachen Legitimation der
Präsidentin des alten Landtags gegenüber dem neuen Landtag nicht gehen.
In Thüringen ist diese Rolle zwar durch § 1 Abs. 1 Satz 2 GOLT iVm § 1 ThürGOG gesetzlich
festgeschrieben. Nicht weniger als dem Altpräsidenten des Deutschen Bundestages fehlt
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es der Altpräsidentin des Thüringer Landtages aber an demokratischer Legitimation gegenüber dem neuen Landtag. Daraus ergibt sich, dass die Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 2
GOLT iVm § 1 ThürGOG sehr restriktiv auf das Wortlautnotwendige zu begrenzen ist. Die
Setzung einer Tagesordnung gegenüber dem neuen Parlament kann von diesem Einberufungsauftrag nicht gedeckt sein, zumal noch nicht einmal einem gewählten Landtagspräsidenten diese Kompetenz zukommt. Nach § 21 Abs. 1 Satz 2 und 3 GOLT werden die Tagesordnungen vom Ältestenrat oder vom Vorstand aufgestellt.
Außerdem kann die Altpräsidentin selbstverständlich keine Tagesordnung contra legem –
gegen die mit Gesetzeskraft wirkenden Vorgaben des § 1 GOLT – setzen. Dort aber ist die
Tagesordnung der konstituierenden Sitzung – gerade mit Rücksicht auf die noch nicht gebildeten Landtagsorgane und die noch mangelnde Handlungsfähigkeit des Plenums zu Beginn – jedenfalls bis zur Vollendung der Konstituierung verbindlich vorgegeben. Dort heißt
es aber in Absatz 4: „Nach Feststellung der Beschlussfähigkeit wählt der Landtag die
Präsidentin beziehungsweise den Präsidenten.“ Sofern eine von den Antragstellern bei
der Altpräsidentin „bestellte“ Tagesordnung hiervon abweicht, ist sie schlicht gesetzeswidrig
und unbeachtlich.
Die Tagesordnung der konstituierenden Sitzung ergibt sich in Thüringen derzeit MIT GESETZESKRAFT aus § 1 GOLT:
„I. Konstituierung
§ 1
Erste Sitzung des Landtags
(1) Der Landtag tritt spätestens am 30. Tage nach der Wahl zusammen. Zu der
ersten Sitzung wird der Landtag von der bisherigen Präsidentin beziehungsweise dem bisherigen Präsidenten einberufen.
(2) Die erste Sitzung des Landtags leitet das an Jahren älteste oder, wenn es
ablehnt, das jeweils nächstälteste Mitglied des Landtags, bis die neu gewählte
Präsidentin beziehungsweise der neu gewählte Präsident oder deren Stellvertretung das Amt übernimmt.
(3) Die Alterspräsidentin beziehungsweise der Alterspräsident ernennt zwei Abgeordnete zu vorläufigen Schriftführerinnen beziehungsweise Schriftführern
und lässt die Namen der Abgeordneten aufrufen.
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(4) Nach Feststellung der Beschlussfähigkeit wählt der Landtag die Präsidentin
beziehungsweise den Präsidenten, die Vizepräsidentinnen beziehungsweise Vizepräsidenten und 18 Schriftführerinnen und Schriftführer und bildet einen Petitionsausschuss nach § 70 a.
Diese Tagesordnung gilt trotz der ansonsten weithin anzunehmenden grundsätzlichen
Diskontinuität des Geschäftsordnungsrechts in Thüringen mit Gesetzeskraft auch für den
neuen Landtag. Das ergibt sich aus dem 1994 nach erheblichen Auseinandersetzungen in
zwei Lesungen verabschiedeten Thüringer Geschäftsordnungsgesetz (ThürGOG):
„Gesetz über die Geschäftsordnung des Thüringer Landtags
(Thüringer Geschäftsordnungsgesetz – ThürGOG -)
Vom 19. Juli 1994
Zum 23.09.2024 aktuellste verfügbare Fassung der Gesamtausgabe
§ 1
Die Geschäftsordnung des Thüringer Landtags gilt solange fort, bis der Landtag eine
neue Geschäftsordnung beschlossen hat.
§ 2
Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.“
Das Ziel, die konstituierende Sitzung des kommenden Landtages auf diese Weise von kontroversen Geschäftsordnungsdebatten zu befreien, die ein nicht demokratisch legitimierter
Alterspräsident nicht effektiv leiten kann, wird in der Gesetzesbegründung deutlich:
„Gesetz über die Geschäftsordnung des Thüringer Landtags
(Thüringer Geschäftsordnungsgesetz – ThürGOG -)
Vom 19. Juli 1994 (GVBl. S. 911)
THÜRINGER LANDTAG - Wahlperiode
G e s e t z e n t w u r f
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der Fraktionen der CDU und F.D.P.
Gesetz über die Geschäftsordnung des Thüringer Landtags
(Thüringer Geschäftsordnungsgesetz – ThürGOG -)
Druck: Thüringer Landtag, 10. Juni 1994
Der Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen:
§ 1
Die Geschäftsordnung des Thüringer Landtags gilt solange fort,
bis der Landtag eine neue Geschäftsordnung beschlossen hat.
§ 2
Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.
Für die Fraktion Für die Fraktion
der CDU: der F.D.P.:
Lothholz Dr. Kniepert
Begründung
Der Thüringer Landtag regelt seine Interna bislang nur durch die „Vorläufige Geschäftsordnung des Thüringer Landtags“ vom 25. Oktober 1990 (Beschluß zur Drucksache 1/2).
Nach Artikel 57 Abs. 5 der Verfassung des Freistaats Thüringen gibt sich der Landtag
jedoch eine Geschäftsordnung.
Eine Überarbeitung der Vorläufigen Geschäftsordnung erscheint gerade am Ende der
Legislaturperiode als angebracht, um die Erfahrungen der vergangenen vier Jahre mit
dem bisherigen Regelungswerk in die Beratungen einfließen zu lassen. Die Vergangenheit hat gezeigt, wie zeitintensiv die Verhandlungen verliefen.
Auch aus diesen Gründen erscheint ein Überleitungsgesetz als sinnvoll. Ein neuer
Landtag kann somit auf eine vorhandene Geschäftsordnung zurückgreifen,
seine eigenen Erfahrungen bis zu einer eventuellen Änderung der Geschäftsordnung sammeln.
Mit dem Überleitungsgesetz steht dem Landtag bereits zu Beginn der neuen Legislaturperiode die Geschäftsordnung zur Verfügung.“
Hervorhebung der hier bedeutendsten Begründungsteile hinzugefügt.
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Die kontroversen Debatten hierzu
- Erste Lesung: Thüringer Landtag – 1. Wahlperiode – 121. Sitzung, 7. Juli 1994,
9414-9423, - Zweite Lesung: Thüringer Landtag – 1. Wahlperiode – 119. Sitzung, 17. Juni 1994,
9210-9217
zugleich einen Beleg dafür, dass die kontroverse, langwierige und verfassungsrechtlich äußerst problematische Beratung gerade auch der hier angestrebten Änderung
der GOLT hinsichtlich des Vorschlagsrechts nicht unter Vorsitz des Alterspräsidenten mit seinem naturgemäßen Defizit an demokratischer Legitimation durchgeführt werden kann.
Sie zeigen aber, dass man sich der temporären faktischen Bindungswirkung auf den nicht
fertig konstituierten kommenden Landtag durchaus bewußt war, CDU und FDP aber die
Vorteile, die in der Freihaltung der Konstituierung von kontroversen Geschäftsordnungsdebatten unter Vorsitz eines Alterspräsidenten lagen, höher gewichteten. Gegen diesen Ratschluss des Gesetzgebers ist verfassungsrechtlich nichts zu erinnern, da nicht der Versuch
gemacht wird, das Selbstorganisationsrecht des neuen Landtages grundsätzlich oder dauerhaft in Frage zu stellen, sondern lediglich einer schnellen Konstituierung – und damit Funktionsfähigmachung – des neuen Landtages der Vorzug gegeben wird.
Dass sich die CDU nun nicht mehr an diese von ihr selbst so vehement befürworte Systematik halten will und deswegen des VerfGH anruft, fällt wider in die (weitere) Zulässigkeitsfrage der mißbräuchlichen Politisierung des Verfassungsgerichtshofes (dazu sogleich).
Präsente Belege aus der Debatte:
Thüringer Landtag – 1. Wahlperiode – 119. Sitzung, 17. Juni 1994 9210
„Wir kommen nunmehr zum Aufruf des Tagesordnungspunktes 17
Gesetz über die Geschäftsordnung des
Thüringer Landtags
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(Thüringer Geschäftsordnungsgesetz - ThürGOG -)
Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU
und F.D.P. - Drucksache 1/3456 –
Erste Beratung
Ich eröffne die Aussprache zu diesem Gesetzentwurf
und bitte Herrn Abgeordneten Lothholz von der Fraktion der CDU, für die Einbringer das Gesetz einzubringen.
Abgeordneter Lothholz, CDU:
Herr Präsident, meine Damen und Herren, wir beraten
heute in Erster Lesung das Gesetz über die GeschäftsDes weiteren obliegt die Geschäftsordnung als ein Beschluß des
Landtags dem Grundsatz der Diskontinuität. Der neue
Landtag verfügt somit in seiner konstituierenden Sitzung über keine verfahrensregelnden Bestimmungen.
Aus diesen Gründen erscheint uns das Überleitungsgesetz als geeignet und angebracht. Der neue Souverän
kann bereits von Beginn an auf eine Geschäftsordnung
zurückgreifen. Er kann in aller Ruhe seine eigenen Erfahrungen sammeln und, sofern der Wunsch besteht,
diese in eine Geschäftsordnungsänderung einfließen
lassen.
Thüringer Landtag – 1. Wahlperiode – 119. Sitzung, 17. Juni 1994 9212
Präsident Dr. Müller:
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kniepert, F.D.P.-
Fraktion.
Thüringer Landtag – 1. Wahlperiode – 119. Sitzung, 17. Juni 1994 9213
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…
Das Ganze wurde unterbrochen bei der Frage von mir,
warum die Opposition sich bemüht, eine nur bedingt
funktionsfähige Geschäftsordnung über die Zeit zu retten. Dies kann nur zwei Gründe haben: Entweder man
will langfristig parlamentarische Arbeit unmöglich machen,
(Beifall bei der CDU)
oder man ist zu parlamentarischer Arbeit gar nicht in
der Lage – zu letzterem habe ich Anlaß.
Meine Damen, meine Herren, nach dem, was Sie im
Geschäftsordnungsausschuß zum Thema „Verfassung“
abgezogen haben, gibt es für mich eine einfache
Schlußfolgerung: Sie wollen keine Geschäftsordnung,
Sie wollen das organisierte Chaos und selbst diese Organisation des Chaos ist Ihnen zu lästig.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU,
F.D.P.)
Thüringer Landtag – 1. Wahlperiode – 119. Sitzung, 17. Juni 1994 9214
Präsident Dr. Müller:
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hahnemann, Fraktion Linke Liste-PDS.
Thüringer Landtag – 1. Wahlperiode – 119. Sitzung, 17. Juni 1994 9216
Verhüllt wird das Ganze in die angebliche Absicht, die
Konstituierungsphase des nächsten Landtags regeln zu
müssen. Genau dies bedeutet aber die Bevormundung
des neuen Landtags.
(Zwischenruf Abg. Weyh, SPD: Richtig!)
(Beifall bei der SPD, LL-PDS,
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Bündnis 90/Die Grünen)
Der Versuch, über ein Gesetz dem kommenden Landtag eine Geschäftsordnung aufzuzwingen, war an sich
schon ein in seinem Wesen undemokratisches Ansinnen.
(Beifall bei der SPD, LL-PDS,
Bündnis 90/Die Grünen)
Thüringer Landtag – 1. Wahlperiode – 121. Sitzung, 7. Juli 1994 9414
Präsident Dr. Müller:
Das Wort hat der Abgeordnete Friedrich, SPD-Fraktion.
Thüringer Landtag – 1. Wahlperiode – 121. Sitzung, 7. Juli 1994 9416
Danke schön. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kniepert, F.D.P.-Fraktion.
Abgeordneter Dr. Kniepert, F.D.P:
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, zunächst zum Geschäftsordnungsgesetz: Es ist
darüber lange gerätselt worden, inzwischen ist es,
glaube ich, den meisten auch außerhalb der Koalition
Thüringer Landtag – 1. Wahlperiode – 121. Sitzung, 7. Juli 1994 9417
klargeworden, daß damit weder eine Fußangel noch
etwas Übersinnliches, noch etwas Bösartiges gemeint
ist, sondern schlicht und einfach die Chance gegeben,
eine Geschäftsordnung in der ersten Landtagssitzung
im Oktober zu haben,
(Beifall bei der CDU)
(Zwischenruf Abg. Döring, SPD:
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So ein Quatsch.)
denn, wenn man das Thema von Sachsen-Anhalt, auch
als wir das hier diskutiert haben, noch nicht kannte, mit
solch einer Geschäftsordnung ist selbst bei grün-rotdunkelrot ein Chaos zumindest zu ordnen.
(Beifall bei der CDU)
Ganz im Sinne der damaligen und über drei Jahrzehnte – bis gestern – unveränderten Auffassung der CDU hat der Alterspräsident nicht nur zum Ende seiner Rede, sondern stets zu
erkennen gegeben, dass er der durch § 1 GOLT iVm § 1 ThürGOG gesetzlich festgelegten
Geschäftsordnung bis zur Vollendung der Konstituierung und Übergabe folgen wird. Verfassungsrechtlich ist hiergegen nichts zu erinnern.
Der Gesetzgeber hat nämlich das verfassungsrechtliche Spannungsverhältnis zwischen einer kurzzeitigen „Bevormundung“ des neuen, noch nicht vollständig handlungsfähigen
Landtages bis zum im Normalfall in einer halben Stunde erfolgten Abschluss der Konstituierung und den verfassungsrechtlichen Defiziten, die sich aus einer Leitung kontroverser
und umstrittener Verhandlungen durch einen nicht demokratisch legitimierten und in Thüringen auch einem regelrechten Mobbing durch feindselig eingestellte Abgeordnete ausgesetzten Alterspräsidenten, in einer mehr als vertretbaren Weise aufgelöst.
Von einer Aussprache über Geschäftsordnungsangelegenheiten ist in dieser gesetzlichen
Tagesordnung aus gutem Grund keine Rede. Nach Feststellung der Beschlussfähigkeit und
der Wahl des Präsidenten ist der Thüringer Landtag nämlich Dank des § 1 ThürGOG bereits
handlungsfähig und mithin konstituiert. Einer eingeschobenen Beschlussfassung zur GO
bedarf es hierzu in Thüringen aufgrund des § 1 ThürGOG gerade nicht, so daß eine Befassung mit der GO hier auch keinesfalls in den aufgrund mangelnder demokratischer
Legitimation sehr beschränkten Kompetenzbereich des Alterspräsidenten fällt.
Wenn man an dieser Stelle mit dem freien Willen der Abgeordneten argumentieren wollte,
so müßte man auch die Einschiebung von ganzen Gesetzgebungsverfahren zwischen Rede
und Aufruf oder zwischen Aufruf und Ernennung der Wahlhelfer etc. für richtig finden. Das
kann ersichtlich nicht sein.
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Der Alterspräsident hat, und das kommt in § 1 GOLT verfassungsadäquat zum Ausdruck,
lediglich die Aufgabe, den Landtag so schnell wie möglich handlungsfähig zu machen und
den Vorsitz an einen gewählten Präsidenten zu übergeben. Gerade an dem tumulthaften
Umgang des Hauses mit dem Alterspräsidenten im vorliegenden Fall und mit dem Absprechen jeder Ordnungsgewalt gerade durch die Antragsteller in ihrem Schriftsatz zeigt sich
umso mehr, dass hier verfassungsrechtlich das absolute Minimum geboten ist, was der Thüringer Gesetzgeber mit § 1 ThürGOG auch so gesehen hat.
Zuallererst nach – oder schon mit – Feststellung der Beschlussfähigkeit einen Präsidenten
zu wählen entspricht auch dem Verfassungstext: In Art. 57 ThürVerf heißt es in Absatz 1
zuallererst: „Der Landtag wählt aus seiner Mitte den Präsidenten, die Vizepräsidenten und
die Schriftführer.“ Erst Absatz 5 besagt: „Der Landtag gibt sich eine Geschäftsordnung.“
Deutlicher noch wird es im Grundgesetzt. In Artikel 40 Absatz 1 GG heißt es insoweit: „Der
Bundestag wählt seinen Präsidenten, dessen Stellvertreter und die Schriftführer. Er gibt sich
eine Geschäftsordnung.“ Das ist keine Zufälligkeit. Da der Landtag als handlungsfähiges
Staatsorgan erst konstituiert ist wenn der Landtagspräsident gewählt ist, muss die Wahl
zum Präsidentenamt bereits in der konstituierenden Sitzung stattfinden.
MSW ParlamentsR-HdB/Blum § 21 Rn. 1.
Es ist dies zugleich eine verfassungsunmittelbare Forderung des Demokratieprinzips (Art.
44 Abs. 1, Art 45, Art 46 ThürVerf), nach dem es eines alsbaldigen Zusammentritts und der
schnellstmöglichen Tätigkeitsaufnahme des gewählten Landtags auch deshalb bedarf, damit die im Wahlakt konstituierte demokratische Legitimation und neu bestimmte Zusammensetzung des Parlaments möglichst unmittelbar auch in der Verfassungswirklichkeit wirksam
wird.
VerfGH Nordrhein-Westfalen BeckRS 2009, BECKRS Jahr 31763 = NWVBl 2009
185 (186); BeckOK GG/Brocker, 58. Ed. 15.6.2024, GG Art. 40 Rn. 5 ff.
Nach der Feststellung der Beschlussfähigkeit folgt daher unmittelbar die Wahl des Präsidenten (§1 Abs. 4 GOLT iVm § 1 ThürGOG: „Nach Feststellung der Beschlussfähigkeit
wählt der Landtag die Präsidentin beziehungsweise den Präsidenten.“), zumal eine
wirksame GO für den unmittelbaren Tätigkeitsantritt in Thüringen durch den Gesetzgeber
garantiert wurde.
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Sogar für den Bundestag, dessen GO vollständig der Diskontinuität unterliegt, wird formuliert: „Der Alterspräsident ernennt nach der Eröffnung der Sitzung mindestens zwei Abgeordnete zu vorläufigen Schriftführern, führt den Namensaufruf der Abgeordneten durch und
leitet die Wahl des Bundestagspräsidenten, der nach seiner Wahl den Vorsitz übernimmt
(Isensee/Kirchhof StaatsR-HdB III/Zeh § 53 Rn. 17).“
BeckOK GG/Brocker, 58. Ed. 15.6.2024, GG Art. 39 Rn. 15.
Eine möglichst rasche Herstellung der Funktionsfähigkeit des Landtags ist erforderlich. un d
n ach ganz herrschender Meinung ist die Wahl des neuen Präsidenten notwendiger Bestandteil derKonstituierung,
Bieler/Poschmann/Schulte, in Dressel/Poschmann, ThürVerf, 2023, Art. 57 Rn. 12,
Hervorhebung im Original.
in Thüringen aber jedenfalls nicht eine Neufassung der Geschäftsordnung!
Wörtlich heißt es im größten und aktuellsten Kommentar zur ThürVerf:
„Die Aufgabe des Alterspräsidenten in der ersten Sitzung ist nach der Geschäftsordnung des Landtags darauf beschrankt, diese zu leiten, bis der neue Präsident gewählt ist
und das Amt übernimmt, § 1 Abs. 2 GO. Über die Sitzungsleitung in der konstituierenden
Sitzung hinausgehende Befugnisse und Kompetenzen stehen dem Alterspräsidenten hingegen nicht zu. Aus dieser engen zeitlichen und inhaltlichen Begrenzung der Aufgaben
und der spezifischen Rolle des Alterspräsidenten durch Verfassung und Geschäftsordnung sowie der hervorgehobenen Bedeutung der Wahl des Präsidenten wird ersichtlich,
dass der Verfassungs- und der Geschäftsordnungsgeber von einer Verpflichtung des
Landtags in seiner ersten Sitzung einen Präsidenten zu wählen, ausgegangen sein müssen.“
Bieler/Poschmann/Schulte, in Dressel/Poschmann, ThürVerf, 2023, Art. 57 Rn. 14,
Hervorhebung im Original.
Gänzlich parallel hierzu heißt es im führenden Grundgesetz-Kommentar:
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„Aufgabe des Alterspräsidenten
Der Alterspräsident (§ 1 Abs. 3 GOBT) pflegt die Sitzungen mit einer Ansprache zu eröffnen.
Dem Alterspräsidenten obliegt die Ernennung von Mitgliedern des Bundestages zu vorläufigen Schriftführern (§ 1 Abs. 3 Satz 1 GOBT), die ihm von den Fraktionen vorgeschlagen werden. Diese konstituieren sich bereits vor dem Zusammentritt des neuen, also noch
während der Wahlperiode des alten Bundestages, um ihre Funktionen möglichst schnell
aufnehmen zu können (wie zB die Wahl des Fraktionsvorstands, die Bestimmung der in die
Ausschüsse des Bundestages zu entsendenden Mitglieder usw.). Der Wahl der Schriftführer
folgen der Namensaufruf der Mitglieder des Bundestages (§ 1 Abs. 3 Satz 2 GOBT) und
– nach Feststellung der Beschlussfähigkeit – die Wahl des Präsidenten des Bundestages
(§ 1 Abs. 4 GOBT). Hat diese Wahl stattgefunden und hat der Gewählte die Wahl angenommen, übergibt ihm der Alterspräsident den Vorsitz. Ist dann auch noch die Wahl der Stellvertreter des Präsidenten und der Schriftführer erfolgt (§ 1 Abs. 4 GOBT), ist die Konstituierung des Bundestages vollzogen.
Danach ist die – ggf. vorläufige – Geschäftsordnung zu beschließen, wobei regelmäßig
die Geschäftsordnung des alten Bundestages übernommen wird. Gewichtigere Änderungen der Geschäftsordnung – wie zB die Einfügung des § 126a GOBT zu Beginn der 18.
Wahlperiode durch Beschluss vom 3. April 2014 (BGBl I S. 534) – erfolgen regelmäßig zu
einem späteren Zeitpunkt nach Beratung durch den Geschäftsordnungsausschuss.“
Dürig/Herzog/Scholz/Klein/Schwarz, 104. EL April 2024, GG Art. 39 Rn. 51 mit
zahlr. Nachw., Hervorhebungen hinzugefügt.
Umso weniger kann in Thüringen die Sitzungsleitung in langwierigen, kontroversen und verfassungsrechtlich äußerst zweifelhaften Bestrebungen zur Änderung der GOLT Aufgabe
des Alterspräsidenten sein. Nach Feststellung der Beschlussfähigkeit und der Wahl des
Präsidenten ist der Thüringer Landtag nämlich dank des § 1 ThürGOG bereits handlungsfähig. Einer Beschlussfassung zur GO bedarf es hierzu in Thüringen dank § 1 ThürGOG
gerade nicht, so daß eine Befassung mit der GO nicht in den aufgrund mangelnder
demokratischer Legitimation sehr beschränkten Kompetenzbereich des Alterspräsidenten fällt. Dieser hat, und das kommt in § 1 GOLT verfassungsadäquat zum Ausdruck,
lediglich die Aufgabe, den Landtag so schnell wie möglich handlungsfähig zu machen und
den Vorsitz an einen gewählten Präsidenten zu übergeben.
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Den Sitzungsprotokollen läßt sich entnehmen, dass in Übereinstimmung mit diesen Feststellungen in Thüringen jedenfalls seit Verabschiedung des ThürGOG keine Geschäftsordnungsangelegenheiten vor dem Abschluss der Konstituierung verhandelt wurden.
- Antrag zu 3 ist schon unzulässig, weil er verfassungsrechtlich Unzulässiges erstrebt
Zunächst besteht besteht KEIN verfassungsrechtlicher Anspruch darauf, die Regeln für
Wahlen vorher im eigenen Sinne zu ändern. Außerdem wurde dieser dieser Antrag in der
Sitzung noch nie gestellt (auch deswegen besteht kein Rechtsschutzinteresse, siehe II.).
Das Vorschlagsrecht liegt beider stärksten Fraktion gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 GOLT. Diese
Bestimmung entspricht dem allgemeinen Parlamentsbrauch im Bund und in den Ländern.
Bieler/Poschmann/Schulte, in Dressel/Poschmann, ThürVerf, 2023, Art. 57 Rn. 19.
Die verfassungsunmittelbare Verbindlichkeit dieses Vorschlagsrechts in dem Sinne, daß das
Vorschlagsrecht der stärksten Fraktion nicht durch Änderung der Geschäftsordnung beseitigt
werden könnte, hat derBericht der externenKommission zurEvaluation der lnformationsrechte
der Abgeordneten des Thüringer Landtags gegenüber dem Juristischen Dienst der Thüringer Landtagsverwaltung bestätigt.
LT-Drs.6/ 4040, S.22. Zu weiteren Argumenten siehe unten.
Ausschließliches Vorschlagsrecht gilt verfassungsunmittelbar.
Ob das – ausschließliche – Vorschlagsrecht der stärksten Fraktion über die einfachgesetzliche Anordnung durch § 2 Abs. 1 Satz 4 GOLT iVm § 1 ThürGOG hinaus auch verfassungsrechtlich abgesichert ist, wird lebhaft diskutiert. Die besseren Gründe sprechen dafür. Diese
hindern entsprechend auch eine ausdrückliche Änderung der ausschließlichen Vorschlagsberechtigung nach § 2 Abs. 1 Satz 4 GOLT in einem späteren Verfahren oder eine – präsente – Interpretation des § 2 Abs. 1 Satz 4 GOLT in der konstituierenden Sitzung im Sinne
einer „Freigabe“ des Vorschlagsrechts:
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Für Thüringen hat die verfassungsunmittelbare Verbindlichkeit dieses Vorschlagsrechts erkannt wie gesehen bereits derBericht der externenKommission zurEvaluation der lnformationsrechte der Abgeordneten des Thüringer Landtags gegenüber dem Juristischen Dienst der
Thüringer Landtagsverwaltung.
LT-Drs.6/ 4040, S.22.
Wahlvorschlagsberechtigt für das Amt des Parlamentspräsidenten ist nach allgemeiner Ansicht sogar bei Fehlen einer ausdrücklichen Regelung die stärkste Fraktion. Für den Bund
wird dies begründet aus Verfassungsgewohnheitsrecht, Parlamentsgewohnheitsrecht oder
als auf parlamentarischer Übung beruhend.
Achterberg ParlamentsR 190 f.; MSW ParlamentsR-HdB/Blum § 21 Rn. 2; BKGG/Brocker GG Art. 40 Rn. 142; v. Münch/Kunig/Groh GG Art. 40 Rn. 5; Friauf/Höfling/Lang GG Art. 40 Rn. 12; Dreier/Morlok GG Art. 40 Rn. 24; BeckOK
GG/Schwarz, 58. Ed. 15.6.2024, GOBT § 2 Rn. 7; Dürig/Herzog/Scholz/Klein/Schwarz, 104. EL April 2024, GG Art. 40 Rn. 98; Austermann JuS
2018, JUS Jahr 2018 Seite 760 (761) mwN.
Gleichwohl wird ein verfassungsrechtlicher Anspruch der stärksten Fraktion für die Bundesebene zuweilen verneint, weil sich eine ausreichende Übung in der Überzeugung einer
Rechtspflicht nicht feststellen lasse.
Schmidt-Bleibtreu/Kluth Rn. 55; RBS Parlamentarische Praxis-HdB § 2 Anm. I 1 c;
BK GG/Brocker Rn. 142; Brocker, BeckOK Grundgesetz, Epping/Hillgruber, 58. Edition Stand: 15.06.2024, Rn 9.
Für Thüringen ist eine solche Übung in der für den Freistaat Verfassungstradition bildenden
Zeit seit 1990 aber durchaus festzustellen: Der Landtag hat seither diese Übung begründet,
der er in der Überzeugung folgt, so verfahren zu müssen (opinio necessitatis).
Speziell im Falle Thüringens spricht für die Unverrückbarkeit des ausschließlichen Vorschlagsrechts auch der systematische Zusammenhang, nach dem der Präsident und die
Vizepräsidenten ihre Ämter verlieren, wenn sie ihre (die vorschlagsberechtigte!) Fraktion
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verlassen. Diese Ämter sind sodann aufgrund neuerlichen Vorschlags der jeweils hierzu
berechtigten Fraktion durch Nachwahl neu zu besetzen, § 2 Abs 4 iVm § 5 Abs 1 GOLT.
Hierin drückt sich zugleich eine systematische Spiegelung der unmittelbar verfassungsrechtlichen Anforderungen aus:
Das ausschließliche Vorschlagsrecht der stärksten Fraktion lässt sich nämlich verfassungsrechtlich aus dem demokratischen Mehrheitsprinzip und zugleich aus dem Gedanken
des Minderheitenschutzes erklären:
Die Legitimation des Parlaments leitet sich aus den demokratischen Wahlen ab, in denen
die Parteien – durch Art. 21 GG beauftragt – eine tragende Rolle spielen sollen. Deshalb
soll die Person, die das Parlament gegenüber dem Wahlvolk repräsentiert, derjenigen Partei
angehören, der die Wähler die meisten Sitze im Parlament zugesprochen haben – und zwar
im „Urzustand“ vor einer künstlichen Aggregation durch Koalitionsbildungen.
Köhler Rechtsstellung der Parlamentspräsidenten, Berlin 2000, S. 24; BeckOK Verfassung Hessen/Langner, 1. Ed. 1.12.2023, HessVerf Art. 84 Rn. 67; Meyn JZ 1977,
167 (168).
Zugleich geht es bei der Wahl des Präsidenten und der Vizepräsidenten um die Wahrung
eines minderheitenschützenden Fraktionsproporzes. Freilich wird eine exakte Spiegelbildlichkeit insofern nicht zu erreichen sein. Die gleichwohl von der GOLT umgesetzte „Querschnittsbesetzung“ ist aber einerseits eine – minderheitenschützende – Anlehnung an das
Spiegelbildlichkeitsprinzip und dient durch das „Grundmandat“ auch insofern dem Minderheitenschutz, als der so zusammengesetzte Vorstand interfraktionelle Verständigung ermöglichen und im Landtag zu treffende Entscheidungen und Organisationsmaßnahmen, mit
Bezug auf das parlamentarische Geschehen oder Angelegenheiten der Verwaltung, auf
eine breitere Basis stellen soll.
BK GG/Brocker GG Art. 40 Rn. 188; BeckOK Verfassung Hessen/Langner, 1. Ed.
1.12.2023, HessVerf Art. 84 Rn. 68.
Die Fraktionen sollen nach Erkenntnis des BVerfG in die Leitungsstrukturen eingebunden
werden, um so den innerparlamentarischen Interessenausgleich bei der Ausgestaltung der
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Arbeitsabläufe ebenso zu gewährleisten wie die Funktionsfähigkeit des Parlaments sicherzustellen.
BVerfG NVwZ 2022, 629 Rn. 108; BVerfGE 160, 368 (401 ff.); BeckOK
GG/Schwarz, 58. Ed. 15.6.2024, GOBT § 2 Rn. 7.
Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu in einer aktuellen Vizepräsidenten-Entscheidung
näher ausgeführt:
„Danach kommt der Beschränkung des Wahlvorschlagsrechts bei der Wahl der
Stellvertreter des Bundestagspräsidenten auf die jeweilige Fraktion eigenständige Bedeutung zu. Die Erreichung der mit dem Grundmandat des § 2 I 2 GO-BT
verbundenen Transformations- und Verständigungsziele ist davon abhängig,
dass der jeweilige Bundestagsvizepräsident vom Vertrauen der von ihm vertretenen Fraktion getragen ist. Nur dann kann das mit dem „Grundmandat“ verbundene
Ziel der Optimierung der Arbeitsabläufe des Parlaments und der Erhöhung der Akzeptanz der getroffenen Organisationsentscheidungen in den jeweiligen Fraktionen
bestmöglich erreicht werden. Für das Gelingen interfraktioneller Verständigungen und die Herstellung innerfraktioneller Akzeptanz für die in der Parlamentsleitung erzielten Kompromisse braucht der jeweilige Bundestagsvizepräsident
die Unterstützung und das Vertrauen seiner Fraktion. Dem wird Rechnung getragen, wenn allein diese wahlvorschlagsberechtigt ist, wobei es in ihrem eigenen Interesse liegt, sich um einen mehrheitsfähigen Vorschlag zu bemühen (vgl.
Schneider/Zeh/Steiger, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, 1989, § 25 Rn. 8).“
BVerfG Urt. v. 22.3.2022 – 2 BvE 2/20, Rn. 108, Hervorhebungen hinzugefügt.
Der Versuch einer selbsternannten Koalition, die Fraktion, die vom Wähler mit den meisten
Stimmen bedacht worden ist, durch das Usurpieren von dessen Wahlvorschlagsrecht gänzlich aus den Leitungsstrukturen des Parlaments auszuschließen und ihr weder den Präsidenten noch einen Vizepräsidenten zuzubilligen, wird somit von der Verfassung ersichtlich
nicht gebilligt.
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III. Frist
Die Anträge sind unzulässig wegen Verfristung. Die von den Antragstellern vorgetragenen
„Beschwernisse“ ergeben sich vorliegend aus der schlichten Anwendung der Geschäftsordnung des Thüringer Landtages, die insofern (§ 1) seit 1994 unverändert besteht.
Der Alterspräsident hat § 1 GOLT iVm § 1 ThürGOG (beides mit CDU/FDP als Urheber)
genau so angewandt, wie er über Jahrzehnte ohne jede Änderung praktiziert wurden. Irgendeine „besondere Auslegung“ oder eine „AfD-Rechtsauffassung“ war hierbei nicht im
Spiel. Als diese Regeln festgezurrt wurden von der CDU zusammen mit der FDP gab es die
AfD noch gar nicht.
Daß sich die Antragsteller nun erstmals mit diesen von ihrer Vorgängerfraktion selbst gesetzten Regeln nicht mehr wohl fühlen, ist unbeachtlich und konstituiert keine über die
schlichte Anwendung der Geschäftsordnung hinausgehende zusätzliche Beschwer. Die Antragsteller werden hiervon im Regelsinne nur so betroffen, wie alle anderen auch.
BVerfG, Urteil vom 13. Juni 1989 – 2 BvE 1/88 –, BVerfGE 80, 188.
IV. Rechtsschutzinteresse
Die Behauptung der Antragsteller, es bestehe keine außergerichtliche Remedur, ist offenkundig unzutreffend. Sie hätten noch am ersten Tage nach Herstellung der vollen Handlungsfähigkeit durch Konstituierung alle Möglichkeiten gehabt – und hat sie immer noch –
seine Interessen auf dem normalen parlamentarischen Wege zu verfolgen, bedingt durch
die Besonderheiten und strikte, den Verfassungsforderungen Rechnung tragende Formalisierung der Konstituierung gem. § 1 GOLT iVm § 1 ThürGOG aber eben nicht „sofort“ schon
zu Beginn der Rede des Alterspräsidenten, mitten in der Rede des Alterspräsidenten oder
vor der Ernennung der Schriftführer – oder was den Antragstellern noch alles einfiel gestern.
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Das Verfassungsgericht anzurufen, weil einzelne Aspekte des einst selbst festgelegten und
jahrzehntelang unverändert praktizierten – von Verfassungs wegen so schlank wie möglich
gehaltenen – Prozesses der Konstituierung den eigenen Machtzielen plötzlich nicht mehr
dienlich erscheinen, stellt einen Mißbrauch dar, der, würde der Antrag goutiert, in die allseits
abgelehnte Politisierung der Verfassungsgerichte führte. Schon die in der Presse zu lesenden Formeln, der Verfassungsgerichtshof stehe für die Lösung der (internen!) Probleme des
Parlaments bereit, beschädigen das Ansehen der Institution.
Im führenden Kommentar zum BVerfGG heißt es hierzu: „Das Rechtsschutzbedürfnis figuriert auch im Verfassungsorganstreit als ungeschriebene Sachurteilsvoraussetzung des
allgemeinen Prozessrechts. Es wird dem besonderen Charakter des Organstreits als einer kontradiktorischen Parteistreitigkeit gerecht. Fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, ist die
Klage in der Regel unzulässig (vgl. unten Rn. 103). Zwar ist es regelmäßig mit der Antragsbefugnis gegeben.
Es wird durch das Vorliegen der Antragsbefugnis indiziert; zumal dann, wenn die Antragsbefugnis als „besonderes Rechtsschutzbedürfnis“ qualifiziert wird. Doch kann es auch eigenständige Relevanz gewinnen und (nur) in besonderen Fällen entfallen (vgl. auch oben
Rn. 58). In der Hauptsache wirkt es möglichen Institutionenmissbrauch entgegen. {Fn
470: BVerfGE 68, 1 (77) Auch kann es sich als Korrektiv gegenüber dem Versuch einer
politischen Instrumentalisierung des Organstreits erweisen.“
Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge/Bethge, 63. EL Juni 2023, BVerfGG § 64 Rn. 94.
Genau diese Situation trifft hier zu. Das fehlende Rechsschutzinteresse hat das Verfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern in einem insofern sehr vergleichbaren Fall mustergültig herausgearbeitet (LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 21. Juni 2007 –
LVerfG 19/06) und dabei zugleich auch die Unerheblichkeit von Geschäftsordnungsverstößen exemplarisch aufgezeigt:
„1. Mit ihrem Antrag zu 1 b) machen die Antragsteller geltend, die Antragsgegnerin zu 2.
habe einen Widerspruch des Antragstellers zu 2. entgegen § 72 Abs. 2 GO LT nicht zur
Abstimmung gestellt und somit übergangen. Indessen fehlt es für die insoweit beantragte
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Feststellung einer Rechtsverletzung an dem zu fordernden Rechtsschutzinteresse, nachdem die Antragsgegnerin zu 2. allen Beteiligten Gelegenheit gegeben hatte, eine Plenarentscheidung über die Einberufung herbeizuführen.
Allerdings indiziert das Vorliegen der Antragsbefugnis regelmäßig das Rechtsschutzinteresse (LVerfG M-V, Urt. v. 27.05.2003 – LVerfG 10/02, DÖV 2003, 765 = LKV 2003, 516).
Das Rechtsschutzinteresse kann jedoch aufgrund besonderer Umstände im Einzelfall fehlen. So darf parlamentarisches Handeln nicht durch einen verfassungsgerichtlichen Organstreit ersetzt werden, wenn der Träger verfassungsmäßiger Rechte auf parlamentarischem
Weg seine Rechte genauso effektiv durchsetzen kann wie mit Hilfe des Verfassungsgerichts (LVerfG M-V, Urt. v. 19.12.2002 – LVerfG 5/02, LVerfGE 13, 284, 293 in Übereinstimmung mit BVerfG, Urt. v. 18.12.1984, BVerfGE 68, 1, 77 für den bundesverfassungsgerichtlichen Organstreit) oder wenn die Möglichkeit eröffnet war, einen Fehler auf parlamentarischem Weg auszuräumen. So verhält es sich hier.
a) Für die Antragsteller bestand die Möglichkeit, ihre Vorstellungen zum weiteren Sitzungsablauf nachträglich in das Plenum einzubringen. Indem die Antragsgegnerin zu 2. unmittelbar nach Eröffnung der 2. Sitzung dem Plenum und damit auch den Antragstellern Gelegenheit gab, eine förmliche Entscheidung des Landtages über die Durchführung dieser Sitzung
herbeizuführen, entsprach sie einem verfassungsrechtlichen Gebot, auf das Übergehen des
Zurufs des Antragstellers zu 2. am Schluss der 1. Sitzung „Ich widerspreche dem“ zu reagieren und die Situation zu bereinigen.
Der Widerspruch nach § 72 Abs. 2 Satz 2 GO LT ist ein Geschäftsordnungsantrag. Geschäftsordnungsanträge sind Anträge, die sich auf den zur Beratung anstehenden Verhandlungsgegenstand oder auf die Tagesordnung beziehen. Sie sind zumeist dadurch gekennzeichnet, dass sie sich im Gegensatz zu Sachanträgen auf das Verfahren beziehen (Ritzel/Bücker/Schreiner, Kommentar zur Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, § 29
GO-BT, I.1.b). Sie betreffen den Arbeitsplan des Parlamentes unter zeitlichen und/oder inhaltlichen Aspekten (Achterberg, Parlamentsrecht, 1984, S. 629 f.).
Um einen Geschäftsordnungsantrag wirksam stellen zu können, muss dem Abgeordneten
das Wort erteilt worden sein. Die Wortmeldung zur Geschäftsordnung kann durch Zuruf erfolgen (§ 81 Abs. 3 Satz 2 GO LT). § 81 Abs. 1 Satz 1 GO LT kodifiziert den parlamentarischen Grundsatz, dass die Rede des Abgeordneten die ausdrückliche (siehe Ritzel/Bücker/Schreiner a. a. O. § 27 GOBT, I.1.b) Worterteilung des Präsidenten voraussetzt.
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Zwischenrufe sind kein „Sprechen“ im Sinne von § 81 Abs. 1 Satz 1 GO LT (a. a. O.). Gesprochen wird grundsätzlich vom Rednerpult oder vom Saalmikrofon aus (§§ 81 Abs. 4 Satz
1, 83 Abs. 1 Satz 1 GO LT). Das Rede- und Antragsrecht steht den Abgeordneten nach Art.
22 Abs. 2 Satz 1 LV zu. Seine formale Ausgestaltung durch die Geschäftsordnung des Landtages ist verfassungsrechtlich abgesichert. Art. 22 Abs. 2 Satz 3, 29 Abs. 3 Satz 1 LV nehmen insoweit – atypisch für eine Verfassung – ausdrücklich auf die Geschäftsordnung Bezug. Die konkrete Ausgestaltung des Rede- und Antragsrechts durch die Geschäftsordnung
in § 81 GO LT steht mit der Grundentscheidung der Landesverfassung in Einklang; namentlich dient die formale Ausgestaltung der Klarheit der Entscheidungsfindung und der Wahrung der Rechtssicherheit.
Dementsprechend war die Äußerung des Antragstellers zu 2. am Schluss der 1. Sitzung als
Wortmeldung zur Geschäftsordnung zu behandeln. Der Antragsteller zu 2. hatte sich unter
gleichzeitigem Heben beider Hände und Zuruf zu Wort gemeldet, ohne dass ihm das Wort
erteilt wurde. Zwar kann ein Antrag zur Geschäftsordnung durch Zuruf erfolgen. Auch dieser ersetzt freilich nicht die Worterteilung zur förmlichen Stellung und Formulierung des
Antrags. Wenn die Antragsteller rügen, eine „Abstimmung über den Widerspruch“ sei unterlassen worden, so ist das „Unterlassen der Worterteilung zum Geschäftsordnungsantrag“ hiervon umfasst. Auch hierin kann eine Verletzung des Antrags- und Rederechts liegen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Zuruf von der Sitzungsleitung bemerkt wird.
Entscheidend ist, ob für den objektiven Betrachter ein Antrag zur Geschäftsordnung im
Raum steht. Hiervon kann vorliegend ausgegangen werden.
b) Indes gebietet der schonende Umgang der Beteiligten des parlamentarischen Prozesses
untereinander, Fehler im Verfahren möglichst weitgehend dadurch zu heilen, dass die Möglichkeit eingeräumt wird, verfassungsmäßige Ansprüche, hier das Antragsrecht des Antragstellers zu 2., auch im Wege der Nachholung durchzusetzen.
Genau diesem Ziel diente das von der Antragsgegnerin zu 2. in der 2. Landtagssitzung angebotene Verfahren. Zwar sieht die GO LT keine Regelung für den Fall vor, dass ein Abgeordneter an einem Widerspruch nach § 72 Abs. 2 Satz 2 GO LT gehindert war, weil ihm hierzu das
Wort nicht erteilt worden ist, oder weil ein wirksam erhobener Widerspruch übergangen worden ist. Deshalb mag es aus der Sicht der Antragsteller problematisch gewesen sein, welchen
Inhalt ein Geschäftsordnungsantrag in der 2. Sitzung hätte haben können. Indem die Antragsgegnerin zu 2. – bei Anwesenheit sämtlicher Mitglieder der Antragstellerin zu 1. – ausdrück-
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lich dem Plenum Gelegenheit gab, nunmehr über den bislang unbeschiedenen Geschäftsordnungsantrag formal abzustimmen, hat sie einen Weg zur Bereinigung eröffnet, welcher den
Antragstellern eine inhaltlich gleichwertige Alternative zu der entgangenen Möglichkeit der
Einlegung eines Widerspruchs gegen die Einberufung der 2. Sitzung zur Verfügung stellte.
Das war eine zulässige und sachgerechte Ausübung der Geschäftsordnungsgewalt. Zugleich
war damit für alle Beteiligten klargestellt, dass der Antragsteller zu 2. ein Recht auf Behandlung des Geschäftsordnungsantrags und Entschließung über das erneute Zusammentreten
des Landtages zum Zwecke der 1. Lesung des 13. Änderungsgesetzes hatte. Dies trug dem
Gedanken unverzüglicher Herstellung des von der Verfassung geforderten Zustandes in angemessener Weise Rechnung.
Statt die ihnen so eröffnete Gelegenheit wahrzunehmen, haben die Antragsteller den Saal
verlassen. Ihr Einwand, es habe sich um eine „illegale“ Sitzung gehandelt, in der wirksame
Anträge nicht hätten gestellt werden können, trifft nicht zu. Die Antragsteller folgern dies daraus, dass insoweit bereits vor der konstituierenden Sitzung – im Vor-Ältestenrat – eine Festlegung erfolgt sei, wie auch aus dem Umstand, dass die Wortmeldung des Antragsgegners
zu 2. am Schluss der konstituierenden Sitzung übergangen wurde.
aa) Zwar wurde ein Einvernehmen über die Durchführung der 2. Sitzung in der Ältestenratssitzung um 17.15 Uhr nicht erzielt. Aus dem vom Abgeordneten Köster in Bezug genommenen Brief ergibt sich, dass die Antragstellerin zu 1. am 16.10.2006 keine weitere Landtagssitzung durchgeführt sehen wollte. Indes ist das in der Geschäftsordnung verfassungsrechtlich
zulässigerweise geforderte „Benehmen“ weniger als ein Einvernehmen. Das Benehmen setzt
nur eine verfahrensmäßige Mitwirkung, nicht eine Zustimmung aller an der Entscheidung zu
Beteiligenden voraus. „Benehmen“ bedeutet allerdings, dass die hierzu verpflichtete Stelle
einen ernsthaften Versuch unternimmt, vor einer bestimmten Maßnahme das Einvernehmen
der Beteiligten zu erzielen. Daran fehlt es hier nicht. Sämtliche im Landtag vertretenen Fraktionen außer der Antragstellerin zu 1. hatten ihre Zustimmung zu der fraglichen Einberufung
erteilt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine solche Absprache bereits vor der konstituierenden Sitzung der Antragsgegnerin zu 1. im Vor-Ältestenrat erfolgt ist. Der Verlauf dieser
Ältestenratssitzung kann nur so gedeutet werden, dass sich alle übrigen Fraktionen außer
der Antragstellerin zu 1. diesen Standpunkt zu eigen gemacht und damit ihr Einvernehmen
mit der vorgesehenen Terminplanung bekundet haben. Damit war auf jeden Fall das in § 72
Abs. 1 Satz 1, 1. Var., GO LT geforderte Benehmen hergestellt.
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bb) Auch der Umstand, dass die Wortmeldung des Antragsgegners zu 2. am Schluss der konstituierenden Sitzung übergangen wurde, rechtfertigt keine andere Beurteilung.
Aus dem Übergehen der Wortmeldung folgt nicht die Unwirksamkeit der Einberufung der 2.
Sitzung. Diese richtet sich an alle Abgeordneten und hat, solange sie nicht förmlich aufgehoben oder durch einen Beschluss des Plenums ersetzt wird, unabhängig hiervon Bestand.
Wohl hat die Wortmeldung die verfahrensrechtliche Pflicht der Antragsgegnerin zu 2. ausgelöst, dem Antragsteller zu 2. das Wort zu erteilen und ihm so Gelegenheit zu geben, den Widerspruch förmlich anzubringen. Damit war gemäß § 72 Abs. 2 Satz 2 GO LT die weitere
Pflicht verbunden, eine Plenarentscheidung über die Einberufung der fraglichen Sitzung herbeizuführen. Zwar mag die Antragstellerin zu 1. auch in der Aufrechterhaltung der ausgesprochenen Einberufung zur 2. Sitzung eine Verletzung ihrer verfassungsrechtlichen Antrags- und
Mitwirkungsrechte gesehen haben. Indes verschafft das Übergehen der Wortmeldung den
Antragstellern lediglich ein Recht auf Wiederherstellung der mit dem Geschäftsordnungsantrag verfolgten Ausgangslage. Eben diesen Weg hatte die Antragsgegnerin zu 2. eingeschlagen.
c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Wortmeldung des Antragstellers zu 2. durch Heben beider Hände und Zuruf zugleich den Inhalt des beabsichtigten
Antrags, nämlich einen Widerspruch gegen die einmal ausgesprochene Einberufung, deutlich
machte. Selbst wenn ein Widerspruch gegen eine Einberufung erfolgt, bleibt es dabei, dass
dies die Einberufung nicht als unwirksam kennzeichnet, sondern lediglich die verfahrensrechtliche Pflicht auslöst, über den Widerspruch im Plenum abstimmen zu lassen oder, sofern dem nicht bereits in der gleichen Sitzung nachgekommen wurde, dem Widersprechenden möglichst schnell zu seinen Rechten zu verhelfen. Das Recht des Widerspruchs soll das
primäre Selbstversammlungsrecht des Parlaments im Streitfall zur Geltung bringen. Die
einmal ausgesprochene Einladung durch den Landtagspräsidenten hat freilich bis zu einer
gegenteiligen Entscheidung des Plenums selbst dann Bestand, wenn der Präsident einen
ordnungsgemäß gestellten Widerspruch übergeht. Nur ein Akt des Parlaments kann einen
Akt des Parlaments außer Kraft setzen. Die Gedanken der Rechtssicherheit und der Erhaltung von Funktionsfähigkeit des Parlaments, welche die geschäftsordnungsmäßigen Regelungen leiten, gebieten, dass die einmal an alle Mitglieder des Landtages ausgesprochene
Einladung erst dann hinfällig wird, wenn dieser eine andere Entscheidung trifft. Die subsidiäre
Zuständigkeit des Präsidenten wird damit erst durch die abweichende Entscheidung des Ple-
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nums hinfällig, das insoweit Herr des Verfahrens bleibt. Dieses befindet nicht über den Widerspruch, sondern – veranlasst durch den Widerspruch – über die Einberufung, wie sich
schon aus einer Zusammenschau der Sätze 1 und 2 des § 72 Abs. 2 GO LT ergibt. - An einem berechtigten Interesse fehlt es den Antragstellern auch, soweit sie die Feststellung begehren, die von der Antragsgegnerin zu 2. in der 2. Sitzung des Landtages Mecklenburg-Vorpommern am 16.10.2006, vorgenommene Einberufung der 3. Sitzung für denselben
Tag, 18.30 Uhr, (Antrag 1 d) verletzte sie in ihren verfassungsrechtlichen Rechten.
Zwar hat die Antragsgegnerin zu 2. insoweit zur Sitzung einberufen, ohne das Benehmen mit
dem Ältestenrat hergestellt zu haben. Indessen besteht kein Bedürfnis für die Feststellung
einer darin liegenden möglichen Verfassungswidrigkeit, nachdem die ursprüngliche Einberufung der 3. Sitzung für 18.30 Uhr durch die Einberufung der 3. Sitzung für 19.30 Uhr gegenstandslos geworden ist und sich erledigt hat.
C.
Die Anträge sind, soweit sie zulässig sind, unbegründet.
I.
Einberufung und Eröffnung der 2. Sitzung am 16.10.2006 (Antrag 1 a und c) verstoßen nicht
gegen die Landesverfassung. - Die Einberufung der 2. Sitzung des Landtages durch die Antragsgegnerin zu 2. entsprach
§ 72 Abs. 1 GO LT. Die Bestimmung konkretisiert zulässigerweise die Rechte und Pflichten
der Beteiligten im Hinblick auf die Einberufung des Landtages.
Wie bereits festgestellt (B III 1 b) aa)), erfolgte die Einberufung der 2. Sitzung des Plenums
im – in der Ältestenratssitzung um 17.15 Uhr hergestellten – Benehmen mit dem Ältestenrat.
Allerdings hat jedes Mitglied des Landtages das Recht, auf eine nach § 72 Abs. 1, 1. Var., GO
LT erfolgte Einberufung zu reagieren und durch einen Widerspruch gegen die Mitteilung von
Ort und Zeit der Sitzung durch den Landtagspräsidenten eine Entscheidung des Plenums über
den Zeitpunkt der nächsten Sitzung herbeizuführen (§ 72 Abs. 2 Satz 2 GO LT). Wird diesem
Recht nicht entsprochen, so kann darin eine Verletzung von verfassungsrechtlichen Antragsund Mitwirkungsrechten liegen; hierauf zielt – insoweit zutreffend – der bereits behandelte
Antrag 1 b).
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Die Verfassungsmäßigkeit der erfolgten Einberufung bleibt hiervon jedoch, wie unter B III 1 b)
bb) sowie c) ausgeführt, unberührt. Das Übergehen der Wortmeldung des Antragstellers zu - am Schluss der konstituierenden Sitzung verschaffte den Antragstellern lediglich ein
Recht auf Wiederherstellung der mit dem Geschäftsordnungsantrag verfolgten Ausgangslage. Diesen Weg hatte die Antragsgegnerin zu 2. beschritten, indem sie zu Beginn der 2.
Sitzung in Anwesenheit der Mitglieder der Antragstellerin zu 1. die weitere Durchführung
der Sitzung der Entscheidung des Plenums überließ.
Ein darüber hinausgehendes Recht der Mitglieder des Parlaments oder der von ihnen gebildeten Fraktionen auf Nichteinberufung des Plenums besteht nicht. - Es kann offen bleiben, ob und inwieweit die nachfolgende Eröffnung der 2. Sitzung sowie
die Feststellung der ordnungsgemäßen Einberufung und Beschlussfähigkeit des Landtages
(siehe Antrag 1 c) eigenständigen rechtlichen Gehalt aufweisen. Jedenfalls folgt aus dem
Vorstehenden, dass diese im Ergebnis keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegen.
Im Gegenteil suchten sie, die durch das Übergehen der Wortmeldung des Antragstellers zu 2.
entstandene unübersichtliche Lage unter den gegebenen Umständen schnellstmöglich zu
bereinigen.“
LVerfG Mecklenburg-Vorpommern: Gesetzesbeschluss und Konstituierung des Landtags(NordÖR 2007, 407 ff.)
V. Unzuständigkeit des VerfGH/Mangelnde Justitiabilität
Auch wenn verfassungsrechtlich verbürgte Mitwirkungsrechte der Antragsteller, die aus entgegenstehendem Verfassungsrecht vom Gesetzgeber selbst in eine zeitliche Ordnung eingeordnet wurden und nach Vollendung der Konstituierung mit Erlangung der vollen Funktionsfähigkeit des Landtages vollständig verwirklicht bzw. „nachgeholt“ werden können, eine
Rolle spielen, geht es letztlich u reine Parlamentsinterna, zu deren Entscheidung die Verfassungsgerichtsbarkeit nicht berufen ist. Das BVerfG führte hierzu aus:
„58c) Bei der Entscheidung darüber, welcher Regelungen es zur effektiven Selbstorganisation und zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs bedarf,
kommt dem Deutschen Bundestag ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfGE
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10, 4 (19 f.) = NJW 1959, 1723; BVerfGE 80, 188 (220) = NJW 1990, 373 = NVwZ 1990,
253 Ls.; BVerfGE 84, 304 (322) = NJW 1991, 2474 = NVwZ 1991, 977 Ls.; BVerfGE 112,
118 (150) = NJW 2005, 203 = NVwZ 2005, 437 Ls.; BVerfGE 140, 115 (155) Rn. 102 =
NVwZ 2015, 1751). … - a) Das BVerfG hat die Autonomie des Parlaments bei der Ausgestaltung seiner inneren
Ordnung zu beachten. Mit dessen Bedeutung als Volksvertretung und allein unmittelbar demokratisch legitimiertes Verfassungsorgan wäre es nicht vereinbar, wenn andere Organe
die innere Organisation des Parlaments bestimmen könnten (vgl. Kühnreich, Das Selbstorganisationsrecht des Deutschen Bundestages unter besonderer Berücksichtigung des
Hauptstadtbeschlusses, 1997, 59 f.). Demgemäß ist nicht nur der Erlass, sondern auch
die Auslegung und Anwendung der Geschäftsordnung grundsätzlich Sache des
Deutschen Bundestages selbst und der von ihm damit beauftragten Organe. Den
Bestimmungen der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages kommt für sich
genommen keine verfassungsrechtliche Qualität zu.
61Die gebotene Beachtung der Parlamentsautonomie hat zur Folge, dass Ausgestaltung
und Anwendung der Geschäftsordnung durch den Deutschen Bundestag beziehungsweise
durch seine hierzu berufenen Organe nur eingeschränkter verfassungsgerichtlicher
Überprüfung unterliegen (vgl. H. H. Dürig/Herzog/Scholz/Klein, GG, Art. 40 Rn. 56 (Juli
2021); Brocker, BK, Art. 40 Rn. 269 ff. (Dez. 2021); v. Mangoldt/Klein/Starck/Schliesky, GG
II, 7. Aufl. 2018, Art. 40 Rn. 25). Hinsichtlich der Auslegung und Anwendung der Geschäftsordnung findet lediglich eine am – im Rahmen von Art. 38 I 2 GG zu beachtenden –
Grundsatz der fairen und loyalen Anwendung (vgl. BVerfGE 1, 144 (149) = NJW 1952,
537; BVerfGE 84, 304 (332) = NJW 1991, 2474 = NVwZ 1991, 977 Ls.; BVerfGE 96, 264
(285) = NJW 1998, 3037; BVerfGE 154, 1 (11) Rn. 28 = NVwZ 2020, 1034) und den anerkannten Auslegungsmethoden orientierte Kontrolle daraufhin statt, ob diese evident sachwidrig sind (vgl. Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, 1998, 279; v. Münch/Kunig/Groh, GG I, 7. Aufl. 2021, Art. 40 Rn. 20 f.).“
BVerfG Urt. v. 22.3.2022 – 2 BvE 2/20 58 ff.
Diese speziellen Voraussetzungen einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung parlamentarischen Binnenrechts liegen hier ersichtlich nicht vor und wurden von den Antragstellern
auch nicht vorgetragen.
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Der VerfGH hat auch deswegen keinen Zugriff auf die Materie, da die Auslegung der GO
gem. § 121 GOLT dem während der Sitzung amtierenden Präsidenten obliegt,
Vgl. zum Bund: Dürig/Herzog/Scholz/Klein/Schwarz, 104. EL April 2024, GG Art. 40
Rn. 34-75
hier also dem Alterspräsidenten. Wollte man dies bestreiten als eine der „Kompetenzen“,
die dem gewählten, nicht aber dem Alterspräsidenten zustehen sollen, so wäre die Forderung nach Leitung einer Geschäftsordnungsdebatte durch den Alterspräsidenten ohnehin
absurd. Wir befinden uns noch immer in dieser präsenten Sitzung.
§ 121 GOLT lautet:
„Auslegung der Geschäftsordnung im Einzelfall
(1) Während einer Sitzung auftauchende Zweifel über die Auslegung der Geschäftsordnung entscheidet die Präsidentin beziehungsweise der Präsident.
(2) Erheben mindestens zehn Abgeordnete oder eine Fraktion Einspruch gegen die
Entscheidung, beschließt nach Prüfung durch den Justizausschuss der Landtag.“
VI. Falscher Antragsgegner
Der Alterspräsident hat § 1 der Geschäftsordnung des Landtages iVm § 1 ThürGOG ohne
zusätzliche, in irgendeiner Weise überschiessende Auslegungen etc. angewendet. Er hat
sie angewendet exakt in der Weise, in der dies seine Vorgänger in der gesamten, die Verfassungstradition Thüringens bildenden Zeit getan haben. Zu behaupten, es gehe hier um
ein verfassungsrelevante „persönliches Fehlverhalten“ des Alterspräsidenten“, das sein
Verhalten dem Landtag nicht zurechenbar erscheinen ließe, scheidet von vornherein aus.
Das völlig indiskutable und rechtswidrige Verhalten von einzelnen Mitgliedern der Landtagsverwaltung ändert daran selbstverständlich nichts.
Vor diesem Hintergrund wären die Anträge ausschließlich gegen den Landtag zu richten
gewesen.
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VII. Keine wirksame Vollmacht
Die von den Antragstellern erteilten Prozessvollmachten datieren interessanterweise von zurückliegenden Terminen. entweder, der „Verfassungs-„Rechtsstreit war zu diesem Zeitpunkt
noch nicht hinriechnd konkretisiert oder es zeigte sich, dass die Antragstellerseite hier bewusst rechtsmissbräuchlich vorgeht und eine unzulässige Politisierung des VerfGH erreichen
will.
Nach alledem sind die Anträge vollumfänglich unzulässig.
Datum, Unterschrift
einen Widerspruch zu § 1 Abs. 4 GO-LT und erforderte daher eine Abweichung von der Ge
Die Entscheidung ist gefallen und die AfD damit faktisch in der Daueropposition festgenagelt.
Wie stellt sich die Partei ihre künftige Tätigkeit bei erwartbarem, progredientem Ausschluß von weiteren Institutionen eigentlich vor?
Wie wird sie – speziell in Thüringen – das Kunststück fertigbringen, Höcke (als gutem Taktiker/Kompanieführer, aber nach meiner Einschätzung nur mittelmäßigen Politiker) den Fraktionsvorsitz zu lassen, ihn aber als einzigen Frontmann mittelfristig abzulösen?
Und: werden die Wähler bei der Fahne bleiben oder gelingt es dem Kartell, die Partei in der Bedeutungslosigkeit zu ersticken? Ist ja auch eine Geldfrage.
Jetzt kommt es auf das Thüringer Verfassungsgericht an.
Ich nehme an, die Damen und Herren werden gehörig unter Druck gesetzt werden, einen offensichtlichen Rechtsbruch abzusegnen.
Ich bin gespannt, wieviel Rechtsstaaat noch in Deutschland steckt bzw. wie stark Merkels „Herrschaft des Unrechts“ bereits etabliert ist.
Wer immer noch glaubt, die CDU wäre eine konservative, wertebasierte Partei, der trinkt seinen Kaffee auch mit Salz.
Die Würfel sind also gefallen. Wenn die Regeln den Herrschenden nicht gefallen, werden sie nachträglich geändert, so einfach ist das.
Auch die Justiz schützt nicht mehr das Recht, sie ist nur noch willfähriges Organ der etablierten Parteien.
Der AfD und damit über 30% der Bevölkerung gesteht man nicht einmal einen Vizelandtagspräsidenten zu.
„Wir sind mehr“, sagt der Einheitsblock der Altparteien und die Massenmedien trommeln ihre verdrehte Wahrheit in die Hirne der Schafe. Armes Deutschland.
Ich glaube, dass dies ein Pyrrhussieg für die CDU war, der sie weitere Stimmen kosten wird.
Gleiches gilt für das selbstverschuldet entzauberte BSW.
zwei Dinge muß man m.E. unterscheiden:
1. wie verhalten sich die Menschen / Wähler
2. wie wird das ganze in der politisch interessierten / aufgeklärten Szene wahrgenommen
zu 1.
schwer zu sagen. Wahrscheinlich ist der negative Kollateralschaden für das BSW größer als für die AfD – und zwar bundesweit
zu 2.
es haben sich zum Thema national als auch teilweise international zwei große Blöcke (auch in den Medien) für pro und für kontra gebildet. Voraussetzung für die Pro-AfD-Auffassung ist aber, dass man sich mit gesundem Menschenverstand und etwas Kenntnis der Materie mit dem Sachverhalt befasst – sozusagen unvoreingenommen, die Absicht der CDU-Aktion erkennend.
die meisten Michels vor allem im Westen werden sich dem zu erwartenden Triumpfgeheul der MSM und Blockparteien der nächsten Tage anschließen.
Es könnte ein Wendepunkt sein – für Alles oder für Nichts.
Der Richterspruch ist m.W. nicht revisionierbar.
Verfassungsrichter mit Parteibuch in der Tasche. Das spricht doch Bände!
Es lohnt sich nicht darüber zu spekulieren, ob der Richterspruch Recht oder Unrecht ist.
Man kann es drehen wie man will: Recht wurde zu Unrecht und Unrecht wurde zu Recht.
In der damaligen DDR-Justiz stand auch immer schon vor der jeweiligen Verhandlung fest, wie der Richterspruch zu lauten hat.
Übrigens.
Ein Richter, Jörg Geibert (ehem. CDU-Innenminister von Thüringen), des Verfassungsgerichtshofs in Thüringen ist der Vater von Lennart Geibert (CDU), Mitglied des Thüringer Landtages.
Beziehungen schaden nur dem, der sie nicht hat.