Wird Zeit, dass sie erwürgt werden wie tolle Hunde

Einige Bemerkungen zum Bauernkrieg 1525 und seinem Jubiläum 2025 von Helmut Roewer

Fast alle Ereignisse, die 500 Jahre zurückliegen, haben den Charme, dass sie längst vergessen sind.
Die raren Ausnahmen regen die Phantasie an, denn irgendwas haftet ihnen an, dass sie sich im
Volksgedächtnis behaupten konnten. Und sei es so etwas Profanes wie der Bundschuh, die
Fußbekleidung der armen Leute, der zum Symbol des Aufruhrs wurde. Den Gründen hierfür werden
wir im Folgenden ein wenig Aufmerksamkeit zuwenden.

Erster Teil: das Geschehen

Eins

Das Ereignis selbst ist der Bauernkrieg, der 1524/25 in Deutschland stattfand. Genauer gesagt, gab es
in der fraglichen Zeit an einigen Stellen im Lande Zusammenrottungen von Unzufriedenen, die in
eher wenigen Fällen in Gewalttätigkeiten ausarteten und die sodann von der herrschenden Obrigkeit
niedergeschlagen wurden.

Der Aufruhr war auf wenige Orte in Südwestdeutschland, Franken und Thüringen beschränkt. An
raren Stellen kam es zu direkter bewaffneter Konfrontation zwischen bäuerlichen Haufen – wie man
damals sagte – und Armeen der Fürsten, die aus Landsknechten bestanden, die man zur
Unterdrückung der Aufständischen rekrutiert hatte. Aus den bewaffneten Zusammenstößen ragt ein
einzelnes Ereignis heraus – ein Geschehnis, das man später als die Schlacht von Frankenhausen
bezeichnet hat.

Die Bezeichnung Schlacht von Frankenhausen führt bereits begrifflich in die Irre, denn man stellt
sich unwillkürlich ein kriegerisches Großereignis mit dem Aufeinanderprallen von zwei Heeren vor,
das jedoch in Wirklichkeit gar nicht stattfand. Richtig ist vielmehr – soweit ich habe rekonstruieren
können –, dass das Fürstenheer am 15. Mai 1525 den bei Frankenhausen versammelten
thüringischen Bauernhaufen angriff und alle, die nicht rechtzeitig fliehen konnten, an Ort und Stelle
abschlachtete.

Dem Ereignis die Bezeichnung einer Schlacht zuzuweisen, erscheint mir schon deswegen fehl am
Platze, weil die Verluste der Fürstenarmee ganze sechs Landsknechte betragen haben soll.

Zwei

Ein bewaffneter Aufstand, wie ihn der Bauernkrieg darstellt, passiert nicht von selbst. Er braucht
einen Auslöser, vielleicht so gar ein ganzes Bündel von Auslösern, die, wenn sie gemeinsam
auftreten, zur Explosion führen. Irgend so etwas muss also in den Köpfen der später dann
Aufständischen stattgefunden haben, was sie schlussendlich veranlasste, sich zusammenzurotten
und zur Waffe zu greifen.

Dies zu ergründen, ist ein kurzer Blick auf jenes ferne Deutschland des beginnenden 16.
Jahrhunderts nützlich. Man lebte in einer Welt der göttlichen Ordnung. Die Allmacht Gottes war
unbestritten, ebenso auch die von ihr abgeleitete Teilung der Gesellschaft in Stände deren drei
Kategorien den Adel, den Klerus und die Bauern umfassten. Wer wohin gehörte, stand fest. Sich
dagegen aufzulehnen, war Sünde. Dem Sünder drohte das Fegefeuer.

Dieses Dogma hatte jedoch bereits unübersehbare Kratzer davongetragen. Der Ruf Stadtluft
macht frei, also die deutliche Unterscheidung zwischen Stadt- und Landbewohnern mochte ebenso
wenig in das Dreier-Schema passen, wie die Nachrichten aus dem Süden, die nichts Gutes bedeuten
konnten. Es waren dies zweierlei Nachrichten, die jeden beunruhigen mussten, der der göttlichen
Ordnung vertraute.

In Italien waren gut hundert Jahre zuvor intelligente und wohl auch mächtige Männer auf die
Idee verfallen, längst verschollen geglaubte Schriften der Vorväter zu suchen und nach der
Entdeckung zu lesen. Die Welt des klassischen Denkens der Römer und Griechen entfaltete sich vor
ihren Augen. Man hat diese Zeit, in der das Ich wiederentdeckt wurde, später als die italienische
Renaissance bezeichnet. Das war das eine.

Hinzu kam nun, dass fromme deutsche Theologen, die damals nach Rom zu pilgerten pflegten,
bei ihrer Rückkehr schlimme Nachrichten über die dortigen Ausschweifungen, an denen vor allem die
kirchliche Obrigkeit Anteil hatte, in die Welt nördlich der Alpen mitbrachten. Diese Neuigkeiten
hatten unabsehbare Folgen. Manch einem reifte die Erkenntnis, dass es nötig wäre, vor der eigenen
Kirchentür zu kehren. Das war dann, vereinfachend gesprochen, der Beginn der Reformation in
Deutschland.

Mit dem Bauernkrieg hat das insofern zu tun, als fast unübersehbar dem dritten Stand deutlich
wurde, dass nicht alles so wie gewohnt göttlich gefügt war. Oh nein, der Priester war plötzlich nicht
mehr der Torwächter zum Himmel. Viele begriffen diese Neuigkeit durchaus auch im weltlichen Hier
und Jetzt. Der Gedanke brach sich Bahn, dass, wer den Priester nicht benötige, auch des Grundherrn
nicht länger bedürftig sei. Es folgte alsbald, so wie es bei neuen Erkenntnissen zu gehen pflegt, die
große Stunde der Verwirrten. Sie riefen zum Bildersturm und zum Glockenleuten auf.

Der Gedanke des Aufstands scheint uns Heutigen fast naheliegend zu sein – jedenfalls dann,
wenn wir von unsern Vorfahren sprechen. Doch bei denen waren es zunächst wenige, denen der
Gedanke kam. Zyniker behaupten, dass dies zunächst in den Gegenden Deutschlands geschah, in
denen auch Wein angebaut wurde. Diese Gegend am Bodensee bereiste ich neulich, wo der
Überlieferung nach der Bodenseehaufen sein Unwesen trieb, und sah mir dort die Leute an. Sie
erwiesen sich in bemerkenswerter Weise in Wort und Widerwort als erstaunlich widersätzlich. Der
obrigkeitliche Impfwahn zeigte hier tiefsitzende Spuren.

Doch zurück ins Jahr 1624/25: Zunächst klangen die Forderungen der Aufrührer vernünftig:
Begrenzung der Abgabenlasten, Einschränkung der Hand- und Spanndienste, Aufhebung der
Leibeigenschaft, Wahl- und Abberufungsrecht gegenüber dem Ortspriester. Es gab zahlreiche
Varianten, nicht überall war die Grundherrlichkeit uneinsichtig. Manche fürchteten sich wohl auch
vor der Gewalt der Überzahl. Bis es dann nach Monaten von Vertragsschlüssen und deren Nicht
Einhalten am 16. April 1625 in Weinsberg so weit kam, dass Gewalt ausbrach, die ersten
Herrenhäuser niedergebrannt und deren Inhaber durch standgerichtliche Entscheidungen der
Aufständischen zum Tod durch Spießrutenkaufen verurteilt wurden, was man den Sitten der Zeit
gemäß sofort vollstreckte.

Das sprach sich nach allen Seiten in Windeseile rum. Jetzt wurde es ernst. Den sonst mit ihrem
wechselseitigen Zank auskömmlich beschäftigten Adligen wurde im wahrsten Sinne des Wortes
brennend klar, dass es um Entscheidungen ging, die das Zeug hatten, ihrem Wohlleben ein für alle
mal den Garaus zu machen. So kam es zur Fürsten-Allianz, die Landsknecht-Heere anzuwerben und
mit geeigneten Führers zu versehen verstand.

Das Schicksal nahm, wie man so sagt, seinen Lauf. Nach einigen Scharmützeln stellte man einen
der Bauernhaufen im Thüringischen bei Frankenhausen. Die Zahl der Toten wurde später mit 8.000
angegeben. Andere Überlieferungen sprechen von anderen Zahlen. Das ist nichts Ungewöhnliches.
Die Zahl der Toten pflegt mit dem weiter und weiter Erzähltwerden drastisch anzusteigen.
Wie dem auch sei, es muss ein grässliches Abschlachten dort auf dem Hang oberhalb der Stadt
stattgefunden haben. Wer nicht entfliehen konnte, war hernach tot. Die Kunde davon muss sich
blitzartig in der Stadt und auch nach Mühlhausen verbreitet haben. Die dortigen Frauen und
Jungfrauen unternahmen, von den Stadtoberen angestiftet, ungesäumt einen Bittgang ins
Fürstenlager, die Sieger möchten doch die Stadt verschonen.

Wie das ausging, vermag ich nicht zu sagen, allerdings stelle ich mir angesichts der damaligen
Landsknecht-Bräuche vor, dass von den Frauen und Jungfrauen vor allem die Letztgenannten
anschließend keine solchen mehr waren. Zu auffällig sind die einschlägigen Details dieser Krieger in
den zeitgenössischen Darstellungen abgebildet.

Drei

Als bemerkenswert mag die Rolle der Geistlichkeit in diesem Drama bezeichnet werden. Der Blick des
Betrachters fällt fast automatisch auf zweie von denen, Martin Luther und Thomas Müntzer. Sie
beide gehörten zum Kreise der Reformatoren.

Der Name Reformator besagt es bereits: Diese wollten die Kirche keineswegs zerstören. Dass sie
es letztlich dennoch taten, oder besser gesagt: hiermit begannen, konnte keiner der Beteiligten
ahnen. Indessen: Der Kreis der Reformatoren war viel größer, als es diese beiden in der Erinnerung
des Volkes haften gebliebenen Namen erahnen lassen. Sie stammten fast alle aus dem geistlichen
Stand, waren Gelehrte der Theologie und hatten Konzepte erdacht, wie man der Kirche und dem
christlichen Glauben wieder Schwung verleihen könne. Es lohnt heute kaum, sich in die Feinheiten
ihres Denkens hineinzuversetzen. Wichtig ist lediglich, dass sie miteinander in Kontakt standen und
auf ihre diffizile, auf die theologische Art miteinander im Wettstreit lagen, der sich gemäß den Sitten
der Zeit eher wie ein grässliches Verfluchen und zur-Hölle-wünschen anhört.

Überhaupt die Hölle: sie war unten, der Himmel war oben und der Herrgott sah alles. Es lag auf
der Hand, dass diese gelehrten Männer in den ausbrechenden Streit des Bauernkrieges eingriffen.
Wenigstens verbal. Nach anfänglicher Sympathie steuerte Luther um. Ihm entfuhr gegenüber den
Bauern-Aufständischen das in der Überschrift genannte Zitat (…wird Zeit, dass sie erwürgt werden
wie tolle Hunde). So wird jedenfalls berichtet. Ich lege die Hand nicht dafür ins Feuer, dass es stimmt.
Ganz anders Thomas Müntzer. Etwa 17jährig war er zum Priester geweiht worden. Auch er
schlug zunächst eine theologisch-wissenschaftliche Laufbahn ein. Doch dann entschied auch er sich
anders. Als äußeren Ausdruck seines Abschieds von den Kirchen-Zwängen heiratete er und ließ sich
zum Ortspfarrer bestellen. Das war im thüringischen Mühlhausen, wo er flammende Reden hielt. Den
Aufständischen, die sich um ihn sammelten, versicherte er ihre Unbesiegbarkeit, weil der Herrgott
auf ihrer Seite sei.

An jenem 15. Mai 1525 erwies es sich, dass seine Prophezeiung nicht der Gewalt der fürstlichen
Landsknechte nicht standhielt. Müntzer wurde gefasst, einige Tage lang gefoltert und schließlich am siebenundzwanzigsten Mai 1525 vor den Stadttoren von Mühlhausen geköpft. Sein Kopf wurde aufgespießt und als abschreckendes Beispiel ausgestellt. Nun, wie gesagt, die Sitten der Zeit waren etwas andere als heute.

Vier

Es war nicht so, dass nach der sogenannten Schlacht von Frankenhausen am 15. Mai 1525 und der
Hinrichtung von Thomas Müntzer und rund 50 seiner Mitgefangenen am 27. Mai 1525 der
Bauernkrieg formell zu Ende gewesen wäre. Das Ende von Müntzer und Co kam so prompt, dass
nicht einmal Zeit blieb die Delinquenten zu portraitieren. Die heute sattsam bekannten Portraits von
Müntzer sind reine Phantasieprodukte späterer Tage.

Wenn man auf den Gesamtverlauf des Bauernkrieges schaut, fällt auf, dass sich das Ende der
übrigen Aufstände ohne größeren Verzug an das Massaker von Frankenhausen anschloss. Der
Schreck muss wohl allen Beteiligten in die Glieder gefahren sein. Ich will den Schock des Endes nicht
über-interpretieren, doch scheint mir die Annahme nicht abwegig, dass der Schrecken über das
gewaltsame Ende dieses einzigen bemerkenswerten Volksaufstands in Deutschland sich wie ein
Leichentuch über die deutsche Seele gelegt hat. Nicht noch einmal, so lautete die Botschaft. Sie saß
tief.

Die Aufrührer zerstreuten sich in alle Winde. Zwar gab noch hie und da kleinere
Auseinandersetzungen, doch jetzt dominierten die Versuche, die Empörer an den Galgen zu bringen.
Einer der Aufgegriffenen war der schon damals berühmt-berüchtigte Ritter Götz von Berlichingen,
der auf der verkehrten Seite gefochten hatte. Die rechte Hand war ihm nicht bei dieser Gelegenheit,
sondern schon viel früher abhanden gekommen, als er mit einer Kanone Erfahrungen sammeln
wollte. Jetzt stellte man ihn vor ein Gericht seiner Standesgenossen, die ihn zu Hausarrest
verurteilten. Das war vergleichsweise milde und eine einigermaßen zuverlässige Methode für ihn, um
uralt zu werden. Das gelang.

Ganz anders verlief das Schicksal der Landsknechts-Haufen, die auf beiden Seiten mitgefochten
hatten. Sie wurden aufgelöst, oder genauer: sie lösten sich selbst auf, denn niemand zahlte ihnen
weiter den Sold. Doch damit war das Problem der Landsknechte nicht vom Tisch. Aus den
widersprüchlichen Überlieferungen folgere ich, dass sie weiter das taten, was sie ohnehin
bevorzugten: marodieren, streiten, saufen, plündern und Weiber vergewaltigen. Hierbei sorgten sie
für die Verbreitung ihrer Geschlechtskrankheiten. Etliche zog es auch über die Alpen nach Italien, wo
es dank der Stadtstaaten-Rivalitäten und deren Dauerstress stets Bedarf an rücksichtslosen Kämpfern
gab. Da dort auch gerade wieder einmal die Pest wütete, werden viele dort ihr verdientes Ende
gefunden haben.

Bleibt noch ein Blick auf die übrigen Überlebenden. Die Fürsten und die Theologen fuhren da
fort, wo sie durch den Bauernaufruhr unterbrochen worden waren. Sie stritten über den richtigen
Glauben, die Reformatoren und ihre Gegner mit spitzer Feder und großem Getön von der Kanzel
herab, die Fürsten hingegen mit kaltem Kalkül, welche der Glaubensvarianten ihrer Herrschaft die
größeren Vorteile versprach. Das Volk hatte ohnehin kaum noch Einfluss. Es hatte zu glauben, was
der Herr gebot.

Fünf

Der Bauernkrieg mit der sogenannten Schlacht von Frankenhausen ist insofern von eigenwilliger
Bedeutung, weil sich das Geschehen nicht nur ungewöhnlich schnell herumsprach, sondern zudem,
ich sagte es bereits, im Gedächtnis des Volkes haften blieb.

In den folgenden Jahrhunderten hielt sich diese Erinnerung bis zum heutigen Tage. Sie regte
Künstler, Politiker und Festveranstalter an. Hierbei veränderten sich die Gestalten und ihre
vermeintliche Bedeutung. Das ist zum Teil nicht ohne Witz geschehen. Dass die Nazi (die echten) den
Bauernkrieg für eine dolle Sache hielten, bedarf kaum des Kommentars. Jene Aufrührer wurden
mühelos zu Vorreitern des, wie man damals so sagte, deutschen Volkserwachens.

Mit der Teilung Deutschlands driftete die Geschichtsbetrachtung auseinander. Im Westen
mühten sich meinungsstarke theologische Kräfte, die Ereignisse in die deutsche Kollektivschuld
einzuordnen. Man wurde nicht müde, auf die antisemitischen Sentenzen des Reformators
hinzuweisen und seine Bibelübersetzung umzugestalten. Sie nannten das in ihrem Holperdeutsch,
den Text verstehbar zu machen. Gnadenlos ruinierten sie Luthers großes Sprachgemälde,
rücksichtslos und ohne Kenntnis, dass sie eines der größten Werke der deutschen Literatur
unterpflügten, den Grundstein unserer modernen Sprache.

Die DDR ging einen eigenen, einen eigenwilligen Weg. Sie grub Thomas Müntzer aus der
Klamottenkiste aus und ernannte ihn zum Vorreiter des Sozialismus auf deutschem Boden. Das ging
gleich nach Kriegsende los, als man entdeckt hatte, dass Müntzers Bauernaufstand und die
sozialistische Bodenreform zwei Seiten derselben Medaille sind. Luther musste dagegen ein
Schattendasein führen, bis die Propagandisten in den 1980er Jahren plötzlich herausfanden, was für
ein prächtiger Volksheld dieser Mann doch war. Ich wurde seinerzeit den Verdacht nicht los, dass
diese plötzlich übers Land gekommene Luther-Renaissance ein Vorstoß war, das Nationale, und zwar
das eigenständig DDR-Nationale, zur Abgrenzung vom West-Staat zu kreieren.

In diesen Rahmen gehörte auch ein Kolossal-Gemälde zum Bauernkrieg. Der Star-Maler Tübke
schuf es im eigens errichteten Turmbau auf der Anhöhe oberhalb von Frankenhausen. Ob die DDR
Oberen der Schlag traf, als sie mitbekamen, was er dort schuf, entzieht sich meiner Beurteilung, Klar
ist nur, dass sie sich damit beeilen mussten, denn als Tübke fertig war, war es auch die DDR.

Sechs

Dieses Jahr begeht man das 500jährige Gedenken an den Bauernkrieg. Die hiesige Obrigkeit hat zu
diesem Zweck das Volk mit einer Landesausstellung beschenkt, die an zwei Orten und daselbst in fünf
Standorten zu besuchen ist. Ich tat’s in drei Anläufen, zumal als ich viel Schmähkritik gelesen hatte.
Ein eigener Eindruck bewahrt womöglich vor Fehlurteilen.

Der Schwerpunkt der Schau liegt in Mühlhausen, dort sind Veranstaltungsorte zwei vom
christlichen Ritus suspendierte Kirchen und das Landesmuseum. Die Ausstellungen sind thematisch
dreigeteilt: das Kriegsgeschehen (Kirche am Kornmarkt), das bäuerliche Leben (Marien-Kirche) und
die Rezeption des Bauernkrieges im Laufe der Jahrhunderte bis heute (Museum am Lindenbühl). Alle
drei Ausstellungen sind hinsichtlich der präsentierten Objekte und den beigegebene Texten knapp
gehalten. Fast möchte ich sagen: wohltuend knapp gehalten. Gegen die Schau zum Kriegsgeschehen
in der Kornmarktkirche richtete sich die meiste Kritik, weil dieser oder jener fehlerhaft oder gar nicht
gewürdigt werde. Das ist sicher Ansichtssache.

Anders war mein Eindruck in der Marien-Kirche. Es ist ein etwas albern wirkender Wandelgang
installiert, der durch die bäuerlichen Gezeiten führen soll. Hier hätte ich mir deutlich mehr
Anschauungsmaterial gewünscht. Vielleicht wurde ich auch durch den Kirchbau selbst abgelenkt. In
einem in die Kirchner-Wohnung führenden Treppenaufgang finde ich Einzelheiten und Zeichnungen
zur Kirchbaugeschichte, die weit ins Mittelalter zurückreicht, viel weiter, als es der gotische
Prachtbau erahnen lässt.

Die dritte Ausstellung im Museum am Lindenbühl ist für mich die witzigste. Hier dominieren
Objekte aus dem 20. Jahrhundert, vor allem aber aus der DDR. Natürlich fehlt der Hinweis nicht, dass
die Nazis (die echten) Antisemiten waren. Okay, darauf wäre ich sonst nicht gekommen, als ich unter
den prächtigen Marionettenfiguren die Karikatur eines Kaftan-Juden entdecke. Neben dem Museum
befindet sich das Haus der Kirche, wo gerade eine halbe Hundertschaft Äthiopier eine Hochzeit feiert.
Im Übrigen ist in dieser Gegend kein Mensch zu sehen.

Und sonst? In Mühlhausen einen Abstecher ins Alte Rathaus zu machen, kann ich empfehlen. Es
stammt aus dem Hochmittelalter und ist deutlicher Nachweis für die einstige überragende
Bedeutung der Stadt mit ihrer rings umlaufenden Stadtmauer. Jedes Mal wieder – und auch hier –
bin ich verblüfft, wie niedrig diese Mauern waren.

Ansonsten ist anzumerken, dass die Stadt am Samstagmittag wie ausgestorben daliegt. Eine
rühmliche Ausnahme bildet eine originelle Buchhandlung mit kombiniertem Café an der Marien
Kirche. Es ist wie eine Oase im Nichtgeschehen. Ich bekomme dort zum Abschied von der Besitzerin
ein Glas Mühlhäuser Freiheitsmus geschenkt.

In Bad Frankenhausen sind auf meinem Reiseplan zwei Punkte markiert: das Bauernkriegs
Panorama und das Regionalmuseum im ehemaligen Schloss. Lauffaule und Gehbehinderte seien
gewarnt. Der Parkplatz des Panorama-Museums (gebührenpflichtig) liegt fernab vom Museumsort.
Aber man kann auch außerhalb der geteerten Fläche wunderbar das Auto abstellen. Ich schlendere
am Sonntagmittag gemächlich zum Panorama-Bau, dem die Einheimischen – ganz sicher zum
Verdruss der damaligen Obrigkeit – den Spottnamen Elefantenklo verpassten.

Da ich um diese Zeit so ziemlich der einzige Besucher bin, werde ich ständig von Aufsichtsführern
umstellt, die mich bedeutungsschwer auf das Fotografier-Verbot in allen Räumen hinweisen. Das ist
insofern lästig, weil in den Ausstellungsräumen im Zwischengeschoss eine große Zahl
zeitgenössischer Bilder aus der Bauernkriegszeit zu sehen ist. Die Beschriftung der Objekte darf
minimalistisch genannt werden: Kurzer, meist sehr kurzer Bildtitel, ggf. Hersteller und schließlich der
Leihgeber. Sonst nichts. Ich füge mich, wenn auch murrend dem Fotografier-Verbot, weil ich
annehme, einen passenden Katalog kaufen zu können, in dem ich das Gesehene gründlich
nachvollziehen kann. Gibt aber keinen.

Oben in der runden Ausstellungshalle lasse ich mit Muße das Kolossal-Gemälde von Tübke auf
mich wirken. In der Mitte auf einem tischgroßen Platz sitzend, umrunde ich rutschend dreimal die
Bilderflut. Es ist dunkel und totenstill im Raum. Die wenigen mit mir Anwesenden flüstern ab und zu – bestenfalls. Das ist für die Konzentration angenehm, wiewohl ich mir vorstelle, dass ein
Riesenradau für das Schlachtengemälde eher angemessen wäre.

Am Hang unterhalb des Museumsbaus befindet sich das vormalige Schlachtfeld vom Mai 1523.
Trockenrasen und krüpplige Nadelbäume. Hier also wurden der Überlieferung nach die
Aufständischen zu Tausenden abgeschlachtet. Archäologen legen angesichts der Zahlen die Stirn in
Sorgenfalten. Immerhin: Eine Feldschlacht im herkömmlichen Sinne kann es nicht gewesen sein,
denn die vereinigten Fürsten verloren angeblich ganze sechs Mann. Als ich das Gelände auf mich
wirken lasse, ziehen, wie von einer geschickten Regie gesteuert, dunkle Wolken auf, und es fängt an
zu regnen.

Bei einem kurzen und abschließenden Abstecher ins Regional-Museum im ehemaligen Schloss,
wo ich der einzige Fremde bin, versuchen die amtlichen Kräfte mich von der Qualität des
dargebotenen, auf Flaschen gezogenen Schnapses zu überzeugen. Frage zur Sicherheit, ob sie den
heute schon getrunken haben. Wir verabschieden uns gutgelaunt voneinander. Die Fahrt aus der
Stadt heraus nach Süden bietet einen überraschend schönen Blick ins weite, tiefer gelegene Tal der
Unstrut.

©Text Helmut Roewer, Juli 2025