Auch der Kauf von Antiksilber hat Tücken

Silber ist seit jeher das Gold des kleinen Mannes. Einige Silberfreunde kaufen Anlagemünzen und Barren, andere erwerben Sammlermünzen und wiederum andere sammeln antiquarisches Silber. Also Kunstgegenstände wie Leuchter, Dosen, Bestecke, Kännchen…

Heute will ich für letztere Silberfreunde einige Rätsel auflösen.

Viele Silbergegenstände sind gepunzt. Das heißt, daß sie mit geheimnisvollen Zeichen gemarkt wurden. Es sind meistens Stadtmarken, Meistermarken, Silbergehaltsangaben und Steuerstempel.

Schon seit langer Zeit spielten dabei staatliche und städtische Regelwerke eine Rolle. In vielen Ländern bildeten sich frühzeitig nationale Regelwerke heraus.

In London wurde seit 1558 nach einem Regelwerk verfahren, welches beispielhaft ist und bis 2001 fortgeführt wurde. Ein schreitender Löwe sagt daß es sich um 925/1000 Silber handelt. Ein Löwenkopf (bis 1821 mit Krone) weist auf London hin. Und dann gibt es eine Jahrespunze mit einem Buchstaben, wobei die Schriftart immer wieder gewechselt wurde. Ab 1784 bis 1890 kam ein Steuerstempel dazu. Man kann jedes Herstellungsjahr verwechslungsfrei bestimmen.

Was in England immer wieder schiefgeht: Sheffield, Birmingham, Newcastle, Dublin, Edinburgh und Glasgow haben auch Jahresbuchstaben, die mit den Londonern nicht übereinstimmen. Dadurch kommt es selbst bei angesehenen Auktionshäusern zu Fehldatierungen. Man muß erst die Stadtmarke deuten und dann für die Stadt die richtige Datierung anhand des Buchstabens vornehmen.
Die englische Markung von Silberwaren ist ansonsten zuverlässig. In über zehn Jahren habe ich ein einziges Mal eine gefälschte versilberte Ware gefunden, die als Silber punziert war.

Da sind wir auch schon bei der versilberten Ware. Versilbertes wurde in England bereits seit den 30er Jahren des 19. Jh. hergestellt, und zwar in guter Qualität. Diese Gegenstände sind als platet mit EP gemarkt. Oder als EPNS, dann handelt es sich um einen Nickelsilberauftrag.

In Deutschland macht eine Firmenmarke öfter Ärger. Einmal bin ich auch darauf reingefallen. Es handelt sich um einen bekrönten Adler. Es ist das Firmensignum der Firma Henniger, die seit 1824 in Berlin fast nur Neusilber herstellte. Die Potsdamer Stadtmarke für Silber ist ähnlich, aber nicht gleich. Diese Ähnlichkeit ist kein Zufall. Die Firmenmarken wurden bis Mitte des 19. Jahrhunderts oft nachgemacht, um sich geschäftliche Vorteile zu erschleichen. Neusilber ist eine Legierung, in der alles drin ist, nur kein Silber.

Deutsche versilberte Ware ist oft mit 60, 90, 100 usw. gemarkt. Mit dieser Zahl wird angegeben wieviel Gramm Silber sich auf 2.400 cm2 Oberfläche befinden. Auch hier gibt es eine Besonderheit. Insbesondere schlesische Silberwaren sind manchmal mit einer 70 gepunzt. Das bedeutet wiederum, daß es sich um 700/1000 Silbergehalt handelt. Es gibt wirklich einige Ausnahmen.

Eine andere Falle betrifft die Stempelung für russisches Silber. Der Feingehalt wird in Zolotniki angegeben und zwar bedeuten 84 Zolotniki 874/1000 Silbergehalt. Die russischen Feingehalte sind in einem Viereck dargestellt, niemals in einem Rhombus oder Oval. Im letzteren Fall handelt es sich um französische Ware, die nur versilbert wurde. Bei den französischen Fälschungen wurde die Punzierung meist auf der Laffe angebracht, bei der russischen Silberware auf dem Stiel. Die Laffe ist der Vorderteil des Löffels, mit dem die Speise aufgenommen wird.

Die Punzierung 12 bedeutet in Deutschland und Österreich 12 lötiges Silber = 750/1000 Silbergehalt. Leider gibt es französische Ware auf der auch eine 12 steht. Das ist jedoch wiederum Neusilber bzw. versilberte Ware der Firma RENEKA (René Kauss) aus Strasburg im Elsaß, die seit 1928 produzierte. Auch andere französische Firmen haben die 12 gepunzt, ohne daß es sich um 12lötiges Silber handelt.

Ja, bei der russischen Silberware waren wir schon einmal. Da gibt es ein Problem mit jüdischen Dosen, Torazeigern sowie mit russischen und polnischen Zuckerdosen. Diese Dinge sind zum Verwechseln auf alt punziert, überaus kunstfertig, aufwändig und kompetent hergestellt, sie sind sogar aus 874er Silber und halten insofern was sie versprechen. Aber sie sind leider oft neu. Es gibt Sammler, die wissen, daß es sich um Neuware handelt und kaufen trotzdem. Einfach weil es so gut gemacht ist.

Gestern hatte ich das erste Mal im Leben einen Reinfall mit deutschem Silber. Das wurde seit 1886 mit Halbmond, Krone und dem Feingehalt gestempelt, meistens 800, nach 1920 oft mit 835. Es war eine Suppenkelle mit einwandfreier Punzierung, aber es war kein Silber. Der Silberfreund sollte die Gegenstände beim Erwerb  immer in die Hand nehmen. Nach einiger Zeit hat man das Gefühl für das richtige Silbergewicht. Und man sollte dran riechen. Wenn es penetrant nach Messing stinkt, stimmt oft etwas nicht.

Letzte Zweifel beseitigt man mit einer Silberprobe. Dabei schabt man das Silber auf einem speziellen Schiefer und gibt auf den Abrieb etwas Prüfsäure. Die Säure ist stark giftig, weshalb man die Säure als Privatperson nicht im Handel erhält. Man kann zu jedem guten Silberschmied gehen oder auch zu mir kommen um eine Probe zu veranlassen und letzte Zweifel am Silbergehalt zu zerstreuen.
Für den Anfänger ein paar Tips: Man sollte mit Gegenständen aus London oder Deutschland nach 1886 beginnen und sich langsam in frühere Zeiten und andere Länder vortasten. Sonst zahlt man mehr Lehrgeld als erforderlich.

Gute Internetseiten sind silvercollection.it und silberpunze.piranho.de. Als Fachbuch ist „Silberstempel aus aller Welt“ von Jan Divis zu empfehlen. Das  Sammeln von Antiksilber kann viel Freude machen. Ab und zu gibt es auch Schnäppchen. Aber gerade beim Silberkauf darf Gier nicht Hirn fressen…