Alle brauchen Grenzen – auch Syrien

Seit 1989 werden Schritt für Schritt die kulturellen und religiösen Strukturen der alten Welt vor 1900 wieder hergestellt. Gegen den erbitterten Widerstand der Multikulturalisten. Die Zeit, wo man nach dem Ersten Weltkrieg Grenzen am grünen Tisch mit dem Lineal zog, gehen zu Ende.

Zuerst sahen wir den Zerfall der Sowjetunion. Kasachstan, Usbekistan, Kirgisistan, Tadshikistan, Turkmenistan und Aserbaidshan haben inzwischen 70 Mio. überwiegend moslemische Einwohner. Dem stehen 140 Mio. Einwohner Rußlands gegenüber von denen jedoch geschätzt wiederum 15 Mio. Moslems sind. Ohne die Notbremse von 1990 wäre Rußland in ein bis zwei Jahrzehnten ein moslemisches Land geworden.

Es folgte in den 90er Jahren die Zerlegung des multikulturellen Kunstgebildes Jugoslawien. Es war eben nicht möglich, die orthodoxe, die lateinische und die moslemische Kultur in einem Staat auf Dauer zusammenzubinden. Die Zerfallsprodukte haben etwa die Grenzen wie auf den Kartenwerken von 1900.

Viele Beobachter sind sicher, daß in der Ukraine die historischen Grenzen wiederkehren werden. Denn es sind die Grenzen, die man bei jeder Wahl in der Ukraine seit 1990 erkennen konnte. Die ukrainischen Politiker können machen, was sie wollen, sie führen Regionalparteien der Ukrainer und der Russen an. Der Osten und die Krim sind russisch besiedelt. Dagegen helfen keine Pillen und keine heißen Umschläge. Was Putin falsch machen könnte: Die ganze Ukraine unter russische Kontrolle bringen. Das würde Rußland dauerhaft vom Westen isolieren. Der beste Weg, den letztlich alle akzeptieren können, ist eine Volksabstimmung und die Zerschneidung des ukrainischen Zankapfels. Die Übertragung der Krim von Rußland an die Ukraine erfolgte 1954 aus einer Schapslaune des Wurst-am-Stengel-Diktators Chrustschow, die Rückübertragung sollte etwas transparenter erfolgen. Für die Jüngeren: Die „Wurst am Stengel“ war nach der damaligen PC-Sprache der Mais.

Und auch in Syrien werden die alten historischen Grenzen rekonstruiert werden. Barack Obama, Angela Merkel, Francois Hollande und andere Gutmenschen sind mit ihrer Idee eines oppositionellen Großsyriens grandios gescheitert.

Bereits unter osmanischer Herrschaft war das heutige Syrien in verschiedene Provinzen eingeteilt, um die religiösen Streithähne auseinanderzuhalten. Das Alawitengebiet gehörte zur Küstenprovinz Beirut, das sunnitische Hinterland zu den Provinzen Aleppo und Syrien.

Ab 1919 übernahmen die Franzosen die Verwaltung als Völkerbundmandat. Die Provinz Aleppo wurde der Staat Aleppo, aus der Provinz Syrien wurde der Staat Damaskus, die Provinz Beirut wurde in den Staat Großlibanon und den Alawitenstaat geteilt und das Drusengebiet wurde ein separater Staat im Süden. Leider kam 1936 in Frankreich die Volksfront aus Sozialisten und Kommunisten an die Macht. Noch im selben Jahr wurde die Unabhängigkeit Syriens beschlossen und die verschiedenen oben genannten Staaten außer dem Libanon zu einem fragilen und religiös heterogenen Gebilde zusammengelegt, welches sich dann Syrien nannte. Französische Sozialisten und Kommunisten gingen in ihren unhistorischen Wahnvorstellungen vom Absterben der Religion aus. Alte gewachsene Kulturlandschaften interessierten sie nicht, da sie ihr bißchen Verstand auf dem Altar des Atheismus opferten.

Zunächst machte das nicht viel aus, weil nach 1940 zunächst auch in Arabien nationalsozialistische Ideen vorherrschten und die Religion tatsächlich eine nachgeordnete Rolle spielte.

Jahrzehntelang hatten die erfahrenen syrischen Hexenmeister des Assad-Regimes die bösen Geister zwischen Mittelmeer und Euphrat gebannt und mit sozialistischen Ritualen und Zauberformeln alle Widersprühe überkleistert. Schiiten, Sunniten, Drusen, Christen, Kurden und Aleviten hatten zwar keine Freiheit, wurden aber in Schach gehalten und lebten in erzwungener Koexistenz.

Was den Syrern fehlte war natürlich Freiheit. Diese Freiheit könnte der Sturz von Assad bringen. So die Kalkulation der Schönwetter-Demokraten, die bereits im Iran, in Gasa, in Libyen und Ägypten nicht aufgegangen war. Die europäischen Außenminister und Medien betätigten sich trotz der von Anfang an erkennbaren Kompliziertheit der Materie als Zauberlehrlinge.

Dabei waren die Vorzeichen düster: Der Vormarsch der Moslembrüder hatte auch in Syrien ab den 70er Jahren Fahrt aufgenommen. Damit brachen alle religiösen und kulturellen Wunden wieder auf, die die Osmanen während ihrer Herrschaft durch Trennung in Provinzen notdürftig verarztet hatten.

Den schiitischen Alawiten war bereits in der Mamlukenzeit nach 1260 die Zugehörigkeit zum Isam abgesprochen worden. Sie wurden den anderen nicht-muslimischen Minderheiten wie Christen und Juden gleichgestellt und mussten wie sie gedemütigt die Dschizya, die entehrende Kopfsteuer entrichten.

Nach der Unabhängigkeit Syriens gelang es zunächst den Kurden und ab 1966 den Alawiten über eine Reihe von Militärputschen eine führende Stellung in Syrien zu etablieren. Die uralten Konflikte zwischen Alawiten (der herrschende Assad-Clan gehört zu dieser Glaubensrichtung) und den Sunniten wurden dadurch nicht beigelegt. Bereits in den 1980er Jahren forderten Vertreter der sunnitischen syrischen Opposition auf Grundlage eines religiösen Gutachtens von Ibn Taimīya (dieser lebte von 1263 bis 1328) die Tötung der Alawiten. Kein Wunder, daß aus dem arabischen Frühling ein verbissener Bürgerkrieg entstanden ist, denn es geht für alle nichtsunnitischen Einwohner, die letztlich Minderheiten angehören, um Leben und Tod.

Die teilweise radikale sunnitische „Opposition“ wurde insbesondere von Barack Obama und Nikolas Sarkozy, aber auch von der internationalen Lügenpresse ab Februar 2011 im Rahmen des „Arabischen Frühlings“ unterstützt, um den Diktator Assad wegzuputzen. Bereits nach kurzer Zeit lief die Revolution aus dem Ruder. Offensichtlich bildeten sich Milizen, die sich untereinander bekämpften und eine fundamentalistische Intoleranz praktizierten. Im April 2013 gab Abu Bakr al-Baghdadi die Vereinigung der „oppositionellen“ Nusra-Front und ISI unter dem neuen Namen Islamischer Staat im Irak und der Levante bekannt. Einwohner wurden vertrieben und massakriert. Auch in dieser Lage gab die amerikanische und europäische Politik nicht zu, sich in eine blutige Sackgasse verrannt zu haben. Es hatte sich eine IS-Miliz gebildet, die sich mit Kreuzigungen und Exekutionen zunehmenden Respekt verschaffte. Guter Rat war teuer. Und man war sich im grünen Kriegsrat nicht einig. Özdemir wollte Waffen an die Kurden liefern, Trittin nicht. Merkel schloß die Grenzen nicht – ein rätselhaftes Mantra von ihr – und verschaffte dem islamischen Staat ständigen reichlichen Nachschub an Kämpfern und Geld aus Deutschland. Der Merkel-Verbündete Erdogan duldete, daß den Gotteskriegern jeden Tag lastwagenweise Erdöl abgekauft wurde.

Die westlichen Außenpolitiker bekamen den Islamischen Staat nicht zum Stehen, wie Goethes Zauberlehrling den Wasser schleppenden Besen.

Herr und Meister! hör mich rufen
Ach! da kommt der Meister!
Herr, die Noth ist groß,
Die ich rief die Geister
Werd ich nun nicht los.

In Goethes Ballade bekam der Meister durch seine Erfahrung die Dinge wieder in den Griff, in Syrien ist ein Bündnis von Putin und Assad erfolgreicher gewesen, als die Multikulti-Dummschwätzer aus Washington, Berlin und Paris. Das syrische Problem wird sich vielleicht lösen, wenn die alten religiös und kulturell fundierten Landschaften als Staaten wieder hergestellt werden. Es ist noch unklar, ob Putin das mit seiner Intervention im Sinn hatte.

Auch die Präsidentschaft des Hexenmeisters Assad ist nicht das Ende aller Weisheit. Die Zerlegung von Großreichen in historisch gewachsene Einheiten war immer schon eine Friedenslösung. Warum soll das in Syrien nicht funktionieren? Unseren Idealisten in Berlin erschließt sich diese Logik nicht. Sie arbeiten weiter an potemkinschen Multikultidörfern, in denen alle friedlich ihren Namen tanzen. Syrien soll ebenso wie der Irak ohne Rücksicht auf das Leiden der Einwohner um jeden Preis als Staat erhalten werden. Die Geschichte wird den dicken Strich durch diese Rechnung machen. Die Politiker sollten die alten Kartenwerke studieren.