Hölle für Eltern – Paradies für Beamte

Fast alles ist in Deutschland in Mischverantwortung der verschiedenen politischen Ebenen organisiert: im Schulwesen, bei den Kindergärten, beim Straßenbau, bei Hartz, bei der Steuererhebung, bei der Lebensmittelüberwachung, im Wasserrecht, bei der Abwasserbehandlung, neuerdings auch bei den Hochschulen und auf vielen weiteren bürokratischen Spielwiesen. Für die Politiker und Beamten das Schöne: Niemand ist alleine für irgendetwas verantwortlich. Und es entsteht ein Beamtenparadies durch Erhöhung des Verwaltungsaufwandes.

Einen neuen Rekord an Verwaltungs- und Kostenineffizienz hat Thüringen mit der neuen Hortgebührenverordnung aufgestellt. Etwas eigentlich ganz einfaches wurde bis zum Exzess verkompliziert. Normalerweise zahlen die Eltern eine Gebühr oder ein Entgelt. Das Geld kann die Schule einnehmen oder der Landkreis als Schulträger der Grundschulen oder das Land als Organisator der Schulverwaltung. Man kann es aber auch kompliziert machen: Die Eltern melden die Kinder in der Grundschule für den Hort an und geben ihre Einkommenssteuererklärung oder Lohnbescheinigung bei der Schule ab (Datenschutz wo bist du?). Die Schule übermittelt die Daten an den Landkreis, weil dieser die Betriebskosten zahlt. Dieser kassiert das Geld und überweist den Personalkostenanteil an das Land, weil dieses die Personalkosten trägt. Es gibt einen Gebührenbescheid für den Betriebskostenanteil und einen Bescheid für den Personalkostenanteil. Es gibt zwei Satzungen und eine Verordnung, die die Eltern lesen sollen: eine Benutzungssatzung und eine Gebührensatzung vom Landkreis  für die Betriebskosten und die Thüringer Verordnung über die Beteiligung der Eltern an den Kosten für die Hortbetreuung für die Personalkosten.

Nun soll es auch noch gerecht zugehen. Das Bildungsministerium hat sich ausgedacht, daß sozial gestaffelt wird und das Einkommen der Eltern und des Kindes Maßstab ist. In der Verordnung des Ministeriums heißt es: „Einkommen im Sinne dieser Verordnung ist die Summe der positiven Einkünfte nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 und Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Liegen Einkünfte nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 nicht vor, ist Einkommen die Summe der positiven Einkünfte nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 bis 7 und Abs. 2 EStG. Ein Ausgleich mit Verlusten zwischen verschiedenen Einkunftsarten, mit Verlusten des zusammenveranlagten Ehegatten oder mit Verlusten aus anderen Kalenderjahren ist nicht zulässig.“

Schon das ist für die Eltern unverständlich. Soll man da lieber einen Steuerberater hinzuziehen? Es wird noch viel schlimmer, wenn man weiter liest. Wenn noch kein Bescheid vorliegt, kann man den alten einreichen. Dieser wird mit 3 % beaufschlagt und ein berichtigter Gebührenbescheid wird erstellt, wenn der aktuelle Steuerbescheid vorliegt. Erfahrungsgemäß ziehen Kinder im Laufe des Jahres weg oder zu, Benutzungszeiten ändern sich, Kinder kriegen Geschwister, Ehen werden geschieden, der Lohn der Eltern ändert sich und so weiter. Jedesmal müssen zwei neue Bescheide erstellt werden. Ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für den öffentlichen Dienst!

Für den Kreis Weimarer Land wurden von der zuständigen beigeordneten folgende Zahlen geschätzt: Benutzungsgebühren etwa 150.000 €, Personalkostenanteil etwa 350.000 €, zusammen also 500.000 €. Der  Verwaltungsaufwand des Landkreises wurde von der zuständigen Beigeordneten mit 1,8 Angestellten angegeben. Das ist konservativ geschätzt, wenn man bedenkt, daß die Finanzverwaltung, die Finanzkasse, die Vollstreckungsstelle und das Schulamt beteiligt sind. Dazu kommen die Erhebungskosten in etwa 10 Grundschulen, vielleicht nochmal 1,2 Angestellte. Es reicht ja nicht, wenn die Schulsekretärin eingewiesen ist, man braucht überall eine Vertretung für Notfälle. Drei Angestellte kosten mit dem geheizten und ausgerüsteten Arbeitsplatz ungefähr 170.000 €. Da sind die Benutzungsgebühren schon mal locker verbraucht. Der Landkreis hat die Kosten der Erhebung und zahlt drauf. Das Land läßt sich dann die 300.000 € Personalkostenanteil überweisen, ohne nennenswerten Aufwand für die Erhebung der Gebühr. Eine alte Erfahrung: die politischen Ebenen ziehen sich gegenseitig über den Tisch.

Man kann die Gebühren auch aus der Sicht des Kindes betrachten: Der durchschnittliche monatliche Beitrag für die Betriebskosten beträgt etwa 8 €, der durchschnittliche monatliche Beitrag für die Personalkosten beträgt etwa 19 €. Zusammen etwa 27 €. Wegen dieser überschaubaren Summe werden bürokratische Berge versetzt.

Gibt es für diesen bürokratischen Preis nun soziale Gerechtigkeit? Das muß man leider verneinen. Viele Einnahmen werden im Einkommenssteuerbescheid nicht abgebildet.  Das betrifft insbesondere Kapitaleinkünfte aus Aktien und aus Fonds. Diese Einnahmen werden den Finanzämtern mitgeteilt, nicht aber den Grundschulen.  Einkünfte aus Aktien sind ab 2009 mit der Abgeltungssteuer abgegolten. Das hat sich bis zum Bildungsministerium noch nicht rumgesprochen. Wer vom Aktienhandel lebt, ist schon mal gebührenfrei. Aber es kommt noch besser: in der Hortkostenbeteiligungsverordnung heißt es wörtlich: „Grundlage der Einkommensermittlung sind der Einkommensteuerbescheid, Jahresverdienstbescheinigungen oder andere geeignete Unterlagen.“ Ich habe in der Kreistagssitzung am 27. Juni nachgefragt, ob man sich das aussuchen kann, was man einreicht. Die Antwort: Man kann sich aussuchen, was man hinschickt. Wenn man den Jahresverdienst einreicht, fallen Einkünfte aus der Photovoltaikanlage, aus Zinsen, aus Mieterträgen und Pachterträgen natürlich unter den Tisch. Auch ein eventuell vorhandenes Kleingewerbe oder eine Nebenlandwirtschaft. Der Ehrliche ist immer der Dumme.

Eine einfache Lösung wäre: Gebührenfreiheit für die Horte und in der Gegenrechnung Einsparung des mit der Gebührenerhebung befaßten Personals.

Eigentlich sollen berufstätige Eltern die geringe verbleibende Freizeit mit ihren Kindern verbringen und mal ein Spiel machen oder eine Radtour. Statt dessen müssen sie drei ellenlange unverständliche Satzungen und Verordnungen durchackern, Unterlagen für die Bescheidung beibringen und Gebührenbescheide kontrollieren. Wer die Lust auf den nächsten Sex verlieren will, oder wer eine Frau mit Migräne hat, hat kann ja mal die Thüringer Hortkostenbeteiligungsverordnung -ThürHortkBVO – lesen: >hier.  

Armes Thüringen, armes Deutschland, armes Europa!