Parteisoldaten, Lobbyisten und Fördergeldjäger – unser Bundestag

Unser Bundestag hat 630 Abgeordnete. Sie vertreten uns Wähler, falls wir nicht gerade AfD, FDP, Piraten, Bayernpartei oder eine andere Kleinpartei gewählt haben. Von den deutschen Wahlberechtigten sind 28 % Altersrentner und 20 % ohne Beruf, zum Beispiel Schüler, Studenten, Hausfrauen und Frührentner.  14 % sind Mitarbeiter des öffentlichen Sektors sowie von Parteien und Interessengruppen,  4 % Finanzdienstleister, 3 % Arbeitslose, 18 % Beschäftigte des produzierenden Gewerbes, 11 % Beschäftigte von Handel, Verkehr sowie Gastgewerbe und etwas über 1 % Landwirte. In einer idealen repräsentativen Demokratie wären die oben genannten Gruppen adäquat im Bundestag vertreten.

Der Bundestag bietet einen Service, wo man sich die Biografien der Abgeordneten anschauen kann. Ich habe mal eine Zufallsstichprobe genommen und diejenigen Abgeordneten mit Nachnamen, die mit A, B oder C beginnen auf ihre Berufszugehörigkeit untersucht. Und zwar habe ich den letzten ausgeübten Beruf vor der Annahme eines Vollzeitmandats zum Maßstab genommen. Mit A, B oder C fangen die Namen von 75 Parlamentariern an, das sind knapp 12 % der Mitglieder des Bundestags. Also nach dem Buchstaben C habe ich aufgehört zu recherchieren, weil ich keine Nächte mit schlechten Träumen haben wollte. Von D bis Z gibt es vermutlich keinen Erkenntnisgewinn, der den Aufwand der weiteren Recherche rechtfertigt.

Drei Abgeordnete sind Altersrentner über 65 Jahre. Das sind 4 % der Stichprobe. Altersrentner sind also im Bundestag stark unterrepräsentiert. Alle drei waren übrigens vorher Staatsdiener (Baumann, Beckmeyer und Bergner).

Frau Crone und Frau Bertram sind vermutlich Hausfrauen gewesen, bevor sie ihr Mandat antraten. Über einen Beruf vor ihrem Bundestagsausflug machen sie keine Angaben. Schamhaft verschweigen sie wohl die ehrenvolle Beschäftigung jeweils drei Kinder großgezogen zu haben. Hausfrau sein ist mittlerweile politisch so inkorrekt, wie in der NPD gewesen zu sein. Die Gruppe der Berufslosen ist mit knapp 3 % übrigens auch stark unterrepräsentiert.

48 Abgeordnete haben vor dem Antritt ihrer parlamentarischen Laufbahn als Beamte, Kommunalangestellte, bei Kreisbetrieben, Parteien, Parteistiftungen, Parteizeitungen, Universitäten,  Krankenkassen oder bei der FDJ gearbeitet. Weitere 7 Parlamentarier waren in ihrem früheren Leben Gewerkschaftsfunktionäre. Das sind zusammen 73 % der Stichprobe. Zur Erinnerung: Diese Gruppe hat 14 % der Wähler. Rechne ich die drei Rentner hinzu, die auch mal im öffentlichen Dienst waren, sind es satte 77 %.

Das produzierende Gewerbe ist mit drei Abgeordneten in der Stichprobe vertreten. Es sind Herr Brähmig, der vor 1990 (!) einen Handwerksbetrieb in der DDR hatte und seitdem hauptberuflich und unterbrechungsfrei in Parlamenten gesessen hat, Frau Bulling-Schröter, die Schlosserin ist und Herr Bareiß, der kurze Zeit Assistent der Geschäftsleitung in einem Textilbetrieb war. Drei von 75, das sind 4 %. Verglichen mit 18 % der Wahlberechtigten ist das sehr sehr wenig.

Es gibt zwei Landwirte, wovon einer seinen Betrieb wegen ununterbrochener parlamentarischer Arbeit schon 20 Jahre nicht mehr selbst bewirtschaftet hat.

Die Finanzdienstleistungen werden durch Herrn Brunner, Herrn Beermann  und Herrn Brinkhaus repräsentiert. Brunner bezeichnet sich auf seiner Bundestagsseite als selbständiger Wirtschaftsberater. Im wirklichen Leben hat er ein Inkassobüro in Illertissen gehabt.  Die Finanzdienstleistungen sind in unserer Stichprobe mit 3 Abgeordneten genau maßstäblich zu den Wahlberechtigten vertreten.

Arbeitslose und Beschäftigte aus Handel und Verkehr kommen in unserer Bundestagsstichprobe nicht vor. Dafür gibt es vier freiberufliche Rechtsanwälte, das sind 5 % der Stichprobe.  Von den Wahlberechtigten sind Rechtsanwälte ein Prozentsatz im Promillebereich.

Die Sektoren, die in Deutschland das Geld verdienen, sind im Bundestag nur noch in homöopatischen Dosen vertreten. Ein Tröpfchen Wirtschaft in einem Meer der Bürokratie und des Lobbyismus.

Es gibt viele Versuche der Abgeordneten ihre Biografie zu schönen, um sich als Repräsentant der Wirtschaft oder der Wissenschaft auszugeben. Ein Abgeordneter bezeichnet sich als Chefredakteur einer Zeitung. Beim genaueren Hinsehen handelt es sich um das Mitgliedermagazin seiner Partei. Ein anderer gibt Geschäftsführer eines Energieunternehmens an. Das Unternehmen entpuppt sich beim googeln als kommunales Stadtwerk. Eine junge Dame war wissenschaftliche Mitarbeiterin. Nach einer Internetrecherche kommt heraus, daß sie von mehreren Abgeordneten des Bundestags angestellt war.

Es gibt auch das Manko völlig fehlender beruflicher Karrieren. Drei Abgeordnete der Grünen aus unserer Stichprobe sind direkt von der Schulbank auf die Parlamentsbank gerutscht.

Wenn man die milieubedingten Defizite der Abgeordneten betrachtet, so sind diese über alle Parteien fast gleichmäßig verteilt. Die zukünftige Regierung und die Opposition sind keinen Schuß Pulver wert, egal wer regiert. Man sollte diesem Parlament keine mittelmäßigen Leistungen zutrauen, um nicht enttäuscht zu werden.

Die Analyse zeigt deutlich: Wir brauchen keine Frauenquote in der Politik, sondern eine Quote für Leute, die schon einmal außerhalb der Politik gearbeitet haben. Die Frauen aus der Stichprobe sind noch politikbesoffener als die Männer, nur zwei von ihnen haben mal woanders gearbeitet, als in Parlamenten, Parteien und Kommunalbetrieben: eine Landschaftsplanerin und eine Schlosserin. Bei den Männern ist die Lage nicht gut, aber besser. Immerhin 12 aus der Stichprobe waren schon einmal außerhalb der Politik tätig.

Wir brauchen einen Bundestag mit mehr Wirtschaftskompetenz, wir benötigen dringend nicht nur Abgeordnete, die Geld ausgeben können, sondern auch welche, die wissen wie man arbeitet und damit sein Geld verdient.

Noch ein Wort zu den Lobbys. In der Stichprobe sind wie schon erwähnt 7 Gewerkschaftsfunktionäre vertreten. Weitere 9 Abgeordnete haben von Projekten und Fördergeldern gelebt, ohne das ausdrücklich zu erwähnen. Die zwei Landwirte muß man als Subventionsnehmer mindestens noch dazurechnen. Und alle Parteifunktionäre, deren Parteien, Parteizeitungen und Parteistiftungen staatlich finanziert werden.  Ein schöner Selbstbedienungsladen – unser Bundestag.