Steuergelder für Geburtstagsgrüße

Die Qualitätspresse thematisiert, skandalisiert und kritisiert oft die Höhe der Abgeordnetendiäten, Aufwandspauschalen und Reisegelder der Abgeordneten. Mit Recht. Denn viele Abgeordnete sind gemessen an ihrem vorparlamentarischen Werdegang schlicht überbezahlt.

Wenn die Diäten erhöht werden wird ja immer argumentiert, daß bei geringeren Einkünften keine qualifizierten Abgeordneten zu gewinnen seien. Wenn man sich dann die Lebensläufe anschaut, so fehlt ein wirklicher beruflicher Erfahrungshorizont der Volksvertreter. Viele sind von der Schulbank oder aus dem Hörsaal in die Berufspolitik gewechselt, andere sitzen seit Jahrzehnten im Parlament und ihre berufliche Karriere liegt zu lange zurück, um fruchtbare Erfahrungen aus dem wirklichen Leben ins Parlament zu tragen. Andere haben in Vorfeldorganisationen der Parteien, Gewerkschaften  oder bei kommunalen Arbeitgebern gedient und geben das als Berufsvita aus. Kaum einer hat aber mehr als ein Jahr in Unternehmen gearbeitet, die ihr Geld am Markt verdienen müssen. Und wenn, dann war das nicht immer eine rühmliche Geschichte.

Angemessen wären Diäten, die sich am Gehalt oder Lohn der letzten drei vorparlamentarischen Jahre des jeweiligen Abgeordneten orientieren würden. Das hätte den Vorteil, daß die Abgeordnetentätigkeit nicht als Gelegenheit zum Reichwerden ergriffen würde, sondern aus Verantwortung für unser Land.

Die Diäten sind aber nicht das Hauptärgernis im parlamentarischen Politikbetrieb. Das Skandalöse sind die Fraktionsgelder. In Thüringen beispielsweise beträgt die Summe der Diäten der Landtagsabgeordneten 5,9 Mio. €. Die Fraktionsgelder werden mit 7,5 Mio € angegeben. Pro Abgeordneten sind das 67.000 € Diäten im Jahr und 85.000 € Fraktionsgeld.

In Kreistagen und Stadträten werden die überschaubaren Fraktionsgelder in der Regel in geselliger Runde vertrunken und verfrühstückt. Mit dem üppigen Fraktionsgeld im Landtag dagegen werden vor allem Mitarbeiter beschäftigt, die den Abgeordneten den Rücken freihalten sollen. Sie versenden den Parteimitgliedern Geburtstagskarten, organisieren Parteievents, machen Öffentlichkeitsarbeit, tauchen in Wahlkämpfen auf und sitzen in Kommunalparlamenten. Im Kreistag Weimarer Land beispielsweise sind zwei Landtagsabgeordnete vertreten und vier Parlamentsmitarbeiter. Das Problem betrifft übrigens alle Parteien gleichermaßen, die Regierung wie auch die Opposition.

Mit den Fraktionsmitarbeitern ist ein hauptamtlicher politischer Apparat vorhanden, mit dem die Parteioberen die Willensbildung in der jeweiligen Partei beeinflussen können. Es entsteht die Tendenz, daß Beschlüsse in Parteien nicht von unten nach oben gefaßt werden, sondern von oben nach unten durchgedrückt werden. Die Fraktionsmitarbeiter bringen die Zeit, Erfahrung und Organisation ein, die für die Beherrschung von Parteiorganisationen erforderlich ist. Hauptamtliche Funktionäre werden normalen Parteimitgliedern immer einen Schritt voraus sein. So ist der Fraktionsvorsitzende der Linken im Weimarer Land ein Erfurter Parlamentsmitarbeiter, die CDU wird sogar von einem Landtagsabgeordneten geführt. Dagegen kommen Laienpolitiker nicht an. Die beiden genannten Parteien haben strenge Fraktionsdisziplin, was bei den übrigen Parteien nicht der Fall ist.

Regierungsparteien werden durch Minister, Staatssekretäre und den übrigen politischen Apparat ohnehin dominiert.  Kaum ein Parteitag, wo das Parteivolk nicht durch Amtsträger besoffen gequatscht wird bis die Zeit rum ist und alle nur noch nach Hause wollen. Auf einer Tagung der Mittelstandsvereinigung der CDU in Jena  dauerten die Grußworte der Ministerriege bis Mittag. Auch danach kam nur ein einziger Mittelständler zu Wort: Es überbrachte ein Grußwort des Liberalen Mittelstands.

Durch Fraktionsgelder und das damit finanzierte hauptamtliche Personal erhält auch die Opposition die Möglichkeit sich vom Mitglied und vom Wähler zu emanzipieren. In der Journaille heißt sowas: „Die Opposition hat die Zeit nicht genutzt, sich neu aufzustellen“.

Die politische Klasse hat sich weit vom Bürger und vom Wähler entfernt. In der Schweiz sieht man das immer wieder am Ergebnis von Volksabstimmungen, die von den Wünschen der Berner Administration gelegentlich deutlich abweichen. In Deutschland gibt es dieses Korrektiv der Befragung des Volks nicht. Größere soziale Schichten sind nicht mehr in Parlamenten vertreten und übrigens auch nicht mehr in den Parteien. In solchen Entwicklungen liegt immer eine Gefahr für das politische System, die oft zu spät erkannt wird.

Die Parteien sollten wieder stärker von ihren Mitgliedern finanziert werden, statt von der Allgemeinheit. Dann können die Mitglieder von ihren Funktionären nicht mehr so arrogant übergangen werden, wie im laufenden Politikbetrieb üblich. Die Parlamentarier müßten auf Parteievents öfter mal zuhören, statt nur Monologe zu halten oder bei Podiumsdiskussionen zu glänzen.

Die hauptamtlichen Parteiapparate sind ein wesentlicher Motor der Entfremdung zwischen Bürgern und Parteien. Deshalb sollten sie beseitigt werden. Um sie zu entsorgen müssen die Fraktionsgelder gestrichen werden. Die etablierten Politiker werden sich natürlich mit Händen und Füßen dagegen wehren.