Mehr Demokratie durch Gebietsreform ?

Thüringens Möchtegern-Ministerpräsident Ramelow von der Linken hat jahrelang für eine radikale Gebietsreform getrommelt. Großkreise und Großgemeinden seien das Mittel zu mehr Effizienz und mehr Bürgerbeteiligung.

Im Wahlprogramm der Linken für die kommende Landtagswahl hat er dieses Kapitel der Gebietsreform ganz hinten versteckt, aber es ist noch da. Es sollen Regionalkreise von der Größe der ehemaligen Bezirke gebildet werden und Gemeinden sollen mindestens 5.000 Einwohner haben. Da muß man bei den thüringischen Dorfgrößen schon 10 bis 30 Orte zusammenlegen. Die SPD assistiert: „Die Zahl der Landkreise und kreisfreien Städte werden wir um etwa die Hälfte reduzieren. Die Größe der Gemeinden muss gewährleisten, dass sie dauerhaft handlungsfähig bleiben und Leistungen in hoher Qualität für die Bürgerinnen und Bürger erbringen können.“

Die CDU will an der Kreiseinteilung festhalten, tendiert aber zu größeren Gemeinden. Diese Großgemeinden sollen den Bürgern als sogenannte Landgemeinden mit minderen Mitbestimmungsrechten der Ortsteile verkauft und versüßt werden.

Sachsen-Anhalt hat die Gebietsreform sowohl bei den Kreisen wie auch auf der Gemeindeebene schon lange hinter sich. Sowohl auf der kommunalen Ebene wie auch bei der Landesregierung verbraucht Sachsen-Anhalt je 7 % mehr Geld pro Kopf der Bevölkerung als Thüringen. Das spricht nicht für eine Gebietsreform. Mit immer größeren Gebietskörperschaften wächst die Gefahr der Verselbständigung und des ungebremsten Wachstums der kommunalen Bürokratien und die Verwaltungskosten erhöhen sich.

Bürgernähe ist Nähe zur Verwaltung. Die Entfernung zum Bürger steigt logisch mit der Größe der Gemeinde und ihrer geografischen Ausdehnung. So eine Entfernung ist aber auch ganz gut. Für die Verwaltung. Bei genügend großer Entfernung kann die Verwaltung nämlich machen was sie will, ohne daß Bürger und Abgeordnete dazwischenfunken.

Aus der Sicht des Bürgers wird die Kommunalpolitik ab einer bestimmten Ortsgröße uninteressant. Das kann man an den Ergebnissen der letzten thüringischen Gemeindewahlen im Mai 2014 ersehen. Wahlen in anderen Bundesländern ergeben übrigens das gleiche Bild. Bei einer Gemeindegröße ab 5.000 Einwohnern sinkt die Wahlbeteiligung auf 50 % und weniger. Auch in relativ kleinen Gemeinden mit vielen Ortsteilen streiken die Wähler.

In den kreisfreien und Kreisstädten schwankte die Wahlbeteiligung zwischen 40,7 % (Sonneberg) und 51,0 % (Eisenach), in den jeweils kleinsten Gemeinde der Kreise wurden Wahlbeteiligungen zwischen 92,7 % (Gerstengrund) und 61,2 % (Tröchtelborn) erreicht.

In kleineren Gemeinden ist die Wahlbeteiligung eineinhalbmal bis doppelt so hoch, wie in den Großgemeinden. Wahlbeteiligung ist ein objektives Maß für Bürgernähe, vielleicht das einzige objektivierbare Maß. Das tatkräftige Engagement der Bürger für ihre Gemeinde ist nur solange vorhanden, wie diese Gemeinde überschaubar ist. Ist die Gemeinde das nicht, verkehren die Bürger zunehmend über Rechtsanwälte und Schriftsätze mit dem Bürgermeister.

Kleine Parlamente sind oft bürgernäher als der Bundestag. Sie winken relevante Entscheidungen nicht einfach durch, Fraktionsdisziplin ist in Dorfgemeinderäten ein Fremdwort. Auch die Zusammensetzung der parlamentarischen Gremien ist eine andere. Während in den Parlamenten der Städte Parteifunktionäre und Funktionäre von sogenannten Vorfeldorganisationen der Parteien fast unter sich sind, gibt es in kleineren Gemeinden noch Parlamentarier mit Verankerung in der Wirtschaft. Das sind sowohl Arbeiter und Angestellte, als auch Selbständige.

Das Wahlprogramm insbesondere der linken Parteien enthält die Forderung nach einer Gebietsreform. Die Parteien wollen die Bürgernähe nicht stärken, sondern schwächen. Denn bei entrückten Verwaltungen bekommen die Politiker mehr Macht. Das wird unter Formulierungen wie dieser versteckt: „DIE LINKE. Thüringen forciert eine weitere Demokratisierung der Demokratie. Wir wollen mehr Transparenz und Öffentlichkeit in allen Phasen der Entscheidungsvorbereitung sowie Teilhabe an Entscheidungen im Rahmen der repräsentativen Demokratie oder in Form direkter Demokratie.“ Hört sich schön an, mit größeren Verwaltungseinheiten ist das aber ein Hirngespinst.