Ratgeber für den Blackout

Im Osten der USA gab es im August 2003 einen dreitägigen Ausfall der Stromversorgung. Auch im Münsterland war im November 2005 der Strom bis zu fünf Tage mal weg. Der Chaoswinter 1978/79 in der DDR brachte einen landesweiten Stromausfall von drei bis fünf Tagen mit sich. Die Telefonie fällt in so einem Fall nach etwa zwei Stunden aus, es wird eisig kalt in den meisten Wohnungen und die Versorgung bricht nach und nach zusammen. Der Verkehr natürlich auch.

Derzeit bereitet die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit der EU und dem Weltklimarat einen großen flächendeckenden Blackout vor. Bürgerinitiativen und die Freistaaten Bayern und Thüringen vergrößern zudem das planerische Chaos beim Netzausbau. Die Netzausbaumaßnahmen sind zwei Jahre m Rückstand. Durch eine zunehmende Einspeisung von Flatterstrom aus Wind und Sonne und die Abschaltung von grundlastfähigen Kernkraft- und Kohlekraftwerken wird es in einem der kommenden Winter zum flächendeckenden Stromausfall kommen. Der Netzbetreiber Tennet beispielsweise mußte 2010 um die Netzstabilität zu wahren 270 mal in den Betrieb der Kraftwerke eingreifen, 2012 bereits 1.000 mal. Mit weiter stark steigender Tendenz. 2014 sollen es in ganz Deutschland 3.500 Eingriffe bei allen Netzbetreibern gewesen sein. Die wachsende Zahl dieser kurzatmigen sogenannten Redispatch-Maßnahmen deutet auf wachsende Instabilitäten des Netzes hin. Der Blackout kommt. Es ist nur nach die Frage: Wann?

Der Verkehr wird zunächst durch Elektrofahrzeuge und ausfallende Ampeln gestört werden. Straßenbahnen und Züge mit E-Loks bleiben liegen und blockieren die entsprechenden Verkehrswege. Es kommt in Stadtgebieten zu Unfällen. Die Insassen von Eisenbahnen müssen aus kalten eingeschneiten Waggons gerettet werden.  Binnen zwei Stunden bricht die Telefonie zusammen. Den kraftstoffbetankten Fahrzeugen geht früher oder später der Treibstoff aus. Tanken funktioniert nicht, weil das Benzin an den Tankstellen mit elektrischen Pumpen gefördert wird.

Kaufhallen und Geschäfte können nur noch bei Tageslicht und gegen Barzahlung arbeiten. Die Geldautomaten funktionieren nur, falls sie batteriegespeist sind oder am Notstrom hängen. Die Bargeldversorgung wird schwierig. Kerzen und Lebensmittel, die man nicht zu kochen braucht, werden im Handel schnell knapp. Nachbestellungen des Handels und die Lieferketten funktionieren nicht wie gewohnt. Zum Beispiel verderben alle gekühlten Nahrungsmittel in kürzester Zeit. In Gewächshäusern zerfrieren die Pflanzen. Kühe können nicht mehr gemolken werden. Der Informationsfluß von der elektronischen Kasse zum Lager bricht zusammen.

In den Wohnungen, die keine Kohle- und Holzöfen haben, wird es kalt. Wer keinen Kohleherd hat, kann nicht kochen. Morgens und abends ist es dunkel. Der Fernseher, das Radio und das Internet fallen aus. Nach ein bis zwei Tagen läßt der Wasserdruck nach. In Hochhäusern gibt es gar kein Wasser mehr. Den Weg zur Arbeit kann man sich sparen, weil kein Treibstoff für das Auto zur Verfügung steht und der ÖPNV still steht. Die Betriebe und Schulen arbeiten ohnehin nicht, weil es kalt ist. Löschwasser steht nicht überall zur Verfügung.

Die Krankenhäuser haben nach zwei Tagen keinen Notstrom mehr, Apotheken haben dieselben Probleme wie der Handel. Der Winterdienst kann wegen Treibstoffmangel und weil die Mitarbeiter die Arbeitsplätze nicht mehr erreichen nicht arbeiten. Auf den Straßen der Großstädte breitet sich Kriminalität aus und Geschäfte werden geplündert. Das sind erfahrungsgemäß die Folgen eines Blackouts von mehr als 24 Stunden.

Gegen die Energiewende können wir nichts tun. Wir können aber für uns und unsere Familien vorsorgen. In jeder Wohnung sollte ein Kohleherd zur Verfügung stehen einschließlich der erforderlichen Brennstoffvorräte. Manche Wohnungen in den großen Städten haben keinen Rauchfang. Da hilft ein Gaskocher mit Patronen. Der kann allerdings nicht heizen. Darum braucht man zusätzlich einen kleinen Dieselheizer. Man sollte auch einen angemessenen Treibstoffvorrat für das Auto und den Heizer anlegen. Da Diesel sich im Kanister nicht ewig hält, sollte man ein Dieselfahrzeug statt eines Benziners bevorzugen, um einen laufenden Umschlag des Lagerbestandes zu bezwecken. Pro Familienmitglied sollten mindestens zwei Wasserkästen im Keller gelagert werden. Kerzen und Streichhölzer sind sehr wichtig. Taschenlampen sind modernistischer Firlefanz. Wenn man sie braucht sind die Batterien alle. Lebensmittelvorräte für eine Woche sind ein Minimum. Kreditkarten kann man im Notfall nicht verwenden. Nur Bares ist Wahres. Laufend eingenommene Arzneimittel sollten immer für eine Woche auf Vorrat vorhanden sein.  Statt mehr als ein Schlachttier in der Kühltruhe aufzubewahren, sollten weitere Kandidaten für Alaska solange wie möglich lebend im Stall stehen bleiben. Tränkwasser für die Tiere kann man zum Beispiel auf dem Kohleherd aus Schnee gewinnen.  In der Nachkriegszeit hat man immer die Badewanne voll Wasser laufen lassen, bevor das Wasser ganz versiegte. Dann kann man sich wenigstens waschen. Mehr Vorsorge ist eigentlich nicht erforderlich, weil die Stromversorgung in der Regel nach ein bis fünf Tagen wieder funktioniert. Überstehen von fünf Tagen Stromsperre ist keine Heldentat und kein Survivaltrip.

Ich kann mich noch sehr gut an den Winter 1978/79 erinnern. Am 31.12.1978 gegen 16 Uhr fiel die Temperatur binnen fünf Minuten um mehr als 25 Grad. Mit dem Fall der Temperatur kam ein eisiger Wind auf. Weitere sechs Stunden später standen alle Kraftwerke still. Strom stand etwa vier Tage nicht zur Verfügung. Er fiel Sylvester aus und kam Mitte der ersten Januarwoche wieder, in Ostberlin natürlich etwas schneller. Alle Leute hatten damals noch Kohleöfen. Die wurden geheizt. Trotzdem war es so kalt, daß man ins Bett kroch und die Decke über den Kopf zog. Kerzen waren am 2. Januar binnen von zwei Stunden komplett ausverkauft. Altarkerzen wurden in Stücke geschnitten und verteilt. Der Winterdienst funktionierte nicht. Nach einem Schneesturm versuchte ich am 3. Januar die Innenstadt zu erreichen. Nach 300 Metern bin ich umgekehrt, weil durch meterhohe Wehen nicht durchzukommen war. In der Toilette wurden Kerzen aufgestellt und Salz in die Becken geworfen, damit nichts einfriert. Die Küche wurde mit Gas soweit geheizt, daß die Wasserleitungen nicht einfroren. Als das alles vorbei war, waren durch die Gasfeuchte die Wände verschimmelt, und zwar leider nicht nur in der Küche . 1978/79 waren die Auswirkungen des Stromausfalls relativ klein, weil die Welt nicht technisiert und elektrifiziert war. Kühltruhen, Heizungspumpen, Internet, Telefon, Kreditkarten, private Kraftfahrzeuge, alle Segnungen der Zivilisation gab es nicht oder nur für wichtige Leute. Erstaunlicherweise brachen damals die Wasserversorgung und die Gasversorgung nicht flächendeckend zusammen.  Man konnte in vielen Orten noch kochen. Trotzdem ist ein Gefühl der Wehrlosigkeit gegenüber der Natur zurückgeblieben.

Diejenigen, die die Energiewende konzipiert haben, sind 1978/79 leider nicht bei der Übung im Osten dabei gewesen.  Sie sind technikverliebt und fortschrittsgläubig. Der erste Satz, den ich 1990 von den Altbundesbürgern gelernt habe hieß: „Geht nicht, gibts nicht“. Natürlich „geht“ auch die Energiewende. Allerdings ist das „gehen“ manchmal mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden. Aus zwei Beispielen kann man die Kosten eines Blackouts abschätzen: der Stromausfall im kleinen Münsterland 2005 hat 130 Mio. € gekostet. Der Blackout in acht amerikanischen Bundesstaaten im Hochsommer 2003 hat zwischen 6,8 und 10,3 Mrd. $ gekostet. Im Winter wären die Kosten mehrfach höher gewesen. Ein flächendeckender Blackout in mehreren Bundesländern würde ebenfalls einen Schaden im zweistelligen Milliardenbereich hervorrufen.  Aus Schaden wird man klug. Ob das für die Grünen aller Parteien auch zutrifft?

Einen Ratschlag hatte ich noch vergessen: Für die langen Abende mit der Familie bei Kerzenschein sollte man ein Mensch-ärgere- dich-nicht-Spiel parat haben.