Bombenstimmung im Wahlkampf

Immer wieder wird die Vereinbarkeit von Islam und Demokratie bezweifelt. Jetzt gerät eine der wenigen moslemischen Demokratien ins Wanken: Die Türkei.

Dabei ist sie eine aufsteigende Regionalmacht und fühlt sich gar zu Höherem berufen. China, die Türkei, der Islamische Staat, der Iran und viele andere Akteure drängen neben Rußland und den Vereinigten Staaten auf die große Weltbühne. „Was für ein buntes Bild!“ So schwärmte der unvergessene Mainzer Elferratschef Rolf Braun immer, wenn die zahlreichen Mainzer Carnevalsvereine ihren Nachwuchs in Uniformen auf der Narrenbühne präsentierten.  Was für ein buntes Bild, wenn man heute in Asien oder Afrika den Nachwuchs an Glaubenskriegern anschaut!

Vor kurzem vermutete dieser Blog, daß Türkenpräsident Erdogan im Schatten eines Bürgerkriegs gegen die Kurden auf Neuwahlen hinarbeiten wird. Im Juni hatte er die Parlamentswahl verloren und es kam zu keiner Koalition, weil die Oppositionsparteien untereinander zerstritten sind wie die Kesselflicker. In der Erwägung im Angesicht eines Krieges als Retter vor dem Chaos dazustehen, begann Erdogan den eingefrorenen Bürgerkrieg mit den Kurden zu reanimieren. Nur daß sich an diesen fast hundertjährigen Krieg nun weitere Akteure dranhängen, damit hatte Erdogan nicht in dieser Konsequenz gerechnet. Wir sehen eine klassische Situation, wo selbst dem alten Hexenmeister die Zauberkünststücke entgleiten. Denn es sind neue Akteure in dem heillosen morgenländischen Durcheinander aufgetaucht, noch frömmere Moslems, als die alten Herren von der regierenden Fortschrittspartei AKP.

Die Türkei würde Gesetze befolgen, die nicht im Einklang mit dem Islam seien, Erdogan selbst sei ein „Taghut“, ein Götzendiener, der sich mit anderen Götzendienern und Juden gemein mache. Zudem hätte Erdogan bereits einen Friedensprozess mit der atheistischen Kurdenpartei PKK begonnen. So die Propaganda des Islamischen Staats, der möglicherweise hinter dem gestrigen Anschlag in Ankara steckt.

Nun gibt es bei der Bekämpfung von Gegnern eine gewisse durch den Koran vorgezeichnete Reihenfolge. Ganz schlimm sind der Abfall vom Glauben und Atheismus. Auch die Zugehörigkeit zu Religionen, die nicht im Koran vorkommen, also keine sogenannten Buchreligionen sind, ist sehr riskant. Christen und Juden dagegen sind Anhänger der Buchreligionen. Sie können unter bestimmten Bedingungen geduldet werden. In der Praxis gibt es damit jedoch immer wieder Probleme.

Nun wird Erdogan also als Götzendiener bezeichnet, was so gut wie ein Todesurteil ist. Andererseits wird ihm vorgeworfen mit der PKK zu verhandeln, die wegen ihrer marxistisch-leninistischen Vergangenheit und ihrer grün-linken Gegenwartspolitik in den Augen des IS zu den Atheisten zählt.

Die frommen Moslems haben sich zunächst für die Bekämpfung der Kurden entschieden, da diese im Irak wie auch in Syrien den härtesten Widerstand gegen den Islamischen Staat leisten. Erst danach soll offensichtlich Erdogan weggebombt werden.  Die türkische Regierungspolitik erleichtert diese Strategie. Nie konnte sie sich entscheiden, wie mit dem Islamischen Staat umzugehen  ist. Zwischen Unterstützung, Tolerierung und Bekämpfung  spannte sich ein breiter Bogen.  Immer hatte Erdogan das Kalkül, daß sich der Islamische Staat und die Kurden zuerst möglichst gegenseitig schwächen sollen. Jeder IS-Anhänger, der aus Deutschland kam, konnte durch die Türkei problemlos in den Gottesstaat gelangen, den Kurden wurde die türkische Unterstützung bei der Verteidigung der kurdischen Stadt Kobane in Nordsyrien lange verweigert oder der Nachschub erschwert..

Die Selbstmordanschläge in Suruc im Juli und in der Hauptstadt Ankara gestern richteten sich gegen Anhänger der Kurdenpartei und wurden vom türkischen Geheimdienst nicht verhindert. Ob der Geheimdienst geschlafen hat oder ob er die Augen geschlossen hat – wir wissen es nicht.

Zwei Folgerungen müssen wir ziehen: Erstens: Die Türkei ist für die Mitgliedschaft in der EU nicht reif, weil es keine demokratische Kultur gibt. Keine der vier im Parlament vertretenen Parteien ist mit einer anderen koalitionsfähig.  Jede setzt auf den totalen Sieg und die Folge ist wie man sieht der totale Krieg. Zweitens: Der Bürgerkrieg kann auch auf Deutschland übergreifen und Unbeteiligte in Mitleidenschaft ziehen. Die Bundesregierung muß Rechtsreformen durchziehen, die eine knallharte und schnelle Reaktion auf ausbrechende Unruhen ermöglichen, ohne daß gleich die Notstandsgesetze in Anwendung kommen müssen. Insbesondere muß es möglich werden, Unruhestifter kurzfristig vor die Tür zu setzen, um eine wirkungsvolle Abschreckung  zu erzielen.  Damit ist Bundeskanzler Frau Dr. Angela Merkel jedoch überfordert. Sie muß lieber heute als morgen gestürzt werden.