Merkel rutscht auf Knien nach Ankara

Als nach 1945 die ersten Schritte zu einer Völkerverständigung in Europa getan wurden, steckte allen Beteiligten die Schrecken zweier Weltkriege noch in den Knochen. Man wollte einen Neustart wagen. Der Europarat wurde von zehn westeuropäischen Staaten gegründet. Er erhielt am 5. Mai 1949 von Belgien, Dänemark, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, den Niederlanden, Norwegen, Schweden und dem Vereinigten Königreich im Londoner Zehnmächtepakt sein formales Statut.

In diesem Pakt wurde das Recht jedes Menschen auf Leben gesetzlich geschützt. Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden bzw. gezwungen werden, Zwangs- oder Pflichtarbeit zu verrichten. Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf nur auf gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden. Jede Person hat ein Recht darauf, daß über Streitigkeiten in bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen Gericht entschieden wird. Niemand darf wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach innerstaatlichem oder internationalem Recht nicht strafbar war.

Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz. Jede Person hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfaßt die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu wechseln. Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Jede Person hat das Recht, sich frei und friedlich mit anderen zu versammeln und sich frei mit anderen zusammenzuschließen. Männer und Frauen im heiratsfähigen Alter haben das Recht, nach den innerstaatlichen Gesetzen eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen. Der Genuß der in dieser Konvention anerkannten Rechte ist ohne Diskriminierung insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der politischen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status zu gewährleisten.

Soweit die damals geltenden Grundsätze. Immer mehr Länder traten dem Europarat bei und mußten die oben aufgelisteten Werte leben. Mehr oder weniger, wie man inzwischen sieht.

Bundeskanzler Frau Dr. Merkel hat sich in der Asylpolitik böse verrannt. Sie weiß nicht recht wie sie aus der Willkommensnummer wieder herauskommen soll. Nun ist guter Rat teuer und jedes Mittel recht. Der Merkelsche Marsch in den Asylstaat soll jetzt mit Hilfe der Türkei gestoppt werden. Die Türkei verlangt als Gegenleistung 3 Milliarden € Cash, visafreien Zugang nach Europa und das Zudrücken aller Augen und Hühneraugen bei den laufenden Beitrittsverhandlungen zur EU. „Wenn es ohne die Türkei nicht geht, warum nehmt ihr die Türkei dann nicht in die EU auf?“, fragte Erdogan breitbrüstig am Freitag in Istanbul. Die Türkei sei schließlich in vielen Punkten weiter als viele EU-Mitgliedsstaaten, etwa in der wirtschaftlichen Entwicklung. Wenn man die Türkei mit Griechenland vergleicht, hat er sogar recht.

Die europäischen Staats- und Regierungschefs hatten sich auf Insistieren von Merkel in der Nacht zum Freitag auf einen Aktionsplan geeinigt. Die Vereinbarung sieht vor, bei der türkischen Regierung betteln zu gehen und als Gegenleistung für schärfere Grenzkontrollen unter anderem die Visa-Pflicht für türkische Staatsbürger schneller zu lockern.

Mit einer Einstufung als sicheres Drittland würde Erdogans Türkei das Gütesiegel einer funktionierenden Demokratie verliehen, was die Opposition in Ankara verärgern dürfte. Was ist, wenn Erdogan die Wahl am 1. November nicht gewinnt? Fährt Merkel dann zur siegreichen Opposition um Abbitte zu leisten? Was ist, wenn das Machtvakuum in der Türkei sich weiter verfestigt? Aus Sicht neutraler Beobachter hat Erdogan die Neuwahlen im November nur angeordnet, um das Ergebnis der Juni-Wahl zu seinen Gunsten zu korrigieren.

Merkels Reise am kommenden Sonntag nach Ankara eine Woche vor der Türkenwahl ist alles Mögliche: Ein Akt deutscher Verzweiflung, ein ungeschickter Eingriff in die verfahrene türkische Innenpolitik und eine entwürdigende Bettelreise, wo Erdogan alles fordern kann, was er bisher wegen demokratischen Defiziten in seinem Land nicht bekommen hat. „Am Sonntag werden alle Fragen – von der Lage in Syrien, über die Visafreiheit, einen sicheren Herkunft- und Drittstaat, den gemeinsamen Kampf gegen Terrorismus bis hin zur Situation der Menschenrechte in der Türkei auf den Tisch kommen“, hatte Merkel in ihrer Regierungserklärung am Donnerstag betont.

Schauen wir uns an, wie die hehren Menschenrechte in der Türkei mit Füßen getreten werden. Mit der nationalen Minderheit der Kurden tobt seit etwa 80 Jahren ein permanenter Bürgerkrieg. Wer aktuell daran Schuld ist? Eigentlich egal. Beide Kriegsparteien schenken sich nichts. Die Armenier wurden ausgerottet, die Griechen wurden vertrieben. Sicher, die Griechen waren daran nicht unschuldig, aber Vertreibung ist keine Antwort. Die Schuld am armenischen Völkermord wird noch heute geleugnet.

Die Christen werden in der Türkei diskriminiert. Enteignete Gebäude werden nicht zurückerstattet. Der Übertritt zum Christentum ist lebensgefährlich. Journalisten sind Freiwild der Justiz und die Justiz ist nicht unabhängig und handelt ähnlich wie in Rußland oder Weißrußland auf Weisungen der Regierung.  Darunter leidet die Meinungsfreiheit. Demonstrationen sind eigentlich nicht mehr möglich, weil Bomben explodieren, mit oder ohne Wissen des Geheimdienstes. Der türkische Staat ist gemessen an europäischen Regeln eine einzige Katastrophe.

Das geht uns Europäer wirklich nichts an. Sollen sich die Völker fern in der Türkei die Köpfe spalten, wie Goethe die Gepflogenheiten in der Türkei resumierte. Europa muß seine Nase nicht in jeden Dreck stecken. Das bedeutet aber auch, die Türkei nicht in die EU aufzunehmen. Denn schlechte Gewohnheiten verbreiten sich in Windeseile und verdrängen gute Traditionen ganz schnell.

Einige Optimisten hatten geglaubt, daß Griechenland durch den EU-Beitritt geläutert wird und sich wirtschaftlich und kulturell an das größere Europa anpaßt. Das Gegenteil war der Fall. Europa hat sich an Griechenland auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner angepaßt. Ein winziges Land hat die Glaubwürdigkeit Europas und der Eurowährung wirklich restlos und dauerhaft zerstört. Die europäische Idee ist nachhaltig diskreditiert. Alle Nationalstaaten mit Selbsterhaltungstrieb suchen nur noch verzweifelt den Notausgang aus der EU.

Einige Phantasten glauben durch den Beitritt der Türkei zur EU aus dieser ein europäisches Land zu machen. Eher macht man aus Europa Asien, als daß man die Türkei ändert. Präsident Erdogan kann diese Woche vor Kraft nicht mehr laufen, während Frau Dr. Merkel in ihrer selbstverursachten Panik dabei ist, alle Werte Europas bedenkenlos über Bord zu werfen.