Merkel gehört auf die Transferliste

Die Bundesregierung wischt es einfach weg. Die Medien haben wie üblich eine Nachrichtensperre verhängt: In der Türkei toben zwei Kriege gleichzeitig. Ein Bürgerkrieg und ein Religionskrieg. Und Frau Dr. Merkel hat zumindest den Bürgerkrieg mit ihrem verhängnisvollen und selbstherrlichen Interwiev bei Anne Will nach Kräften angefacht. Am 7. Oktober 2015 (am „Tag der Republik“ – war das Absicht?) war das im ARD-Hauptstadtstudio passiert. Dieser Tag markiert den Anfang der neuesten Stufe des Zerfalls der EU und den erneuten Beginn des Bürgerkriegs in der Türkei.

Gerade war die Macht von Präsident Erdogan nach der Juniwahl von 2015 leicht ins Wanken geraten. Die Kurdenpartei war ins Parlament eingezogen und die dauerregierende Fortschrittspartei AKP hatte ihre Mehrheit verloren. Alles lief auf Neuwahlen hinaus und die Umfragen deuteten auf eine Wiederholung des Wahlergebnisses vom Juni hin. In dieser fragilen Situation brach ein ungeschicktes Trampeltier in den türkischen Porzellanladen ein. Mitten im Wahlkampf fuhr Frau Dr. Merkel zu Erdogan und bescherte ihm durch Ihren geäußerten Wunsch, die Außengrenze der EU quasi in die Türkei zu verlegen medienwirksame Wahlkampfhilfe. Sie stellte wieder einmal lauter Dinge in Aussicht, die in der EU nicht abgesprochen waren. Visumfreiheit, weitere Verhandlungen über den EU-Beitritt und 3 Milliarden €. Als wenn Europa aus der Reichshauptstadt Germania autokratisch regiert werden würde. Erdogan gewann mit Merkels Hilfe die Wahl im November glanzvoll und seitdem tobt der Bürgerkrieg mit den Kurden.

Allerdings ist dem für den Islam eifernden Türkensultan die Kontrolle über die Religion völlig entglitten. Jahrelang hatte er sunnitische Araber gegen alawitische, jesidische und christliche Araber sowie gegen die Kurden in Syrien unterstützt. Die Unterstützung erfolgte passiv, aber sehr effizient durch Tolerierung eines ungestörten Grenzverkehrs. Die Sunniten konnten täglich hunderte Transporte mit Rohöl in die Türkei senden und die aus Europa anreisenden Kämpfer des IS hatten keine Schwierigkeiten, das syrische Kampfgebiet über die Türkei zu erreichen. In voller Montur. Es gab nicht den Hauch einer Grenzschließung.

Die Geister, die Erdogan rief, wird er nun nicht los. Längst hat der Krieg in Syrien auf die Türkei übergegriffen. Erdogan wird vom islamischen Staat als Gehilfe des Satans bezeichnet, weil in der Türkei die Scharia nicht die einzige Rechtsquelle ist. Erdogan ist zwar fromm, den mit Gut und Blut Eifernden aber nicht fromm genug. Kaum ein Bombenattentat, bei dem die Regierung in Ankara weiß, ob die Ursache kurdischer Nationalismus oder schiitische Frömmigkeit ist. Jeder kämpft gegen jeden: Die Kurden gegen Erdogan und den IS, die Türken gegen die Kurden und den IS. Der IS gegen die Türken und gegen die Kurden. Das ist Naher Osten pur.

Weil dieses Chaos nicht als groß genug erachtet wurde, hat Erdogan auch noch mit Rußland gezündelt. Im syrisch-türkischen Grenzgebiet, auf der Krim und in Aserbaidschan kam es in letzter Zeit zu militärischen oder bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen mit Rußland. Erdogan spekuliert offensichtlich auf die Unterstützung der amerikanischen Falken um Barack Obama und Hillary Clinton. Aber was wird, wenn nicht Clinton, sondern eine der beiden Friedenstauben Bernie Sanders oder Donald Trump die Präsidentenwahl gewinnt? Dann steht Erdogan alleine im Regen. Frau Dr. Merkel wird ihm dann nicht mehr helfen können, Deutschland ist mangels Atombewaffnung nicht souverän.

Für heute hatte Frau Dr. Merkel die Zerschlagung des gordischen Knotens der Asylfrage auf einem EU-„Flüchtlings“-Gipfel gelobt (auf dessen Tagesordnung früher einmal die Vorkehrungen gegen den Brexit standen). Die „Willigen“ in der EU sollen anteilig die Kosten für die Türkeihilfe übernehmen und Asylantenkontingente bei sich aufnehmen. Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu sollte als Hauptbeteiligter mit teilnehmen. Wegen des gestrigen Bombenattentats in Ankara hat er seinen Besuch beim EU-Gipfel jedoch abgesagt. Daran kann man die türkischen Prioritäten leicht erkennen. Merkel ist nicht wirklich wichtig. Die kann man vor ihren europäischen Amtskollegen ruhig blamieren. Ein Treffen der „Willigen“ (Deutschland, Österreich, Belgien, die Niederlande, Luxemburg, Schweden, Slowenien, Portugal, Frankreich und Griechenland) wurde abgesagt. Österreich, Schweden und Frankreich haben inzwischen eh die asylpolitische Notbremse gezogen.

Die Schadenfreude über Merkels Scheitern sollte sich in Grenzen halten. Die Türkei rutscht immer tiefer in religiöse, nationale und internationale Konflikte ab und ist deshalb als Pufferstaat gegen das syrische Chaos denkbar ungeeignet. Der einfache Türke, aber auch der deutsche Türkeitourist, der in die Luft gesprengt wurde (und werden wird ) und somit die Merkelsche und Erdogansche Paranoia im eigenen Blut auszubaden hat, kann einem Leid tun.

Das kommunistisch-rechtsnationalistische Griechenland hat sich als europäischer Partner längst disqualifiziert und erledigt. Daß die Außengrenze der EU jetzt auf Nicht-EU-Gebiet errichtet wird – nämlich in Mazedonien – spricht über die gescheiterte Merkelsche Europa- und Nahostpolitik Bände. In der Berliner Regierungsmannschaft ist die Auswechslung des Kapitäns überfällig. Die Spielführerin gehört nicht einmal auf die Reservebank, sondern auf die Transferliste. Vielleicht braucht sie ein chilenischer Verein…