Woran man ein morgenländisches Attentat erkennt

Schon in der Russenzeit gab es versierte Entschlüsselungsexperten, sogenannte Kremlastrologen, die aus getürkten Zeitungsmeldungen den wirklichen Hergang von Ereignissen rekonstruieren konnten. Da wurde zum Beispiel 1980 über „Störungen im Arbeitsrhythmus“ berichtet. „Aha, die polnischen Kollegen streiken!“

Heute sind es meist Berichte über Attentate, die verschlüsselt werden. Hier ein paar Sprachregelungen:

Es ist von einem deutschen Tatverdächtigen die Rede, der Peter oder Anton heißt

Die Tat hat keinen religiösen Hintergrund

Die Tat hat auch keinen politischen Hintergrund

Der Tatverdächtige war in psychiatrischer Behandlung

Der Tatverdächtige war arbeitslos und/oder wurde gemobbt

Es gab zu wenige Sozialarbeiter und Städtebauprogramme im Wohnumfeld

Es wurde ein Messer, eine Machete, eine Axt oder ein Beil verwendet

Es wurde alternativ ein Auto in eine Menschenansammlung gefahren

Es wurde ein Sprengstoffgürtel oder Rucksack gezündet

Der Tatverdächtige warf jemanden aus dem Fenster

Der Tatverdächtige trat einem am Boden Liegenden gegen den Kopf

Die Presse berichte von einer „Schießerei“

Jakob Augstein diagnostiziert „Grabschereien“

Beim Tatverdächtigen handelt es sich um keinen Flüchtling

Der tatverdächtige syrische Flüchtling war ein „Nordafrikaner“

Der Tatverdächtige hat sich turboschnell radikalisiert

Für den Augenblick ist es nicht möglich, eine Verbindung zum IS herzustellen

Das Gerücht, daß der Tatverdächtige „Allahu akbar“ gerufen hat, bestätigte sich nicht

Es war eine Beziehungstat

Die Hintergründe der Bluttat und das Motiv sind noch völlig unklar

Der Täter (in diesem Fall nicht der „Tatverdächtige“) war rechtsradikal und hatte am 20. April Geburtstag

Es war ein Amoklauf

Der Tatverdächtige war ein Einzeltäter

Die Kanzlerin ist entsetzt über die schreckliche Gewalttat

Der Bundespräsident spricht von einem feigen Anschlag

Es gibt wie bei der Kremlastrologie auch immer ein Restrisiko des Irrtums. Wenn jemand aus dem Fenster geworfen wird, kann der Täter auch ein Georgier sein, wie folgende russische Anekdote beweist: Ein Georgier steht vor dem Richter. Er hat seine Frau vom Balkon des vierten Stocks geworfen. Der Richter fragt ihn, warum er das getan hat. Der Angeklagte: „Aus reiner Vergeßlichkeit. Wir haben bis vor kurzem im ersten Stock gewohnt.“