Wien bestimmt wo es lang geht

Das Europäische Haus – wenn man darunter die EU versteht – ist eine Bauschadensammlung. Schon im Fundament befinden sich einige große Risse. Der Euro-Riß zwischen den nördlichen Stabilitätskulturen und den Inflationsgesellschaften des Mittelmeerraums. Der Asyl-Willkommensriß zwischen den gerade der Fremdherrschaft entkommenen Völkern im Ostflügel und den saturierten Egotrip-Gesellschaften der Westfront. Der Lifestyleriß zwischen den ernsthaften germanischen Mülltrennern der Nordfassade und den lebenslustigen mediterranen Flaschenwegwerfern. Und der Graben zwischen dem kontinientalen Haupthaus und dem insularen Nebengebäude.

Bisher sind alle Risse mit DM- und Euroinjektionen repariert worden. Mit Fördergeschenken, Krediten und Erpressungen. Da das gemeinsame Haus auf dem Sand von Geldtransfers und nicht auf dem Fels gemeinsamer Traditonen aufgebaut ist, nehmen die Reparaturen kein Ende und werden immer teurer.

Großbritannien ist so gut wie ausgezogen. Donald Trump nutzt die Gunst der Stunde, um das Inselreich zu umwerben und zu einem Verbündeten zu machen.

Er hat angefangen an der fragilen Eurokonstruktion zu rütteln. Wenn man Deutschland eine zu niedrige Bewertung der Währung vorwirft, ist das eine unverblümte Aufforderung zum Austritt aus dem schwächelnden Euro. Diese amerikanische Forderung liegt auf dem Tisch. Der Süden der EU hat ohnehin keine andere Chance wieder wettbewerbsfähig zu werden.

2015 lag die Wirtschaftsleistung der USA bei 16,3 Billionen €, die der EU bei 14,7 Billionen €. Wenn man Großbritannien (2015: 2,6 Bio. €) aus der EU herausrechnet und den USA hinzuzählt, so ändert sich die Relation deutlich: 18,9 : 12,1. Da weiß man, wer im Außenhandel der Hund ist und wer der Schwanz. Die amerikanische Forderung, die deutsche Außenwirtschaft in Ordnung zu bringen, erfolgt aus einer Position der wirtschaftlichen Stärke heraus.

Kürzlich war der Bundeskanzler Frau Dr. Merkel in Warschau zu Gast. Sicher wurde über die Asylantenverteilung, über Rußland, über die Sanktionen, über Nordstream, über das polnische Justizsystem und über die NATO gesprochen. Viele Punkte sind strittig. Es gibt noch ein einziges einigermaßen gemeinsames Interesse zwischen Deutschland und Polen: Die Verteidigung der europäischen Ostgrenze einigermaßen glaubwürdig aufrecht zu erhalten. Diesem Ziel ordnete die polnische Seite alles andere unter und vermied in Streitfragen den Eklat.

Was passiert jedoch, wenn Donald Trump sich für manche Beobachter unverhofft zur Verteidigung des europäischen Ostens bekennt?  Viele Medien haben die Affinität der neuen amerikanischen Führung zu Rußland etwas hochgejazzt. Denn für Trump gibt es die Versuchung, den deutschen Machtanspruch auf die Leadership der „Freien Welt“ in Frage zu stellen. Ja es ist geradezu eine Notwendigkeit Trumpscher Politik das derzeit renitente Deutschland endgültig zu isolieren, zu demütigen und zur Räson zu bringen. Ein Hebel wäre es, den ganzen Osten in der Asylfrage gegen Deutschland aufzubringen. Das funktioniert aber nur mit einem klaren amerikanischen Bekenntnis zur NATO und zur Verteidigung auch der kleinen Baltenrepubliken.

Einige Zeichen deuten auf den Umbau der NATO zu einer kraftvolleren Struktur hin. Die Trumpsche Bemerkung, daß die NATO „obsolet“ sei, kann sich auch auf die Kostenbeteiligung bezogen haben. Welchen Sinn würde es sonst machen, wenn der amerikanische Verteidigungsminister bis zum Jahresende von den Verbündeten einen Rapport über die Erbringung deutlich steigender Militärausgaben fordert?

Derzeit gibt es eine einwanderungskritische Haltung in Prag, Wien, Budapest, Bratislava, Ljubljana, Tallin, Riga, Vilnius, Kopenhagen, Helsinki, Zagreb und Sofia.  Paris, Rom und Den Haag stehen auf der Kippe. Eigentlich ist Deutschland schon jetzt, abgesehen von den Benelux-Ländern und Schweden, allein auf weiter Flur. In vielen Hauptstädten wird mit Recht geargwöhnt, daß Deutschland seine finanziellen Ressourcen an der Asylfront verpulvert, statt weiterhin der Zahlmeister Europas zu sein. Diese Sorge bekam durch den bevorstehenden Austritt des EU-Nettozahlers Großbritannien zusätzliche Nahrung.

In dieser Situation wäre eine Achse der Visegrad-Staaten und Österreichs mit den Vereinigten Staaten das Ende der EU wie wir sie bisher gekannt haben. Statt in Paris und Berlin würde in London und in Wien die europäische Musik spielen. Eigentlich ist dieser Wechsel schon längst im Gange. Das Quasi-Habsburg Südosteuropas hat die Balkanroute gegen den ausdrücklichen Willen Berlins mehr oder weniger gesperrt. Und es wird auch den Brenner dichtmachen, wenn es erforderlich wird. Auch wenn Merkel vor Wut über den eigenen Gesichtsverlust wieder toben wird. Nach der Brennersperrung wird es in Italien unweigerlich zum Machtwechsel kommen. Das was von der Achse Berlin – Rom noch übrig ist, steht dann zur Disposition.

Eine klare Abgrenzung der NATO nach Osten muß Rußland nicht unbedingt verärgern, vor allem wenn den russischen Interessen im Nahen Osten mehr Verständnis entgegengebracht wird und wenn die Erdgaslieferungen nach Europa weiter möglich sind. Das russische Langzeitproblem sind die vielen Turkvölker an den Südgrenzen und innerhalb Rußlands. Die russische Führung wird den Süden deshalb nie aus den Augen verlieren. Er ist für Moskau seit Jahrhunderten prioritär.

Viele Beobachter haben die Hoffnung, daß Deutschland und Frankreich nach den Wahlen, die fast gleichzeitig in beiden Ländern stattfinden, wieder zusammenfinden und Führung übernehmen. Frankreich ist jedoch seit dem Bataclan-Massaker und der Nizza-Irrfahrt völlig paralysiert. Auch außenpolitisch herrscht eigentlich Sendepause zwischen den ehemaligen europäischen Bestimmern. Seit dem Einsickern von Terroristen über Deutschland nach Frankreich herrscht zwischen Paris und Berlin eine peinliche Sprachlosigkeit. Es ist eine spannende Frage, ob der zukünftige französische Präsident die staatliche Macht überhaupt wieder aufrichten kann und wie groß das Interesse sein wird, sich mit einem unberechenbaren Deutschland im Interesse Europas wieder abzustimmen. Die Umstände der derzeitig laufenden OPEL-Übernahme lassen leise Zweifel an der Machbarkeit der Achse Paris-Berlin aufkommen.

Mit wenigen Kunstgriffen hätte Präsident Trump die Option, deutsches Ungeschick zu nutzen, die Machtverhältnisse in Europa völlig zu verändern und das renitente Berlin der Groko zu einer unbedeutenden Kuhbläke zu degradieren. Den Kurfürstendamm könnte die rotrotgrüne Stadtregierung, die ohnehin einen Hang zu Straßenumbenennungen hat, dann in Kuhfürstendamm umbenennen. Die alte Hauptstadt Deutschlands war über 300 Jahre lang Wien. Vielleicht gibt es 2018 ganz neue europäische Konstellationen? In Umbruchzeiten gibt es viel Raum für Spekulationen.