Die Kirche hat den Kompaß verloren

Die regierungsfrommen deutschen Amtskirchen greifen die außerparlamentarische Opposition unter dem Label „Rechtspopulisten“ direkt oder indirekt an. Mal macht man nur das Licht aus, mal sollen die blauen Schäfchen von Gemeindekirchenräten ferngehalten werden, mal fuchtelt man mit der Moralkeule herum. Aber bewegt man sich da wirklich auf den Spuren von Jesus?

In Jericho steht ein uralter Baum. Der Autor dieser Zeilen hat keine Kosten und Mühen gescheut und ihn aus urheberrechtlichen Gründen persönlich fotografiert, um ihn als Beitragsbild einzustellen. Auf ihm soll der kleinwüchsige Steuereinnehmer Zacharias gesessen haben, um Jesus zu sehen, als dieser in der Stadt einzog. Jesus ging zu ihm hin, holte ihn vom Baum und ließ sich von ihm nach Hause einladen. Dann las er ihm die Leviten und Zacharias änderte sein bisheriges Leben.

Zacharias war vor dem Treffen kein Oppositioneller, kein Dissident, kein Liberaler, kein Populist, sondern ein Staatsdiener, der die Leute um Zölle und Steuern erleichterte. Einer, der mit der römischen Herrschaft und mit der damit verbundenen Macht eng verbandelt war. Ein Mann des Establishments. Einer, der Gesicht zeigte, wenn die römische Herrschaft, die Legitimation von Herodes und die Weisheit der Pharisäer und Schriftgelehrten angezweifelt wurde. Bis er von Jesus umgekrempelt wurde. Jesus war dagegen eher der Anführer der Alternative für Samaria und Judäa.

Jesus hätte bei einer Tour durch Deutschland nicht Alice Weidel oder Björn Höcke vom Baum geholt, sondern eher die satten und selbstherrlichen Amtsträger Angela Merkel und Martin Schulz. Er stieß eher bei den Mächtigen an, als beim sündigen Volk.

Eine ähnliche establishmentkritische Haltung erkennt man bei der Geschichte von der Tempelreinigung. Die zu enge Allianz zwischen Glauben und Geld war Jesus suspekt. Er trieb die gewerblichen Geldwechsler raus und schmiß ihre Tische um. In die heutige Zeit übersetzt bedeutet das, die Fördermitteltröge aus dem Bereich des kirchlichen Umfelds zu verbannen, ebenfalls die von der Finanzverwaltung eingetriebene Kirchensteuer abzuschaffen.

Zwar erlaubte uns Jesus dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist. Aber auch nicht mehr. Keine Machtanbetung, keine enge Verzahnung von Kirche und Staat, sondern Distanz. Kein Jerusalemer Tempeltag mit dem eingeflogenen Kaiser Augustus oder dem Landpfleger Cyrenius. Keine Podiumsdiskussion mit Fürst Herodes, Oberpriester Kaiphas und dem Prokurator Pilatus.

Ein Kirchentag in Sichtweite des Reichstags und des Bundeskanzleramts ist kaum im Sinne des Erfinders. Kirche und Staat müssen getrennte Wege gehen, denn sie haben unterschiedliche Aufgaben. Kriecherei vor Staatsoberhäuptern und regierenden Politikern war Jesus fremd. Er war nicht der charismatische Anführer einer bezahlten Lobbyorganisation, sondern seine Jünger waren eine wirkliche Nichtregierungsorganisation, die Distanz zur gekauften Zustimmung suchte und fand.

Die heutige Nähe der Kirchen zum Staatsungeheuer ist nicht ganz neu. Gerade im Lutherjahr sollte man eine Folge der Reformation in Frage stellen: Die Staatsnähe der Protestanten. Wenn man vom Königreich Sachsen einmal absieht, waren vom Augsburger Religionsfrieden 1555 bis 1918 die Landesherren auch Kirchenherren. Und als die Monarchen abdankten, wurde – noch schlimmer – der Zeitgeist zum Kirchenführer. In den Dreißigern schworen die protestantischen Pfarrer fast geschlossen den Beamteneid auf den Führer und in der Sowjetzone spielten sie in der Komödie „Christen im Sozialismus“ mit. Heute führen die Schleimspuren verschiedener protestantischer Kirchenschnecken in Parteihauptquartiere.

Es ist wieder einmal Zeit zur Tempelreinigung und zu einer distanzierten Haltung der Christen gegenüber Kaisern, Prokuratoren und Landpflegern.