Stuttgart braucht kein Schwein

Städte hatten früher den Vorteil, daß man mit kurzen Wegen viel erledigen konnte. Dienstleistungen, Wohnen, Arbeit und Vergnügen gab es auf engstem Raum. Irgendwann wurde das Gewerbe wegen Lärm und Emissionen herausgeekelt. Teilweise gingen die Industriellen und Handwerker auch freiwillig, weil das Bauland zu teuer und die Gewerbesteuern zu hoch waren. Dann kam die Auswanderung der Familien nach den Vorstädten und ins Umland. 1962 hatte Stuttgart 640.000 Einwohner, inzwischen sind es nur noch 624.000. 1962 hatte Baden-Württemberg 8 Millionen Einwohner, heute 10,8 Millionen. Der Anteil der Hauptstadtbevölkerung ist in 55 Jahren von 8 % auf 5,8 % geschrumpft. Das sagt alles über die Trostlosigkeit der Stadt und den Reiz des Umlandes aus.

Im neuen Jahrtausend begannen auch noch die Büros sich aus der Innenstadt zu verabschieden. Zu schlechte Erreichbarkeit für die Kunden. Und aktuell wird auch das Einkaufen in Passagen und Malls zunehmend uninteressant. Die große Zeit der Kaufhäuser ist schon lange vorbei. Einkaufen kann man ganz ohne Wege und Parkhausgebühren wenn man im Internet bestellt. Arztpraxen, Apotheken, Spielotheken, Pflegeheime, Rathäuser, Dönerbrater, Pimkie und Bijou Brigitte, Sanitätshäuser, Asialäden, Hörgerätehändler, Mc-Geiz-Filialen, Optiker und Krankenkassen beleben das Stadtbild nach wie vor. Aber reicht das auf Dauer?

Heute wurde die nächste Stufe der Stadtfluchtrakete gezündet. Der Diesel wird verboten. Die Medien gehen davon aus, daß nun alle Leute brav ihr Auto verkaufen werden und sich ins angeblich Alternativlose schicken. Aber ist Stuttgart das wert?

Google Maps zeigt uns fast nichts was an eine Stadt erinnert. Ein paar nette Häuser in der Nähe des Wilhelmsplatzes, das Landesmuseum mit dem Schillerplatz und das Schloß. Der Rest sieht aus wie nach einem Bombenangriff. Denn in den Aufbaujahren wurde insbesondere auf Betreiben des damaligen Dauer-OB Arnulf Klett auf historische Reminiszenzen verzichtet. Der Wiederaufbau erfolgte nach den menschenfeindlichen faschistoiden Idealen der Charta von Athen mit funktionaler Trennung in Wohn-, Geschäfts- und Industriegebiete und mit der obligaten Mindestbesonnung jedes Klofensters. So wurden auch ganze Straßenzüge und Plätze abgerissen, die durch den Krieg nicht oder kaum beschädigt waren. Der Marktplatz sieht nach der Totaloperation so wohnlich aus wie Gotham City. Joker ist derzeit der grüne Bürgermeister Fritz Kuhn, Catwoman ist über die Flachdächer der Stadt verzweifelt getürmt.

Nachdem man den Stadtkörper brutal vergewaltigt hat, will die Politik die letzten Bewohner austreiben. Mit dem Ziel einen Luftkurort aus einer Großstadt zu machen. Stuttgart ist es nicht wert, daß man sein Auto verscherbelt. Man sollte lieber seine Wohnung oder sein Haus zu derzeitigen Höchstpreisen verklingeln und sich woanders was kaufen oder mieten. Es gibt wesentlich schönere Städte in Deutschland: Schwerin, Görlitz, Trier, Erfurt, Rothenburg, Naumburg, Nördlingen und Dinkelsbühl. Dort kann man sogar seinen Diesel weiter fahren.

Früher wurde man von kleinen süddeutschen Despoten mit der Anweisung konfrontiert: „Verlassen Sie mein Land in 24 Stunden“. Heutzutage hat man mit dem Wegzug alle Zeit der Welt. Das Verbot soll erst ab Anfang nächsten Jahres durchgesetzt werden.