Die Schwampel nutzt der AfD

Die Altparteien überlegen, wie man die AfD zerlegen kann. Die AfD beschäftigt sich ihrerseits mit der Frage, wie man die Nationale Front 2.0 – diese abartige Wiedergeburt der gleichgeschalteten Volkskammer – von Dr. Merkel pulverisiert.

Sie wird die Dichtung in den Wahlprogrammen der Regierungsparteien, aber auch in denen der Opposition immer wieder mit der Wahrheit, oder besser mit der Realität konfrontieren. Das wird um so leichter gelingen, je mehr sich die Schwampel-Koalitionäre in ihren Verhandlungen verbiegen müssen, um zu einem Ergebnis zu kommen.

Die Ehe zwischen einer Partei, die vorgeblich Vertrauen in die Mündigkeit des Bürgers hegt, und einer klassischen Gängelungs- und Verbotspartei bietet ein großes Potential den Kontrahenten den Spiegel vorzuhalten. Der große Dritte im Bunde spielt keine Rolle. Denn die CDU wäre vom Schriftsteller Robert Musil zutreffend als die Partei ohne Eigenschaften beschrieben worden. Im Wahlprogramm der CDU steht nichts konkretes drin. Allenfalls ihr bayrischer Ableger hat das Potential die typischen Konflikte einer Dreierbeziehung zu erzeugen. Solange Horst Drehofer ihr vorsteht, ist nicht einmal ein kühner Sprung des bayrischen Löwen auf den Bettvorleger zu erwarten.

Nehmen wir zunächst mal das skandalöse Zensurgesetz, welches CDU/CSU und SPD kürzlich beschlossen hatten. Im Wahlprogramm der FDP heißt es:

Fake-News
Wir Freie Demokraten setzen uns für die Meinungs- und Pressefreiheit ein. Jenseits von falschen Tatsachenbehauptungen sind auch erfundene oder verfälschte Nachrichten, die sich in sozialen Netzwerken und einigen Presseportalen finden lassen, von der Meinungs- und Pressefreiheit abgedeckt. Diese muss gerade dann gelten, wenn andere Meinungen als die eigenen verbreitet werden. Das bedeutet für uns, dass wir jede Form von staatlicher Kontrolle oder Prüfung auf die Richtigkeit von Nachrichten oder Meldungen ablehnen. Ebenso lehnen wir die Einführung eines Straftatbestands der Desinformation ab.

Hass-Postings
Wir Freie Demokraten fordern, dass Polizei und Staatsanwaltschaft strafbewehrte Postings in sozialen Netzwerken konsequenter verfolgen. Hierzu müssen diese Behörden finanziell und personell angemessen ausgestattet werden. Den Betreibern der Angebote dürfen diese Aufgaben nicht
übertragen werden. Sie sind keine Zensurbehörde.

Das ist eigentlich klare Ansage. Wenn sich die FDP damit durchsetzen sollte – und das muß sie mindestens um nicht schon wieder als Umfallerpartei dazustehen – so ist das eine Klatsche für die Christdemokraten, die den Bockmist erst kürzlich beschlossen hatten. Aber ruckartige 180-Grad-Drehungen sind ja eine Spezialität der Kanzlerin. Für ihre nasse-Waschlappen-Partei ohne Richtung und Profil eigentlich kein Problem.

Ärger könnte es mit den Grünen geben. Da ist einerseits die Steuer- und andererseits die Energiepolitik der FDP ein Stachel im Fleisch des Umverteilungsstaats.

Wir Freie Demokraten wollen eine Belastungsgrenze für die direkten Steuern und Sozialabgaben im Grundgesetz festschreiben. Nur wenn den Bürgerinnen und Bürgern genügend von ihrem Einkommen bleibt, können sie sich ihre Wünsche erfüllen und eine eigene Altersvorsorge leisten. Moderate Steuer- und Beitragssätze schaffen diese notwendigen Freiräume. Die Gesamtbelastungsgrenze sollte 50 Prozent nicht überschreiten.

Der aufmerksame Leser fragt sich natürlich, warum indirekte Steuern, also Verbrauchssteuern weiterhin ungezügelt wachsen dürfen? Ist das eine Hintertür für den zukünftigen liberalen Finanzminister? Die Festschreibung im Grundgesetz kann die FDP natürlich vergessen, denn dafür braucht man eine Zweidrittelmehrheit. Vor dem Jüngsten Gericht ist mit dieser Mehrheit realistischerweise nicht zu rechnen. Aber wenn das die FDP nur für die nächsten vier Jahre im Koalitionsvertrag verankern will, gibts von überall Widerstand, außer von der oppositionellen AfD. Die Grünen wollen ja ausdrücklich Steuererhöhungen bzw. neue Steuern. Richtiger Ärger mit den Grünen ist in der Energiepolitik programmiert. Denn ihre treueste Klientel, die Windbarone und Solarjunker, werden die Grünen nicht oder nur bei Strafe des Untergangs verraten. Das FDP-Wahlprogramm ist die Kriegserklärung an den grünen Turbokapitalismus:

Als Ergebnis einer falschen Energiepolitik verliert Deutschland vor allem Unternehmen und Beschäftigte im Bereich der energieintensiven Industrien. Davon sind insbesondere die Chemie-, Stahl-, Metall-, Textil-, Bau- und Rohstoffindustrie betroffen. Wir wollen uns für bessere Investitionsbedingungen am Standort Deutschland einsetzen, damit die Investitionstätigkeit der Industrie nicht weiter zurückgeht, die zunehmend neue Anlagen und Standorte im Ausland errichtet. Wir wollen diesen wichtigen Branchen auch zukünftig wettbewerbsfähige Produktionsbedingungen in Deutschland ermöglichen, weil damit über eine Million hoch qualifizierte, überdurchschnittlich vergütete Arbeitsplätze verbunden sind. Deutschland ist Industriestandort, und Deutschland muss Industriestandort bleiben.

Anstelle weit in eine ungewisse Zukunft geplanter Ausbauziele für erneuerbare Energieträger soll das Auswahlverfahren des Marktes die Leitplanken der Investitionen in Netz und Kraftwerkskapazitäten setzen. Das Tempo beim Zubau der erneuerbaren Energien muss mit dem Ausbaustand der Übertragungsnetze, der Power-to-X-Technologie und Verteilnetze in einem zusammenwachsenden europäischen Energiebinnenmarkt sowie der Entwicklung von Speicher- und Steuerungstechniken zusammenpassen. Deshalb wollen wir das Dauersubventionssystem des EEG mit Einspeisevorrang und -vergütung beenden. Anlagen mit Förderzusage genießen Bestandsschutz.

Das grüne Wohlfühlprogramm hat nur Verbote und Direktiven nach Art der SED-Parteitage parat, es zeigt jedoch keine gangbaren Wege die deutsche Energieerzeugung mit Erneuerbaren zu wuppen. Der Diesel soll verboten werden, die Kohle und die Kernenergieforschung ebenso. Auf technische Probleme wie Stromspeicherung gibt das grüne Wahlprogramm keine Antworten. Es ist „wünsch dir was“. Kohleverstromung hatte 2016 einen Anteil an der deutschen Stromerzeugung von 46,9 %, Kernenergie von 18,9 %. Der weitere Zubau von Windkraftanlagen wird die CO2-Bilanz eher verschlechtern, weil sie nicht grundlastfähig sind und weil die grundlastfähigen Kernkraftwerke nach und nach vom Netz gehen. Mit der Energiewende kann sich die CO2-Bilanz nur verschlechtern. Das kann man schon seit Jahren beobachten.

Die Vorschläge der Liberalen sind einfach durchdachter, auch wenn Zweifel an der Sinnhaftigkeit einer CO2-Steuer erlaubt sein müssen. Die logischeren Vorschläge haben die besseren Chancen in Verhandlungen durchgesetzt zu werden. An der Energiepolitik kann die Koalitionsverhandlung scheitern, denn die Parteivölker in den grünen und gelben Bienenwaben sollen über den Koalitionsvertrag abstimmen.

Und dann gibt es natürlich noch europapolitischen Zündstoff, denn die FDP hat AfD-Positionen übernommen, die ursprünglich mal von Frank Schäffler entwickelt worden waren, in der FDP im Dezember 2012 aber am Widerstand von Rößler und Westerwelle gescheitert waren.

Wir Freie Demokraten wollen die europäischen Verträge so anpassen, dass Mitgliedstaaten nach einem geregelten Verfahren aus dem Euro-Währungsgebiet austreten können, ohne ihre EU-Mitgliedschaft zu verlieren. Denn wenn ein Staat dauerhaft überfordert ist, seine Wettbewerbsfähigkeit und Schuldentragfähigkeit innerhalb der Währungsunion wiederherzustellen, kann der Austritt aus dem Euro sinnvoll und notwendig sein.

Auch in der Renten- und Sozialpolitik haben die Liberalen originelle Ideen, die bei CDU und Grünen nur Kopfschütteln auslösen, im AfD-Programm aber auch ihren Platz haben:

Die Freie Demokraten wollen die bevorzugte Behandlung von Staatsanleihen von Zentralregierungen des Europäischen Wirtschaftsraumes bei der europäischen Regulierung von Banken und Versicherungen beenden und durch marktorientierte Ansätze ersetzen. Die aufsichtsrechtliche Fiktion der Risikolosigkeit der von Euroländern begebenen Anleihen war eine wesentliche Ursache der europäischen Staatsschuldenkrise.

Und die von den Grünen 1999 eingeführte Stromsteuer soll reduziert werden:

Wir Freie Demokraten wollen die Stromverbraucherinnen und -verbraucher entlasten und deshalb die Stromsteuer auf das europäische Mindestniveau absenken. Heute macht die Stromsteuer einen erheblichen Anteil des Strompreises aus. Die Stromsteuer sollte das Klima schützen und die Rente finanzieren. Beides hat sich als Illusion erwiesen. Stromeinsparungen durch hohe Strompreise bewirken unter den Bedingungen des europäischen Emissionshandels keine Treibhausgasminderungen. Für eine nachhaltige Finanzierung der Rente ist eine vernünftige Rentenreform nötig, kein Stopfen der Finanzierungslöcher durch die Stromsteuer.

Fazit: Wenn sich die FDP in den Koalitionsverhandlungen nur teilweise durchsetzen sollte, wird die grüne Basis kein grünes Licht geben. Wenn die FDP um des lieben Friedes willen ihr Wahlprogram opfert ist sie als Umfallerpartei angreifbar. Da alle ihre wichtigen Programmpunkte auch von der AfD verfolgt werden, haben die Alternativen dann gute Chancen den enttäuschten Lindner-Anhängern eine politische Heimat zu bieten und das Wählerpotential der Liberalen aufzusaugen.

Die Schwampel wird keiner der beteiligten Parteien guttun. Im Saarland gab es so eine Koalition von 2009 bis 2012 schon mal. Nach drei Jahren war sie am Ende und wurde durch eine Groko ersetzt. FDP und Grüne sind im saarländischen Landtag schon die zweite Legislaturperiode nicht mehr existent.  Bei der Bundestagswahl 2017 konnten die Grünen im kleinsten Flächenland die 5-%-Hürde nicht überwinden. Auch die CDU konnte vom Ende der Schwampel nicht profitieren. Sie erreichte 2012 magere 35,2 % gegenüber 34,5 % 2009.

Die AfD hätte allerdings ein Problem, wenn die FDP gegen alle Erwartungen in die Opposition ginge. Dann gäbe es zwei Oppositionsparteien, die in einigen Fragen fast gleiche Standpunkte vertreten. Die Sorge ist allerdings gering: Lindner geht auf ein Ministeramt los, wie unser Hund auf die Futterschüssel.