Ein Glyphosat-Verbot hätte Folgen

Landwirtschaft geht auch ohne Glyphosat. Denn bis etwa 1965 gab es keinen chemischen Pflanzenschutz. Die Pflanzenreste wurden damals als Stroh verwertet oder als Kartoffelkraut abgebrannt, und dann wurde möglichst spät im Jahr gepflügt. Spät, damit vor dem Winter kein Unkraut keimen konnte.

Die Kehrtwende in die gute alte Zeit ist jedoch nicht so einfach, weil einige Jahre nach der Gründung der Kolchosen humuszehrende Verfahren in Mode kamen. Man brachte keine organischen Dünger mehr aufs Feld und behalf sich mit Kunstdünger, Bewässerung und chemischer Unkrautunterdrückung. Zusätzlich wurde noch flach gepflügt. Von 1970 bis 1990 kam überhaupt keine Substanz mehr in den Boden, auch danach wurde nur sehr wenig Humus aufgebaut, auf einigen Flächen ging das Leben von der Substanz auch nach der Auflösung der LPGs lustig weiter. Man kann unter diesen Bedingungen bei flachen Verwitterungsböden nicht einfach wieder zum Pflügen übergehen, um das Unkraut kurz zu halten. Die Aufwertung von Böden dauert lange. Ein Beispiel:  Es dauerte bis in die dreißiger Jahre, bis die Düngungsdefizite aus dem nur vierjährigen Ersten Weltkrieg beseitigt worden waren.

In Mechelroda, wo ich ohne Glyphosateinsatz als sogenannter Spaßbauer tätig bin, steht unter 10 bis 15 cm Verwitterungsboden Fels an, bzw. eine Wechsellagerung von Kalkstein und Ton. An vielen Stellen bekommt man nicht einmal einen Weidezaun reingedrückt, man muß nach einem gängigen Loch im Boden suchen. Pflanzgruben für Bäume und Löcher für Zaunspfosten stellt man mit dem Abbruchhammer oder dem Minibagger her. Auf diesem Boden kann man Pflügen vergessen und ist auf Glyphosat angewiesen. Die Landwirte fahren mit der Scheibenegge über den Acker, das hört sich an wie der Betrieb einer Brecheranlage. Dieses Jahr hat ein Landwirt flach gepflügt, um Dung einzubringen. Da holt man massenhaft große Steine hoch.

Man muß den Boden langsam regenerieren. Ich habe das auf einer Versuchsfläche mit einer Größe von etwa 300 qm von 1991 bis 2010 gemacht. Einige Lkw-Ladungen Muttererde von einer Baustelle haben kaum etwas ausgemacht. Sie verteilten sich fast wirkungslos auf der Fläche. Mehr geholfen hat, daß zwanzig Jahre lang alle organischen Abfälle vom etwa 1 ha großen Garten auf diesen 300 qm niedergelegt worden sind. Im Prinzip war es eine Art großer Komposthaufen. Seit 2010 wurde Mist aus dem Schafsstall eingebracht. Im Ergebnis kann man mitteltief pflügen. Aber das ist eine kleine Versuchsfläche. Wo soll man die Substanz hernehmen, um einen Hektar wieder zu ertüchtigen?

Großtechnisch kann man etwas erreichen, wenn man fünfzig oder hundert Jahre am Stück extensive Weidewirtschaft betreibt. Dann baut sich wieder etwas Boden auf, wenn der Viehbesatz nicht zu hoch ist und im Spätherbst noch einmal gemäht wird. Ich mache das gerade mit einer 1 ha großen Weidefläche, die in der Russenzeit Acker war. Nach inzwischen sechs Jahren merkt man noch keine Verbesserung. Der Boden ist so fertig, daß auf der Weide immer wieder Hexenringe entstehen.

Wenn man tiefgründige Böden hat ist man freier in der Bewirtschaftung. In der Magdeburger Börde oder der Leipziger Tieflandsbucht kann man mit dem Pflug gegen das Unkraut ankommen, hat jedoch mit Ertragsrückgängen zu rechen. Ich will nur mal die Erträge von Weizen darstellen: In den 50er Jahren erreichte man deutschlandweit ohne Chemie 27 dt/ha, heute etwa 75 dt/ha.  Ein Teil des derzeitigen Mehrertrags geht auf Kunstdünger, ein Teil auf Glyphosat, welches die Wildkräuter unterdrückt. Darüber muß man sich klar werden und das muß man auch kommunizieren, bevor man Glyphosat verbietet. Darüber habe ich aber noch keine Aufklärungsberichte gesehen oder gehört. Die Medien befinden sich im harten Würgegriff von Greenpeace und berichten immer nur über Krebsrisiken, nie über Bodenerschöpfung, Erträge und die Auswirkungen auf die Ernährung in armen Ländern.

Die Kanzlerin neigt wie man schon in Euro-, Energie- und Einwanderungsfragen gesehen hat, zu Überraschungsschlägen, wo erst hinterher überlegt wird, wie das geschafft und gemanagt wird. Sie hat den Landwirtschaftsminister Schmidt gerade für seine Zustimmung zur Weiterverwendung von Glyphosat gerügt. Wie viele Rügen hätte sie selbst für ihre Alleingänge schon bekommen müssen?

Die Bauern in den Gebirgslagen mit schlechten Böden könnten ein Glyphosat-Verbot durch Umstellung auf Weidewirtschaft parieren. Das Dumme ist nur: Den Fleischverzehr können die Grünen ja auch nicht leiden. Die wollen ja irgendwelches Gemüse essen oder selbstgebackenes Brot. Zielkonflikte, wohin man schaut. Und für die sich die Kanzlerin nicht die Bohne interessiert. Die grünen Biobauern in meiner Umgebung sind alle in der Tierproduktion unterwegs. Das hat gute Gründe…