Der Ausgang eines historisch einzigartigen Experiments

Das Beitragsbild zeigt den Weg, auf dem die Herrenmenschen zum Strand gingen. Nach dem Zerfall ihrer Macht zerbröselt auch der Weg. Der Weg und der Strand befinden sich in Istrien. Genau genommen gegenüber der Insel Brioni, dem Feriendomizil von Diktator Tito. Hier bei Fazana war eine Art Militärstützpunkt um die Insel vor Angriffen zu bewahren. Von den zahlreichen Offiziersunterkünften steht nur noch eine und wird an Sonnenhungrige vermietet. Etwas abseits das Offizierskasino mit nebenliegender Selbstbedienung für die Mannschaften. Es ist jetzt eine Ruine.

Foto: Prabel

Wie mir Einheimische verrieten, war der Offizierskader, jedenfalls in den hohen Rängen fast astrein serbisch. Es war eigentlich eine Kolonialarmee, die in Fazana lagerte. Ich wurde gewarnt mich gegen teures Geld auf die Insel Brioni schippern zu lassen, wo man von Titos Palast wenig sieht, dafür aber mit Fake-Eisenbahnen durch die gepflegten Parks gefahren wird. Zu Titos Zeiten, und auch davor, war es ein Tierpark. Ausländische Potentaten schenkten Tito oft Tiere, zum Beispiel Giraffen.

In meiner Jugend wunderte ich mich über die vielen Jugoslawien-Berichte im Weltspiegel. War dieses Land wirklich so wichtig, einmal im Monat erkundet zu werden? Es war wohl die Ahnung der Journalisten (damals gab es noch welche wie Peter Scholl-Latour), daß Tito den Deckel auf einem Topf mit Sprengstoff festhielt. Dabei war er nicht der Gründer Jugoslawiens, sondern nur der Erbe einer Schüssel mit Salamandern und Echsen.

Jugoslawien entstand 1918 bis 1920 „als einzigartiges historisches Experiment“ aus dem Königreich Serbien, dem Fürstentum Montenegro, dem vorher österreichischen Dalmatien, dem Herzogtum Krain (Slowenien) den vorher ungarischen Landschaften Kroatien, Slawonien und Teilen des Banats. Die Kroaten und Slowenen hatten von Anfang an die Idee eines föderalistischen Staats, die Serben wollten straffen Zentralismus. Sie setzten sich durch. Damit und mit einer verunglückten Währungsreform, von der nur die Serben profitierten, war das Kriegsbeil ausgegraben, es sollte bis zum Ende des Staats 1991 nie wieder Eintracht geben. Die Serben beanspruchten nach dem ersten Weltkrieg auch deshalb die Führungsrolle, weil sie im Unterschied zu den anderen eingemeindeten Völkern, den Krieg gewonnen hatten. Nicht nur die Kroaten, Ungarn, Albaner, Deutschen und Slowenen wurden an den Rand gedrängt, sondern auch die Montenegriner. Einigen Anhängern des montenegrinischen Fürsten wurde bei lebendigem Leib die Haut abgezogen. Vier kroatische Abgeordnete wurden in den zwanziger Jahren im Belgrader Parlament erschossen. Im Zweiten Weltkrieg verbündeten sich Moslems und Kroaten, teilweise auch Slowenen mit Deutschland und Italien um die Serben wieder loszuwerden. Das scheiterte und die Serben nahmen fürchterliche blutige Rache.

Nach dem Krieg etablierte Marschall Tito um etwas Dampf abzulassen ein pseudoföderalistisches Konzept mit Teilrepubliken und den autonomen Gebieten Kosovo und Vojvodina, was angesichts des serbischen Geheimdienstes und der Verhältnisse in der überdimensionierten Armee eine Mogelpackung war. Es gibt im Netz mehrere Videos von Gefänfnisinseln, in denen abtrünnige Parteimitglieder und „Nationalisten“ verwahrt worden sind. Als Tito 1980 an einem Raucherbein starb, gingen die Probleme erst richtig los.  Hier ein Video mit viel Pathetik, Tränen und Trauer.

Falsche und echte Tränen muß man unterscheiden, denn die unterdrückten Völker begannen sofort Morgenluft zu wittern.

Wikipedia schreibt: Nach dem Tod Titos am 4. Mai 1980 übernahm das Präsidium der Republik die Regierungsgeschäfte. Die acht Mitglieder setzten sich aus je einem Vertreter der sechs Teilrepubliken und der zwei autonomen Provinzen zusammen. Immer mehr kam es jedoch zu Unstimmigkeiten und die integrative Persönlichkeit Tito fehlte.

Nach dem Zerfall des Sowjetimperiums wurden außer in Serbien in allen Teilrepubliken Jugoslawiens  Referenden über die staatliche Unabhängigkeit abgehalten. Bei jeweils sehr hohen Wahlbeteiligungen, allerdings vor allem in Kroatien und Bosnien-Herzegowina boykottiert von den jeweils serbischen wahlberechtigten Einwohnern, stimmten für die jeweilige staatliche Souveränität:
  • Bosnien-Herzegowina: 92,8 Prozent
  • Slowenien: 88 Prozent
  • Kroatien: 94,7 Prozent
  • Mazedonien: 91 Prozent
  • Montenegro: 55,5 Prozent

In Slowenien tobte 1991 der Zehntagekrieg, bis sich die serbische Armee zurückzog. Danach verlagerte sich der Krieg nach Kroatien und Bosnien, er dauerte bis zum Dezember 1995 und wurde auf amerikanischen Druck mit dem Dayton-Abkommen beendet.

Jugoslawien war der Versuch 15 verschiedene orthodoxe, katholische, protestantische und moslemische Völker in ein serbisches Großgefängnis einzusperren und ging im Völkerfrühling von 1989 mit unter. Die Idee einen panslawischen Staat auf multireligiöser Grundlage zu schaffen war auf Dauer nicht tragfähig. Der Versuch der Merkelqlique aus Europa multireligiöse Staaten zu machen, wird höchstwahrscheinlich auch im Bürgerkrieg enden.

Ich hatte im Sommer Kroatien besucht und deshalb noch ein Blick auf die derzeitige kroatische Politik. In Osteuropa kann man beobachten, daß immer der letzte Besatzer bzw. Kriegsgegner am verhaßtesten ist. In Kroatien sind das nicht mehr die Moslems, die jahrhunderteang der Hauptfeind Nr. 1 waren, sondern die Serben. Überall im Land (außer in der istrischen Gespanschaft) sieht man noch die zerstörten Gebäude und verminten Gelände. Der Krieg gegen die Serben war insbesondere in der Herzegowina Schulter an Schulter mit den Moslems gewonnen worden.  Als ich 1997 in Neum durch Bosnien fahren mußte, um Dubrovnik zu erreichen, wurde der bosnische Grenzposten von malerisch-martialisch kostümierten und uneinheitlich bewaffneten Freischärlern (offensichtlich Kroaten) gehalten. Es sah nach Balkan pur aus. Die Waffenbrüderschaft mit den Moslems hinderte nicht, daß man sich in Mostar derb in die Haare geriet.  Das war schon ein Fingerzeig auf die aktuelle Situation, wo das Bündnis im täglichen Betrieb immer mehr Belastungsproben ausgesetzt ist.

Durch die kroatische Minderheit in der Herzegowina und in Bosnien steckt Kroatien fest im Sumpf der fragilen bosnischen Politik. Die Verbindung Kroatiens nach dem kroatischen Süddalmatien soll künftig nicht mehr durch Neum, sondern über die Peljesac-Brücke führen, die nach der Neum gegenüberliegenden Halbinsel benannt ist, von der aus die Venetianer früher die Türken ausspionierten.  Damit würde Bosnien verkehrstechnisch umgangen.

Etwa 200.000 Kroaten sind während des Bosnienkrieges (1992–1995) nach Kroatien geflohen. Nach dem Krieg kehrten viele kroatische Vertriebene nicht in ihre Heimatorte zurück, besonders nicht in die Posavina. Ortschaften in diesem Gebiet wurden geplündert und niedergebrannt, der Wiederaufbau geht nur schleppend voran. Entschädigungszahlungen wurden bisher nicht geleistet. Auch in dem eingangs geschilderten Miltärlager in Fazana wurden in den 90ern Vertriebene untergebracht. Verblieben sind in Bosnien etwa 500.000 Kroaten. Kroatien hat deshalb ein vehementes Interesse daran, daß Bosnien der EU beitritt, um weitere Plünderungen und Brandschatzungen zu vermeiden.

Das Verhältnis Kroatiens zu Cerna Gora ist entspannt. Mit Slowenien streitet man sich um ein Gebiet, welches durch eine Flußverlegung strittig ist, und um die damit zusammenhängende Seegrenze. Das Verhältnis zu Ungarn, welches durch Eigentumsrechte einer Raffinerie belastet war, ist mittlerweile verbessert.  Auch zu Serbien werden mittlerweile wieder Beziehungen gepflegt. An den kroatischen Stränden dominieren allerdings die Slowenen, sicher ist das auch eine Geldfrage.  Die etwas reicheren Tschechen und Slowenen führen sich im Osten oft wie die Berliner in Malle auf.

Zum Schluß noch ein praktischer Tip: Die slowenische Maut kommt einer mittleren Enteigung gleich. Man kann die Hälfte sparen, wenn man in Letenye nach Kroatien einreist und dann die kroatische Autobahn benutzt. Auch ist die Grenzabfertigung in Letenye wegen weniger Verkehr weitaus flüssiger, als in Dragonja oder Gruskovje. Man muß  immer beachten: Kroatien gehört nicht zu Schengen.