Rund um die Volksbank

Das Völkische – ganz schrecklich! So vermittelt uns unsere Lügenpresse das Ungeheuerliche. Aber ist das Völkische eigentlich Nazi? Oder gar stalinistisch?

Das einfache Volk gegen die Kapitalisten, Adligen und Großbauern. Das war das Leitmotiv aller Versuche im Jahr 1960 den Klassenkampf in die Hirne von uns Erstensklässern reinzutrichtern. In der Fibel war schon auf Seite 3 eine Zeichnung, wo Kinder aus den Volksdemokratien zusammen tanzen. Natürlich in der jeweiligen Volkstracht. Es gab eine Volkskammer, Volkskunst, Volkswahlen, Volkslieder, Volksaussprachen, Volkstänze und Volksrichter. Nur der Volksgerichtshof war abgeschafft.

Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche. Diejenigen, die 45 Jahre ständig auf Volkstümlichkeit machten, nämlich die Linken, sind heute die schärfsten Kritiker des Völkischen. Die denken wir hätten Alzheimer oder wären dement.

Auch im verbündeten Ausland, zum Beispiel in tschechischen Märchenfilmen und im Umfeld des Kapitäns vom Tenkesberg, wurde das einfache Volk ständig gegen die Ausbeuter und Ausländer in Stellung gebracht. „Die Lavanzen kommen!“, rief der Kapitän mindestens einmal pro Folge.

Sogar im kapitalistischen Westen war das Volk allgegenwärtig. Schon in der Präambel des Grundgesetzes ist vom Volk die Rede. Die Väter der Verfassung – alles Methusalems aus der Weimarer Republik, die Jüngeren waren noch in Kriegsgefangenschaft – hatten sich dabei nichts böses gedacht. Es gab ja auch Volkswagen, Volksbank und Volksverhetzung…

Ein Ausgangspunkt der Betonung des Volkstümlichen war die Romantik. Sie wurde einerseits durch den französischen Denker Jean-Jaques Rousseau mit seinem Naturrecht als auch durch die Napoleonischen Kriege und das schmähliche Ende des Heiligen Römischen Reiches angefacht. Kern war die Besinnung auf dem Volke innewohnende geheime Kräfte, um die ausländischen Eroberer wieder loszuwerden. Auf dem Humus der Romantik wucherten zunächst die Volkslieder und Märchen. Die waren zu 95 % völlig harmlos. Am Ende des 19. Jahrhunderts waren die Wandervogelbewegung und deren Liederbuch – der Zupfgeigenhansel – populär. Das Singen und das Wandern waren meiner Meinung nach noch keine Katastrophen. Der thüringische CDU-Chef Mike Mohring wandert noch heute in Wahlkämpfen, während sein Kontrahent Björn Höcke unvölkisch mit dem modernistischen Rennrad rumsaust. Der Gothaer Bürgermeister von der SPD – er unterscheidet sich in allen Belangen von Pöbelralle – ist sogar in einem Trachtenverein, was ich zwar anerkennenswert finde, wo ich aber selbst nicht mitmachen würde.

Natürlich blieb es um 1900 nicht aus, daß auch das Volkstümliche von grünen Ideologen gekapert wurde. Ein Beispiel ist das Grußwort des Lebensphilosophen Ludwig Klages an den Freideutschen Jugendtag 1913 auf dem Hohen Meißner. Es ist eine einzige Jeremiade gegen das industrielle Zeitalter, man könnte denken es wäre auf einer Bundesversammlung der  Grünen in den 80ern gehalten worden:

„Wir täuschen uns nicht, als wir den ´Fortschritt´ leerer Machtgelüste verdächtig fanden, und wir sehen, daß Methode im Wahnwitz der Zerstörung steckt. Unter den Vorwänden von ´Nutzen´, ´wirtschaftlicher Entwicklung´, ´Kultur´ geht er in Wahrheit auf Vernichtung des Lebens aus. Er trifft es in allen seinen Erscheinungsformen, rodet Wälder, streicht die Tiergeschlechter, löscht die primitiven Völker aus, überklebt und verunstaltet mit dem Firnis des Industrialismus die Landschaft und entwürdigt, was er von Lebewesen noch übrig läßt gleich dem ´Schlachtvieh´ zur bloßen Ware, zum vogelfreien Objekt ´rationeller´Ausbeutung. In diesem Dienste aber steht die gesamte Technik und in deren Dienste wieder die weitaus größte Domäne der Wissenschaft. (…) Wo sind die Volksfeste und heiligen Bräuche geblieben, dieser Jahrtausende lang unversiegbare Born für Mythos und Dichtung: der Flurumritt zum Gedeihen der Saaten, der Zug der Pfingstbraut, der Fackellauf durch die Kornfelder! – Wo der verwirrende Reichtum der Trachten, in denen jedes Volk sein Wesen, dem Bilde der Landschaft eingepaßt zum Ausdruck brachte!“

Es entstand im Spätkaiserreich und in der Weimarer Republik eine völkische Bewegung, die scharf heimat-, tier-, denkmal- und naturschützerisch, antikapitalistisch, antisemitisch und technikfeindlich war. Ludwig Klages wollte sich nach 33 an Hitler anschleimen, um dessen Chefideologe zu werden. Aber Hitler war anders gestrickt. Er mochte keine Dialekte, keine Trachten, er haßte die Technikfeindlichkeit der Völkischen. Er begeisterte sich für Uniformen, Panzer und Flugzeuge.  Er war zwar auch Tierschützer, Antikapitalist und Antisemit, aber völkisch im klassischen Sinne war er nicht. Er schimpfte stundenlang über die „Rückwärtse“, die mit Trinkhörnern und Germanenhelmen auftraten. Alle, die älter waren als seine eigene Alterskohote, verachtete er. Die Partei hatte bezeichnenderweise ihr eigenes Liedgut, welches eher an das stalinistische Repertoire anklingt und mit den Wandervögeln wenig gemein hatte. Noch negativer sah der spätere Reichspropagandaminister Joseph Goebbels das Völkische. Er vertraute 1925 seinem Tagebuch an, daß sich völkisch und nationalsozialistisch wie Feuer und Wasser verhielten. Trotzdem hieß das Parteiblatt bis zur Einstellung „Völkischer Beobachter“. Das mag damit zusammenhängen, daß Hitler einmal getroffene Entscheidungen selten, fast nie revidierte. Seine 25 Punkte von 1920 – das Parteiprogramm – waren wie Moses Gesetzestafeln in Stein gemeißelt und wurde nie wieder angefaßt oder angepaßt. Diesen starken Immobilismus fand man später bei Honecker, Breschnjeff und Merkel wieder, Ulbricht und Chrustschoff waren Wendehälse dagegen. Im Gegensatz zu Hitler und Merkel biederte sich Ulbricht gerne ans Volkstümliche an und wirkte dabei steif und ungelenk. Das war die Basis für Hunderte Anekdoten, die das Volk erheiterten.

Der Begriff „völkisch“ ist zweifellos ambivalent, er ist derzeit zum reinen Kampfbegriff ohne Sinn verkommen.