Die erforderliche Entnazifizierung der Medien

Es ist ziemlich genau 30 Jahre her, daß ein Arbeitskollege äußerte, daß eine Entnazifizierung unumgänglich sei. Es war pikanterweise der Mann einer Sozialdemokratin der ersten Stunde, der das damalige SPD-Medienmonopol reformieren wollte.

Bereits im Frühsommer 1990 begann das Ferkelrennen von Staatsicherheit und Partei in die Nomenklatura der neu zu bildenden Dresdner, Erfurter, Potsdamer, Magdeburger und Schweriner Ministerien. Man kannte ja so einige Leutchen. Nicht alle waren überzeugte Sozialisten gewesen, viele waren Fachleute, die wegen der damit verbundenen Vorteile in der Partei waren. In den 60ern hatten wir zum Beispiel einen Nachbarn, der in die SED eingetreten war, damit sein Sohn studieren konnte. Er zeigte mir immer ganz stolz die Bilder, die ihn mit Hermann Göring auf der Jagd zeigten. Hitler hatte nach der Machtergreifung Neueintritte für einige Jahre unterbunden, um den übelst grassierenden  Karrierismus zu dämpfen, bei Ulbricht und Honecker war eine Kandidatenzeit von einem Jahr vorgeschaltet, praktisch als Prüfung, ob sich der Eintrittswillige auch linientreu verhielt und nicht zuviel revolutionäre Ungeduld aufgestaut hatte. So eine tropfende Kerze wie Kevin hätte damals keine Chance gehabt.

Ich hatte einen Onkel – einen Lehrer – der dreimal eingetreten war, einmal ausgetreten und einmal ausgeschlossen. Sowas gab es auch. Er war für die Dauermitgliedschaft eigentlich nicht prinzipienlos genug. Ein Ole Bienkopp, ein querköpfiger Selbsthelfer wie aus dem gleichnamigen Roman von Erwin Strittmacher entsprungen. Er bat mich vielfach um Ernstaufbringung und schenkte mir krebsrote Bücher, vor allem um meine politisch gemäßigten Eltern zu ärgern. Ich konnte die Schinken als geborener Anarchist und Reaktionär einordnen, sie halfen mir beim Lesenlernen. Der Weimarer Geheimrat von Goethe hatte die Parole ausgegeben, daß man aus den Steinen, die einem Andere in den Weg legen, immer auch Schönes bauen könne.

Worüber ich nach 1990 schwer enttäuscht war: Daß die Medien nicht ausgemistet wurden. 1990 schrieb ich kleinere Artikel für die Thülazet und war öfter mal im Haus unterwegs. Es war die Zeit, als die Zeitung der LDPD weggenommen wurde und nach dem Westen an die WAZ-Gruppe verkauft. Die Redakteure waren gerade erst aus den Fesseln der Zensur befreit worden, um nun in die babylonische Gefangenschaft der Wessis zu geraten. Der Ton im Haus war räudig, weil nicht alle sich das gefallen ließen. Zwischen den Westzugängen und der Altmannschaft rauchte es. Der neue Eigentümer hatte bei der Neuausrichtung des Blatts ganz andere Interessen, als der Leser. Es wurde sofort von liberal auf grün getrimmt, eine Ausrichtung, die zahlreiche Abonnenten kostete. Der Leser hätte sich auf eine transparente Aussortierung der Stasi gefreut. In der Folge wurden die Medien immer wieder durch Stasiskandale erschüttert.

Was im Osten nicht passierte, blieb auch im Westen aus. Die SED hatte für teure Devisen tausende Einflußagenten in den Westmedien etabliert, die unbehelligt und unentdeckt blieben und weiter gegen den Kapitalismus und die Deutsche Einheit hetzten. Die Deutschland abschaffen wollten, so wie sie schon die DDR abgeschafft hatten, freilich ohne es zu wollen. Eine eifrige Hetzgenossin wie Carola Wille schaffte es an die Spitze der ARD, Maybrit Illner führt einen ZDF-Stuhlkreis. Ein neues rotes Highlight ist der Verkauf der Berliner Zeitung (BZ) an die Staatsicherheit. Eigentümer ist jetzt ein Spitzel mit einem langen Bart. Man sollte mal dran ziehen, um zu sehen ob er echt ist – oder wie bei nordkoreanischen Agenten üblich – angeklebt.

1982 war ich mal in Ostberlin. Da wurde auf den U-Bahnsteigen Wandwerbung für die BZ gemacht. Ein Berliner sitzt auf dem Frisörstuhl und liest die BZ. Ein Frisör bereitet ihn auf die Rasur vor, sieht dabei auch interessiert in die Zeitung und pinselt wegen der Ablenkung das ganze Gesicht seines Kunden voll Rasierschaum. Der Kommentar eines Urberliners damals: „Der BZ-Leser wird eingeseift“. Nun schon wieder mal.

Es ist an der Zeit die Medien zu entnazifizieren. Dreißig Jahre zu spät, aber besser als garnicht. Die Sache ist dringlich, weil die Medien nicht mehr der Marktwirtschaft gehorchen, sondern zwangsfinanzierte Staatsmedien sind. Neuerdings werden auch die Zeitungen staatlich durchgehalten. Der letzte Rest der Pressefreiheit ist weg. Der Bundestag hatte gestern ein Subventionspaket von 40 Mio € aus dem Haushalt für Arbeit und Soziales bereitgestellt, um die Zeitungszaren noch gefügiger zu machen.