Schon wieder mal Zusatzrente

Die CDU hat auf ihrem ansonsten langweiligen Parteitag beschlossen, daß die private Altersvorsorge gestärkt und notfalls langfristig zur Pflicht werden soll. Dazu soll der Staat zunächst Kriterien festlegen, wie die Produkte auszusehen haben. Lege die Zahl der privaten Altersvorsorge-Abschlüsse nicht deutlich zu, solle das Produktportfolio um ein „staatlich organisiertes Standardvorsorgeprodukt“ erweitert werden. Weiterhin solle geprüft werden, ob dieses Produkt dann verpflichtend für alle werden soll.

Das erinnert an die Zusatzrentenversicherung der DDR. Und auch an die Riesterrente. Die DDR-Versicherung wäre normalerweise durch den Bankrott der DDR gescheitert, sie wurde durch Helmut Kohl gerettet. Die Riesterrente ist wegen Nullzins völlig am Ende. Und nun, wo das noch nicht vergessen ist, der dritte Versuch? Ganz sicher ein Betrugsversuch.

Warum eigentlich? Die Rentenversicherung ist eine staatliche Zwangsversicherung für alle, die nicht selbständig sind. Warum erhöht man dann nicht gleich die Beiträge, wenn sie nicht reicht? Braucht man aktuell schon wieder Geld, um die Goldstücke zu versorgen? Mir erschließt sich der Sinn nicht. Wenn Norwegen einen Staatsfonds hat, der aus Erdöl- und Gaseinnahmen gespeist wird, kann ich das nachvollziehen, wenn man Gold kauft und ein paar Barren zurücklegt. Aber Deutschland macht gerade die Chemie, den Fahrzeugbau und den Bergbau dicht. Wo soll denn Geld herkommen und wo soll es angelegt werden??? Sollen die Berliner Start-ups 2050 die Kohle bringen? Ups!

Ein historischer Rückblick in das Jahr 1978: Eine interessante Idee der Partei war die „freiwillige“ Zusatzrentenversicherung. Mit dieser Versicherung konnte die Partei dem Geldkreislauf Kohle entziehen, das erst bei Renteneintritt der Versicherten wieder in den Umlauf geworfen werden müßte. Die Idee hat funktioniert, Erich Honecker konnte seine Insolvenz etwa ein Jahr rausschieben, die Rentenversicherung der verhaßten Bundesrepublik muß jetzt bezahlen, ohne die entsprechende Einnahme verbucht zu haben.

Probleme gab es mit der Lust. Freiwillige meldeten sich in der Hochschule für Architektur und Bauwesen in Weimar zunächst fast überhaupt nicht. Das Vertrauen in die Zukunft war hin. So berief der Wissenschaftliche Sekretär Bormann eine Versammlung ein, bei der er die ganzen Vorteile der freiwilligen Zusatzrente noch einmal wie sauer Bier anpries. Aber die Werktätigen hatten immer noch keine Bereitschaft. Zwei Kollegen äußerten Zweifel, ob sie überhaupt noch Rentner würden, andere verlangten Zeit für weitere Überlegungen und auch ich hatte keine Lust. Ich sagte dem Bormann, daß mir für drei Personen nur 630 Mark netto zur Verfügung stünden, wovon auch noch die Miete und die Kohlen zu bezahlen seien. Jeder Tag habe seine eigene Sorge und an das Alter würde ich im Alter nachdenken. Bormann war ungerührt und nervte weiter. Er hatte bestimmt im Parteiauftrag Quote zu bringen. Provisionen für Abschlüsse gab es damals noch nicht. Nun machte ich einen Fehler, wie das bei der unbedachten Jugend vorkommt. Ich sagte ihm die Wahrheit, daß die ganze Zusatzversicherung nur ein Manöver zur Kaufkraftabschöpfung wäre. Ich muß genau den wunden Punkt getroffen haben, denn Bormann wurde spitz. Er sagte, daß er mit mir unter vier Augen reden müsse, falls ich von meiner Behauptung nicht Abstand nähme. Ich hielt nun für den Rest der Versammlung den Mund und ließ mich am nächsten Tag krankschreiben. Ich hatte eine besorgte Ärztin und die Krankheit dauerte fast drei Monate. Kommt Zeit, kommt Rat und kein Verbrechen ist so schwer, daß es nicht mit dem Gang der Zeit vergessen wird. Nur manchmal gibt es Trampeltiere, die das Gras zerlatschen, welches über die Sachen wächst.

Es kam der Tag, daß ich wieder zur Arbeit mußte. Ich ging los, und schon nach wenigen Schritten hielt in der Asbachstraße ein blauer Trabant-Kombi neben mir. Die Scheibe wurde runtergeleiert und der Kopf von Herrn Bormann schaute raus. Er lud mich ein, zur Hochschule mitzufahren. Ich wollte es nicht schon wieder mit ihm verderben und stieg innerlich seufzend ein. Es dauerte nicht lange und er erkundigte sich nach meiner Gesundheit. Er rechnete mir vor, daß sich die freiwillige Zusatzrentenversicherung bei meiner langen Krankheit bereits gelohnt hätte, wenn ich sie vorher abgeschlossen hätte. Ich antwortete dieses Mal nichts.

Du Hottel, dachte ich, wenn Du mir mit Deiner Scheiß-Versicherung nicht auf die Nerven gegangen wärst, wäre ich keinen Tag krank gewesen.