Parteien als Pappkulissen auf der Provinzbühne

Es gibt Herrschaften, die mit zunehmendem Alter kommoder werden, andere radikalisieren sich und werden immer garstiger.

Das klassische Beispiel für eine Irrsinnsspirale ist die französische Revolution, wo permanent gläubige Fraktionen von noch gläubigeren, reineren, beseelteren aufs Schafott geschickt worden sind. Die Guilottine mußte im Akkord arbeiten. Vor dem Revolutionstribunal gab es ab Juni 1794 keine Verteidiger mehr, im Falle des Schuldspruchs nur noch die Hinrichtung. Die Phase des „Grande Terreur“ vom 10. Juni bis 27. Juli 1794 führte allein in Paris zu Sonderschichten für den Strafvollzug: 1285 Todesurteile. In der Provinz reichten die Hinrichtungsmaschinen nicht mehr, es mußten Massenerschießungen, Massenertränkungen und Mitrailladen angewendet werden. Mitrailladen muß man dem verweichlichten deutschen Gewalttäter vielleicht erklären: Bis zu 60 Delinquenten wurden zu Paketen zusamengeschnürt, mit Kanonen beschossen und anschließend mit Bajonetten gepiesackt.

Auch die Wiedertäufer, die Nationalsozialisten und Stalin verrannten sich immer stärker in fragwürdigen Dogmen und schlechten Gewohnheiten. Der Franquismus, der chinesische Kommunismus nach dem Sturz der Viererbande, der späte Hofstaat von Ghaddafi und der Sowjetkommunismus in der Glasnostzeit hatten eher die Tendenz zur Nachlässigkeit. Es gibt keine allgemeine Gesetzmäßigkeit zur Zu- oder Abnahme von Gewalttätigkeit von Problempolitikern.

Die Erfurter und Weimarer Ereignisse der letzten zwei Tage illustrieren eine besorgniserregende Entwicklung zum Zusammenbruch der  Zivilisation und zur Radikalisierung. Kritiker bemängeln schon seit geraumer Zeit die um sich greifende Gesetzlosigkeit, die Überforderung und Lähmung der Ordnungskräfte, den abnehmenden Respekt und um sich greifende Gewaltbereitschaft. Was sich in Weimar um das Wohnhaus von Kemmerich abgespielt hat, zählt unter fortgeschrittene Anarchie und Terrorismus. Anwohner behaupten, daß die Verbrecher eigens mit Bussen aus Nachbarländern hergeschafft wurden. Ich konnte das vor Ort nicht prüfen, weil ich grad an einer Bronchitis laboriert hatte.

Bisher lag über dem Handeln des Staats noch ein Hauch von Legitimität, viele Leute redeten sich ein, daß alles noch annähernd wie früher wäre, nur ein bißchen schlechter. Daß Gesetze gelten, es eine Rechtssprechung gäbe, ja einige Optimisten faselten noch von Freiheit. Die Medien, die Linkspartei, Dr.Merkel und deren Hilfstruppen auf der Straße haben den Süßwassermatrosen Christian Lindner gerade mores gelehrt.

CDU und FDP haben in dieser Woche ihre letzte Reputation verloren. Jeder konnte sehen, daß die Parteien nur noch bunt angemalte Pappkulissen sind und von außerparlamentarischen Gewalttätern nach Belieben hin- und hergeschubst werden können. Wer sich von den Mittelparteien noch irgendeine effiziente Verteidigung von Bürgerlichkeit erhofft, hat sein Haus auf Sand gebaut.

Es ist etwas paradox: Aber die übrig gebliebene bürgerliche Partei erkennt man daran, daß sie gerichtsfest als „faschistisch“ bezeichnet werden darf. Die Absprerrung vor der bürgerlichen Welt hieß schon vor 58 Jahren „Antifaschistischer Schutzwall“. Wenn die Regierung von Faschismus gelabert hat, wollte sie immer nur dasselbe: Bürgerlichkeit und Bürgerrechte abwerten. Die Times changen eben doch nicht. Hinter der Ekelbarriere des „Faschismus“ residiert seit Alters her die Freiheit.

Wer soll nach dieser Woche noch CDU und FDP wählen? Thomas Kemmerich, Mike Mohring und ihre Fraktionskollegen wußten selbst nicht wie dünn das Eis der Demokratie ist. Ihnen will ich keinen Vorwurf machen. Sie sind von ihren Parteiführern verraten worden. Pfui.

Die Woche ist etwas frustrierend. Aber es gibt keinen Nachteil, der nicht durch Vorteile aufgewogen wird. Die Lage ist bescheiden, aber desto klarer blickt man auf das abgenagte Gerippe der Thüringer Verfassung, nachdem der Pulverdampf der Merkeljugend sich verzogen hat. Letzte llusionen sind verloren, jegliche Hoffnung auf eine Restauration der gemütlichen Bonner Republik zerstört, der Ausweg aus der Misere führt nicht mehr durch die Orte der Vergangenheit.

Die Konstitution, der Landtag, die Altparteien, die blauen Abweichler, der Donner vor dem Haus, das Wetterleuchten der Tagespresse, die gesamte Literatur, die politischen Namen und die geistigen Renommeen, das bürgerliche Gesetz und das peinliche Recht, die Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – alles ist verschwunden wie eine Phantasmagorie vor der Bannformel einer Frau, die ihre Feinde selbst für keine Hexenmeisterin ausgeben. Das allgemeine Wahlrecht scheint nur einen Augenblick überlebt zu haben, damit es eigenhändig vor den Augen aller Welt sein Testament mache und im Namen des Volkes selbst erkläre: „Alles, was besteht, ist wert, daß es zugrunde geht“.

Dr. Merkel ist viel zu ungebildet, aber Bodo wird wissen, welches Zitat von wem ich leicht aktualisiert habe.