Aus halbstaatlich wird staatlich, aus staatlich wird nichts

Für den Notfall wurde angesichts der derzeitigen Wirtschafts- und Finanzkrise die staatliche Beteiligung an Firmen angekündigt.

T-online berichtete, daß Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier die vorübergehende Beteiligung des Staates an strategisch wichtigen Unternehmen nicht ausschließe. Er habe in seiner Industriestrategie diese Möglichkeit bereits genannt, etwa wenn es um Firmen aus hochsensiblen Bereichen gehe, sagte der CDU-Politiker dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“.

„Auch in einer Krise wie der durch das Coronavirus können sich ähnliche Fragen im Hinblick auf die technologische und wirtschaftliche Souveränität stellen.“ Derzeit sehe er aber keine größere Zahl von Verstaatlichungen kommen, sagte Altmaier. „Wir werden sehr genau hinschauen, welche Auswirkungen eine Pleite haben kann, und alles Erforderliche unternehmen.“

Die Erfahrungen mit staatlicher Beteiligung sind schlecht. Die Commerzbank kommt vor allem wegen Nullzins nicht zu Potte. Mit einer Beteiligung von über 15 % ist die Bundesrepublik Deutschland über den Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) größter Einzelaktionär. Schon vor dem Einstieg des Bundes war die Aktie der Commerzbank auf 15 € abgesackt. Jetzt nach zehn Jahren steht sie trotz einer zwischenzeitlichen Kapitalerhöhung bei 3,70 €. Kein gutes Geschäft für den Steuerzahler, keine Erholung der Bank. Wünschen wir den Mitarbeitern der Commerzbank trotzdem das Beste!

Der Rückblick in die Wirtschaftsgeschichte ist auch nicht erfrischend: Am 12. Januar 1956 wurde durch den Ministerrat der Zone beschlossen, die staatliche Deutsche Investitionsbank zu ermächtigen, als Kommanditist in private Betriebe einzutreten. Angeblich war die Umwandlung in Betriebe mit staatlicher Beteiligung freiwillig, in Wirklichkeit wurde jedoch Druck ausgeübt, zum Beispiel im Fall von Bankschulden oder Steuerschulden. Sie wurden in Geschäftsanteile umgewandelt. Die umgewandelten Betriebe führten zur Firma den Zusatz mit staatlicher Beteiligung (BSB). Meistens handelte es sich um kleinere Industriebetriebe. Ich erinnere mich, wie die Belegschaften alle jeden Ersten Mai mit Fahnen an der Tribüne vorbeimaschieren mußten, auf der die Bonzen standen, und wie der Sprecher die jeweilige Planerfüllung runterhaspelte.

Mein Nachbar Exner hatte in den 50ern eine größere Schneiderei mit mehreren Angestellten. Kunden gab es genug, es war jedoch nicht leicht im Rahmen der staatlichen Preisanordnungen (Preise von 1936) schwarze Zahlen zu schreiben. Er hatte Steuerschulden und haute vor der Teilenteigung lieber ab. Es war im September 1961, die Grenze war schon zu, der Sattler Petry hatte einen IFA-Pkw und fuhr die Familie mit drei Kindern zur Zonengrenze, wo sie an einer noch nicht fertig gebauten Stelle erfolgreich rübermachten. Es gingen Gerüchte rum, daß Exner eine gute Stelle in einem Kernkraftwerk gefunden hätte. In sein Haus zogen im Winter vier russische und tartarische Familien ein, es war in einem halben Jahr praktisch zerlegt und mußte nach 1990 als wirtschaftlicher Totalverlust abgerissen werden.

Als Beispiel für den Niedergang unter staatlicher Verwaltung kann man die Glockengießerei Apolda benennen, die ein typisches Schicksal hatte. Ich folge hier Wikipedia: Glocken wurden in Apolda ab 1722 gegossen. Bereits 1939 wurde die Gießerei Schilling wegen Kriegsunwichtigkeit geschlossen. 1945 kam der Wiederaufbau der Glockengießerei Franz Schilling Söhne nur schwer in Gang. Metallmangel und der Mangel an Facharbeitern erschwerten die ohnehin schwierige allgemeine Situation. Zunächst waren nur Umgüsse möglich; die ersten Neugüsse fanden im August 1946 statt, dazu verwendete man auch Kupferdraht, zerbrochene und zerbeulte Zinngefäße sowie Glockenschrott.

Erst in den 1950er Jahren war der Metallmangel behoben. In der Glockengießerei Franz Schilling Söhne entstanden wieder viele Bronzeglocken, etwa für den Erfurter Dom, den Meißner Dom, die St. Hedwigs-Kathedrale in Berlin sowie die Buchenwald-Glocke. Glocken wurden nach Bayern, Hessen und in andere Länder geliefert, ab 1968 exportierte die Firma ein Jahrzehnt lang Glocken in die ČSSR nach Mähren, Böhmen und in die Slowakei, darunter große Geläute für Brünn und Blatná sowie Glocken für Prag.

1972 wurde die inzwischen halbstaatlich als BSB-Betrieb geführte Glockengießerei Schilling zwangsenteignet und als volkseigener Betrieb unter dem Namen „VEB Apoldaer Glockengießerei“ weitergeführt; Peter Schilling wurde formal Betriebsdirektor, Margarete Schilling Technischer Direktor. Doch 1976 verließen die Eheleute das Unternehmen.

Die Gießerei wurde von den Staatlichen Organen der DDR nach dem Anschluss an eine Eisengießerei in ein Kombinat für Labormöbel und Elektrogerätebau überführt, bis sie 1988 trotz vorliegender Aufträge endgültig geschlossen wurde. Hauptursache war vor allem die rapide gesunkene Qualität der gegossenen Glocken.

Die Apoldaer Glockengießerei war 1990 an die Glockengießerfamilie Schilling zurückgegeben worden; verfallen und ausgeräumt – somit war die Wiedereröffnung ausgeschlossen. Auch die Treuhand räumte ein, dass kein Betrieb, sondern nur Immobilien übereignet werden konnten, die mit einer großen Menge von Altlasten in Form von Schrott und Schutt belastet waren.

Schrott und Schutt war das einzige, was 1990 von den verstaatlichten Betrieben übrig war. Nur einzelne Betriebe konnten nach der Reprivatisierung ab 1990 gerettet werden, wie die Wodkafabrik Schilkin oder Wagner & Apel Porzellan.

Auch die nationalsozialistischen Experimente mit Staatseigentum haben bis heute verheerende Ergebnisse. Nur ein Beispiel: Der Pilsener Skoda-Konzern wurde in die Reichswerke Hermann Göring eingegliedert. Er konnte 1945 auf Grund der sowjetischen Invasion nicht privatisiert werden und geriet nach 1990 teils wieder in deutsches, teils in russisches Eigentum. Ironie der Geschichte: der Teil der an VW ging, ist zu 37 % wieder in staatlicher Hand. 20,0 %  der Stimmrechte hat das Land Niedersachsen, 17,0% die Qatar Holding LLC. Die armen Tschechen: Sie müssen auf Druck der ausländischen Eigentümer von den Kunden unerwünschte E-Autos bauen. Der Absatz stockte schon vor dem Virus.

Offensichtlich hat Bundeswirtschaftsminister P. Altmeier kein oder wenig wirtschaftshistorisches Wissen. Sonst würde er nach anderen Lösungen als einer Verstaatlichung suchen.

 

Beitragsbild: Bundeswirtschaftsminister Altmeier eröffnet Bundesklopapierrolle aus ZellerZeitung

Grüße an den Verfassungsschutz und das Bundeswirtschaftsministerium