Heute morgen in einer Großstadt

Man staunt, was alles geschlossen ist, und was nicht. Angeblich wurden ja „nur“ Wirtshäuser, Herbergen, Nagelstudios, Palestras, Kinos, Stadien, Messen und Theater zugesperrt. Die Realität sieht anders aus.

Auch Geschäfte, die öffnen dürften sind verrammelt. Die Bürgersteige kann man eigentlich hochklappen, weil nur vereinzelte Leute durch die gespenstische Szenerie tappen. Auf einem riesigen Platz etwa zehn Leute. Eine Bäckerei mit angeschlossenem Verzehrbereich hat zu. Textilgeschäfte sind etwa zur Hälfte geschlossen. In einer 200 Meter langen Funktionsunterlagerung einer Platte in einer gewöhnlich sehr belebten Allee ist völlig tote Hose.  Ein ehemaliger Landesvater auf einem goldenen Roß ignoriert angewidert den Aufbau des Sozialismus und schaut in die andere Richtung. Ein kleiner Lichtblick: Vor zwei Geschäften stehen Handwerkerehepaare und Nerds Schlange. Gibt es noch Kauflust? Es stellt sich heraus, daß beides Edelmetallläden sind.

Die Verantwortlichen haben nicht bedacht, daß viele Innenstädte kommerziell von Touris und Studikern leben. Wenn man die Herbergen außer Gefecht setzt, wenn die Unis Fernunterricht machen, fallen in einigen Lagen bis zu 90 % der Kunden weg. Warum soll der Händler einen gelangweilten Verkäufer herumstehen lassen, wenn die Stadt gespenstisch aussieht? Das Blöde ist: Die Nagelstudios und Hotels werden entschädigt, Bäcker und Händler nicht.

Vor ein paar Tagen noch war meine Freundin in einem Einkaufszentrum einer Mittelstadt. Es war so voll, daß man nicht umfallen konnte. Das spielte sich allerdings in Läden für den Grundbedarf ab. Die Freundin hatte sich da mal einen Camouflageparka für 24 Euro gekauft. Es kommt also darauf an, in welcher Liga die Händler produkttechnisch und preislich spielen, und wie der Kundenkreis aussieht.

La mia ragazza sah sich heute an Bilder von Georgio di Chirico mit entleerten Plätzen erinnert. Allerdings fehlten die langen Schatten, weil die Sonne nicht schien. Lange wirtschaftliche Schatten wirft allerdings Dr. Merkel.

 

Grüße an den V-Schutz: Die Zeit zwischen einer Bareröffnung und ihrer behördlichen Schließung vergeht wie im Rausch.

 

Beitragsbild: Studenten beim Einkauf von fair gehandelter Bioware auf einem regionalen Wochenmarkt. Fällt demnächst weg wegen teuren elektronischen Kassen und kein Bargeld. Archiv des Verfassers