China im Umbau

Die Jüngeren kennen das Reich der Mitte nur als Wirtschaftswunderland und Motor der Weltwirtschaft. Der Motor stottert. Chinas Arbeitskräfte schrumpfen um drei Millionen pro Jahr, die Zahl der Eheschließungen ist in sieben Jahren um ein Drittel gesunken und die industrielle Reservearmee vom Lande ist im Wesentlichen aufgebraucht. Es gibt weniger Käufer für Eigentumswohnungen, die Grundstückskäufe von Projektentwicklern nehmen ab. Die Partei hat die Reißleine gezogen und die Eigenkapitalanforderungen von Bauträgern verschärft, Evergrande & Co taumeln. Etwas mehr als ein Viertel der chinesischen Wirtschaftsleistung hat das Bauwesen erbracht, das wird sich so nicht fortführen lassen. Normal sind weltweit weniger als 10 %.

Der Sommer war im Gegensatz zum windarmen, kühlen und feuchten Deutschland in China relativ trocken und warm, so daß die Wasserkraftwerke nicht wie gewohnt liefern konnten, zudem ging mehr Energie für Klimaanlagen drauf. Die Kohlevorräte der Kraftwerke sind auf Tiefstständen. Es mußte mehr Gas importiert werden, was weltweite Verspannungen ausgelöst hat. Allein im August wurden 6,4 Mio. metrische Tonnen eingekauft, verglichen mit 4,9 Mio., die im selben Zeitraum nach Europa und in die Türkei geliefert wurden.

Die Lieferungen von Pipelinegas aus Russland nach China sind im Zeitraum von Januar bis August 2021 im Vergleich zum Vorjahr um das 2,7-Fache auf 4,73 Millionen Tonnen gestiegen. Turkmenistan ist Chinas wichtigster Erdgaslieferant und lieferte in diesem Jahr 15,95 Millionen Tonnen Gas für 4,2 Milliarden US-Dollar. An zweiter Stelle steht Russland, gefolgt von Kasachstan mit 3,17 Millionen Tonnen im Wert von 723 Millionen US-Dollar und Myanmar mit 2,01 Millionen Tonnen im wert von 922 Millionen US-Dollar.

Chinas führender Lieferant von verflüssigtem Erdgas (LNG) im Zeitraum von Januar bis August war Australien mit 20,52 Millionen Tonnen im Wert von 8,47 Milliarden US-Dollar, gefolgt von Katar, Malaysia und den Vereinigten Staaten. Russland lag bei den LNG-Importen mit 2,67 Millionen Tonnen im Wert von 1,23 Milliarden US-Dollar an sechster Stelle.

China hat im Zeitraum von Januar bis August 2021 russisches Öl im Wert von 25,1 Milliarden US-Dollar importiert, was einem Anstieg von 30,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Trotz des wertmäßigen Anstiegs der Einfuhren ging die physische Menge des aus Russland nach China eingeführten Rohöls jedoch um 7,3 Prozent auf 52,92 Millionen Tonnen zurück. Dennoch behält Russland seine Position als zweitgrößter Öllieferant Chinas nach Saudi-Arabien, das im Zeitraum von Januar bis August 58,49 Millionen Tonnen im Wert von 27,26 Milliarden US-Dollar nach China verkaufte.

Trotzdem ist die Energieversorgung in China angespannt, insbesondere die Kohlevorräte für die Kraftwerke sind geschrumpft. Die Stahl-, Zement- und Aluminiumindustrie sieht sich mit Produktionsbeschränkungen durch das Industrieministerium (MIIT) konfrontiert. Zahlreiche Magnesiumwerke arbeiten eingeschränkt, immer wieder gibt es besonders im Nordosten Chinas Stromsperren. Durch steigende Energiepreise kommen viele Betriebe in eine Preisschere zwischen  In- und Output.

Vermutlich ist die Umstrukturierung der Wirtschaft vom Bauwesen auf andere Bereiche ein derber Kraftakt, zumal er in einer teuren Energiekulisse erfolgt. Auch Xi kann nicht voll zaubern. Das Wirtschaftswachstum in China wird sich verlangsamen, der deutsche Export ins Reich der Mitte weniger expandieren. Im September 2021 sanken die deutschen Exporte in die Volksrepublik China gegenüber September 2020 um 0,2 % auf 8,5 Milliarden Euro. Von dort wurden Waren im Wert von 12,3 Milliarden Euro eingeführt (+24,2 % zum Vorjahresmonat). Wenn man die Preisentwicklung der Außenhandelsgüter berücksichtigt, sind die Exporte mengenmäßig stark geschrupft, die Importe haben nur gering zugenommen.

Wir müssen uns darauf einstellen, daß chinesische Waren teurer werden, daß also die über zwei Jahrzehnte währende Deflation per Chinaimport dem Ende entgegengeht oder schon vorbei ist. Das war bereits länger erwartet worden, aber nun ist es soweit, daß über den Außenhandel eher Inflation eingeführt wird. Insofern erscheint die Erwartung der Bundesregierung und der EZB, daß die Inflation eine Eintagsfliege ist, trügerisch zu sein.

Was die Rohstoffpreise betrifft: Der endende chinesische Bauboom wird die Preise von Stahl, Holz und Zement drücken. An den Rohstoffmärkten ist das seit dem Schlingern von Evergrande bereits eingepreist. Andererseits ist angesichts von Klimadiskussionen und CO2-Bepreisung eine deutlich verringerte Lust der Bergbauunternehmen sowie der Öl- und Gasindustrie auf die Erschließung neuer Rohstoffvorkommen zu erkennen. Es ist ja ganz nett, wenn man für den Abbau aus Bestandsminen und die Förderung aus bestehenden Bohrungen wegen Knappheiten mehr Geld bekommt.

 

Grüße an den Inlandsgeheimdienst: Die Wissenden reden nicht viel, die Redenden wissen nicht viel. (aus China)