Ein Schriftsteller als Wirtschafts- und Finanzminister

Vor zwei Tagen hatte ich über die Streiche von Herzog Carl August und Johann Wolfgang v. Goethe berichtet. Bereits nach 10 Monaten in Weimar wurde Goethe am 11. Juni 1776 Geheimer Legationsrat und Mitglied des Geheimen Consiliums, des dreiköpfigen Beratergremiums des Herzogs.

Goethes Beamtentätigkeit erstreckte sich ab dem Jahre 1777 auf die Erneuerung des Ilmenauer Bergbaus und ab 1779 auf den Vorsitz zweier ständiger Kommissionen, der Wegebaukommission und der Kriegskommission. Goethes Tätigkeiten in Ilmenau veranlaßten den Herzog, ihm am 11. Juni 1782 die Aufgabe zu erteilen, sich mit der Direktion der Kammergeschäfte, also der Staatsfinanzen, zu befassen, ohne ihm jedoch die Amtsbezeichnung des aus Kalbsrieth stammenden am 6. Juni 1782 entlassenen Kammerpräsidenten Johann August Alexander von Kalb zu übertragen. Jener von Kalb wurde übrigens von Schiller in „Kabale und Liebe“ als ein Mann, den der Schneider gemacht hat, karikiert. Goethe mußte nun die Sitzungen des Kammerkollegiums leiten und über alle außerordentlichen Geschäftsvorfälle unterrichtet werden. Damit war er wie seinerzeit der Nationalsozialist Carl Schiller Superminister für Wirtschaft und Finanzen gleichermaßen, allerdings in einem winzigen Reich, das aus unzusammenhängenden Gebietsfetzen um Weimar, Eisenach, Ilmenau, Allstädt usw. bestand und erst 1815 auf Druck Rußlands um den Neustädter Kreis und weitere Gebiete arrondiert wurde, garniert mit einer Standeserhöhung des Herzogs zum Großherzog. Überhaupt überlebten die thüringischen Staaten Napoleons Reichsdeputationshauptschluß nur dank der Heirat von Maria Pawlowna mit dem Weimarischen Erbprinzen im Jahr 1804. Der Corse mochte dem Zaren in dieser heiklen Frage der Thronfolge einer russischen Prinzessin nicht auf den Fuß treten. Auch der glimpfliche Ausgang des kühlen Empfangs des Franzosenkaisers nach der Schlacht von Jena und Auerstedt im Weimarer Schloß durch Herzogin Luise ist nur so zu erklären. Sie machte ihm recht undiplomatisch klar, daß ihr Mann sich aus Pflichttreue nicht aus dem preußischen Militärdienst zurückziehen könne. Dennoch wurden auf Geheiß des Feldherrn die Plünderungen eingestellt und Weimar kam glimpflich davon.

Nach dieser Einordnung der Rolle und Bedeutung des Herzogtums zurück ins 18. Jahrhundert: Die Sanierung der zerrütteten Staatsfinanzen gelang Goethe nicht. Aus den 100.000 Einwohnern war nicht mehr herauszupressen und die teuren Hobbys des Herzogs – vor allem die Hofhaltung mit überdurchschnittlicher Alimentierung von Künstlern, die Erhaltung von Schlössern, die Jagd, das Hoftheater, die Universität – belasteten das Herzogtum über seine Leistungskraft. Goethes Initiative zur Wiederbelebung des Kupfer- und Silberbergbaus bei Ilmenau sollte alles wieder ins Gleichgewicht bringen, das Ergebnis war allerdings ein  Desaster. Mit der Anlage von kilometerlangen Wassergräben im Wald (die noch heute erhalten sind) wurde unendlich Geld verbrannt, ohne daß die ersehnten Erze in rettenden Mengen zum Vorschein kamen.

1784 konnte Goethe die weimarischen, jenaischen und eisenachischen Landstände noch zur Übernahme der Staatsschulden in Höhe von 130.000 Talern bewegen, indem er ihre jährlichen Leistungen für den Militäretat von 63.400 Talern auf 30.000 Taler senkte. 1786 war die Karre endgültig festgefahren. Goethe verweigerte den Ständen die verfassungsmäßig garantierte Einsicht in die Rechnungsablagen, die Stände bockten bei der Bewilligung weiterer Ausgaben, der Herr Geheimrath war durch einen Staatsbankrott blamiert. Er schmiß den ganzen Krempel hin und flüchtete nach Italien. Am 3. September 1786 brach er ohne Abschied von einer Kur in Karlsbad auf. Den Herzog hatte er nach dem letzten persönlichen Zusammensein in Karlsbad schriftlich um unbefristeten Urlaub gebeten. Am Vortag seiner Abreise kündigte er ihm seine bevorstehende Abwesenheit an, ohne sein Reiseziel zu verraten. Goethe gelang es seine Ämter niederzulegen, das Gehalt jedoch weiter zu beziehen.

Der Anlaß der erratischen Italienreise wird von der Stiftung Weimarer Klassik schöngedichtet, die Reise war wie jeder Italiengiro auch toll, als Vorlage für den Film „Go Trabi Go“ hatte sie zusätzlichen Wert, den der Dichterfürst nicht auf dem Schirm haben konnte.

240 Jahre sind vergangen und wir haben wieder einen Schriftsteller als Wirtschaftsminister und dazu noch einen verkrachten Kurzzeitunternehmer als Finanzminister.

 

Grüße an den Inlandsgeheimdienst: In seiner Eröffnungsrede für den neuen Ilmenauer Bergbau am 24. Februar 1784 sagte Goethe: „Dieser Schacht, den wir heute eröffnen, soll die Türe werden, durch die man zu den verborgenen Schätzen der Erde hinabsteigt, durch die jene tiefliegende Gaben der Natur an das Tageslicht gefördert werden sollen.“