Auch viele Russen haben sich verdrückt

Kurz nach dem Ausbruch des Ukrainekriegs hatte ich aus Transkarpatien berichtet, daß zahlreiche ungarische und rumänische Wehrpflichtige über die Grenzen weggemacht hätten. Mittlerweile erreichen uns Nachrichten, daß auch viele Russen sich dünne gemacht haben. Insbesondere in Taurien, Cherson und im Osten des ehemalígen Gouvernements Jekaterinoslaw  ist der russische Bevölkerungsteil hoch. Wie hoch, das ist natürlich umstritten. Es gibt viele Zweisprachler, vor allem aus gemischtsprachigen Ehen, wie das in Multikultistaaten allgemein üblich ist. Entsprechend schwanken die Angaben über die Russen zwischen 17 und 25 %.

Der Mainstream berichtete über Saboteure, die festgesetzt wurden, vermutlich Russen. Eine Brücke nach Transnistrien sei gesprengt worden, um flüchtigen Grenzverletzern etwas Mühe zu bereiten. Ein harmonisches herdersches Völkerpanorama war die Ukraine nie. Der Normalfall waren Massaker, Morde, Sozialismus, Aushungerung, Verbannungen, Gulags und Progrome. Wenn man sich den Wehreifer nationaler Minderheiten in einer Armee veranschaulichen will, so lese man den Schwejk. Ich hatte das als Schüler getan und habe dann als Thüringer in einer aus Moskau gesteuerten Armee so wie das literarische Vorbild jeden Befehl wortgetreu ausgeführt.

Den ersten Tag im Militärlager bekam ich gegen Abend den Befehl, Tee zu kochen. Der Gefreite Mette, der das Kommando über die Küche hatte, wies mich ein. Er gab mir im fahlen Schein der hinter ungeputzten Fensterscheiben untergehenden Sonne zwei große Milchkannen, zwei riesige Tee-Eier, und zeigte mir den Sack mit dem Kräutertee, der ganz oben unter der Decke auf einem hohen Schrank stand. „Der Tee ist sehr teuer“, bemerkte er abschließend und verließ die Küche. Einige Tage später wußte ich, daß für Mette alles sehr teuer war, was nicht gestohlen war, oder was mehr kostete als eine Flasche Bier. Mit sehr teuren Dingen muß man sparsam umgehen. Ich füllte in jedes Ei zwei Eßlöffel des wertvollen Pulvers, welches übrigens unter Hängolin-Verdacht stand, schraubte zu, ließ die Eier in die Kannen, und goß aus einem riesigen mit Kohle geheizten Wasserkessel voll. Das Ergebnis war fast quellreines Wasser. Ein Offizier kam und saute mich voll. Ich sah ihn an und guckte traurig wie ein Hund, der was falsch gemacht hat und nicht versteht was. Der arme Mann begann mir dann zu erklären, daß die Offiziere für den Tee zahlen müßten und daß er das Wasser trinken als unverdiente Bestrafung empfände. Am nächsten Abend erhielt ich einen neuen Befehl. Ich mußte die Tee-Eier bis zur Hälfte mit dem teuren Goldstaub füllen. Ich blieb aber dabei, alle Anweisungen wörtlich umzusetzen. Oft führte das ins Desaster.

Den ersten Hintergrund des gebremsten Schaumes der ukrainischen Verteidigung haben wir nun ausgeleuchtet, hier noch ein zweiter: Die FAZ berichtete am 18. Januar, daß in der Ukraine ein Gesetz in Kraft getreten sei, das im Zuge der Konsolidierung der Nation die Staatssprache schützen und das Russische zurückdrängen soll. Überregionale Zeitungen und Zeitschriften müßten nun auf Ukrainisch erscheinen. Russische Ausgaben sind nicht verboten, doch parallel dazu muß eine ukrainische Version in gleicher Auflage ge­druckt werden. Für die Verlage ist das freilich unrentabel. Die letzte landesweite russische Tageszeitung „Westi“ wurde kürzlich auf Ukrainisch umgestellt, viele Blätter erscheinen nur noch im Netz. Das Gesetz, das gegen das von vielen Ukrainern zumal im Osten und im Süden des Landes bevorzugte Russisch gerichtet ist, war kurz nach der Abwahl von Präsident Pe­tro Poroschenko 2019 verabschiedet wor­den. Doch seither galt eine Übergangsfrist, die im Januar auslief. Solche Schikanen haben die Liebe der Russen zur Ukraine nicht gefördert, sondern Präsident Putin glaubhafte und handfeste Argumente für den Krieg geliefert. Wer seit Jahren den Magyar Hirlap liest, kennt auch das ungarische Gejammer über die ukrainische Schulgesetzgebung. Die nationalen Minderheiten hoffen alle, daß das derzeitig am Ruder befindliche nationalistische Regime so schnell wie möglich gestürzt wird.

Leider wird dafür alles in Schutt und Asche gelegt werden, aber das war bei Sprachenstreitereien oft so. Flamen und Wallonen, Genderer und Normale, die eingeborene Bevölkerung und die englichsprachigen Änniwärs, Spanier, Katalanen und Basken, Südtiroler und Italiener, die Völker in Exjugoslawien und derzeit Bosnien, Tschetschenen und Russen: Alle Sprachgruppen lebten und leben wie Hund und Katze. Die Ausnahme ist die Schweiz, aber da wird im Tessin kein Deutsch gesprochen und drunten in St. Gallen versteht man die Gebirgler aus dem Innenhalbkanton von Appenzell recht schlecht bis nicht.

Die Lügenmedien sind, was den Ukrainekrieg betrifft, sehr einseitig eingestellt, wie das bei Kórona, Asyl, Klima und weiteren Themen auch der Fall ist. Ein differenziertes Bild bleibt den Neugierigen erspart.

 

Grüße an den Inlandsgeheimdienst: Fragt ein Ukrainer einen Fremden: „Bist du ein Kazap?“ – „Nein!“ – „Dann können wir ja Russisch miteinand sprechen.“ (Kazap = Ziegenbock ist in der Ukraine der Name für die Russen. Noch Lenin, Trotzki, Krassin, Tschitscherin, Joffe, Sverdlow, Radek, Kamenjeff, Rykov, Kalinin und Bucharin trugen Ziegenbärte, der Georgier zum Beispiel nicht.