Kernspaltung und Kernfusion

Seit heute redet in der Wut über die Abschaltung der letzten Kernkraftwerke alle Welt über die Chancen der Kernfusion. Hier eine populärwissenschaftliche Erklärung und der Stand der Umsetzung.

Bei der Kernspaltung gewinnt man Energie durch Spaltung schwerer Atome wie Uran in leichtere Atome wie Iod, Cäsium, Strontium, Xenon und Barium. Im Gegensatz dazu verschmelzen bei der Kernfusion leichte Atome wie beispielsweise zwei Isotope des Wasserstoffs – Deuterium oder Tritium – zu schwererem Helium. Beide Reaktionen setzen Energie frei, die in einem Kraftwerk dazu genutzt wird, Wasser zu erhitzen, das eine Dampfturbine antreibt, die ihrerseits über einen Generator Strom produziert.

Deuterium ist ein natürliches, stabiles Wasserstoffisotop, das in den Weltmeeren in großen Mengen vorkommt. Deuterium kann per esempio mit dem instabilen Wasserstoffisotop Tritium fusioniert werden. Dabei entsteht ein Heliumkern und ein Neutron. Bei dieser Kernfusion wird eine große Menge an Energie frei.

Tritium kommt zwar in der Natur nur in sehr kleinen Mengen vor, könnte aber in einem Fusionsreaktor durch eine Reaktion „erbrütet“ werden: Neutronen, die bei der Reaktion von Deuterium und Tritium entstehen, können – wenn sie auf Lithium treffen – Tritium erzeugen und somit den wichtigen Reaktionspartner für die effektivste Fusionsreaktion bereitstellen.

Im Gegensatz zur Kernspaltung ist die Fusionsreaktion in einem sogenannten „Tokamak“ ein von Natur aus sicherer Prozess. Was die Kernfusion schwierig macht, ist eine präzise austarierte Reaktion, die sehr empfindlich reagiert. Sie hört sofort auf, wenn das Plasma zu heiß oder zu kalt wird, wenn entweder zu wenig oder zu viel Brennstoff vorhanden ist, wenn zu viel Verunreinigung vorkommt, oder die Magnetfelder nicht exakt so sind, dass sie die Turbulenzen im heißen Plasma kontrollieren. Die Kernfusion ist daher noch im Stadium der Forschung, während die Kernspaltung bereits seit langem im Einsatz ist.

Im Dezember 2022 hat die National Ignition Facility in den USA einen Durchbruch in der Fusionsforschung verkündet. Es wurde erstmals mehr Energie geerntet als eingebracht.

Derzeit ist Iter das größte und mit aktuell geschätzten Kosten von 18 bis 22 Milliarden Euro teuerste Fusionsprojekt weltweit. Der Name steht für International Thermonuclear Experimental Reactor und ist ein Forschungsprojekt von EU, USA, China, Indien, Südkorea, Japan und Russland. Auch das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik ist daran beteiligt.

Wegen des mühsamen Fortschritts bei diesem staatlich geförderten Großprojekt arbeiten inzwischen auch zahlreiche Unternehmen an der Kernfusion. Denn die Aussicht auf unbegrenzte saubere Energie ist zu verlockend. So versuchen sich laut der Fusion Industry Association weltweit 33 Firmen an diesem Vorhaben. Dabei verfolgen sie teilweise grundlegend andere technische Ansätze der Kernfusion und versprechen – ihren Investoren wie auch der Allgemeinheit – die baldige kommerzielle Nutzung der Fusionsenergie. Zu diesem Zweck haben die Unternehmen bislang mehr als 4,7 Milliarden US-Dollar an Investitionen eingeworben. Doch während die Start-ups sicherlich agiler sind als staatliche Projekte wie Iter, stehen sie in puncto wissenschaftlich-technischer Machbarkeit oftmals auf weitaus wackligeren Füßen.

Unter den Start-ups setzt auch Commonwealth Fusion Systems auf das Tokamakdesign. Das Unternehmen kündigte sogar an, dass der Prototyp Sparc bereits in fünf Jahren funktionstüchtig sein soll. Gelingen soll das mit einem im Vergleich zu Iter viel kleineren Tokamak, an dem sich schneller und kostengünstiger die nötigen Änderungen für einen marktreifen Reaktor vornehmen lassen. Um darin das Plasma einzuschließen, sind viel stärkere Magnetfelder nötig. Herzstück von Sparc sind daher neuartige Magnetspulen aus Hochtemperatur-Supraleitern, die leistungsfähiger als die supraleitenden Spulen von Iter sind und weniger stark gekühlt werden müssen. Die Technik wurde lange Zeit am MIT in Cambridge, Massachusetts, erforscht, woraus das Start-up hervorging.

Mit Google hat auch das Fusions-Start-up TAE Technologies starke Unterstützung im Rücken, und das nicht nur finanziell. Denn Google hilft auch mit Rechenleistung und Fachwissen auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz. TAE erzeugt durch eine Kombination aus Teilchenbeschleunigern und Magnetspulen einen Plasmazylinder, der etwa die Form einer Blechdose ohne Deckel und Boden hat. Der Zylinder dreht sich wie eine Walze, wodurch er stabilisiert wird – allerdings nur vorübergehend. Ohne weiteres Zutun würde die Rotation immer langsamer und der Plasmazylinder letztlich kollabieren. Erst dank aufwendiger Berechnungen mit der Unterstützung von Google konnte TAE die Instabilitäten verstehen und in Feedbackschleifen kontrollieren.

Während für TAE theoretische Berechnungen den Fortschritt brachten, soll bei General Fusion präzise Ingenieurs­kunst zum Durchbruch führen. Im herkömmlichen Tokamak und im Stel­larator ist die Wechselwirkung zwischen Reaktorwand und Plasma problematisch. So sucht die Fusionsforschung seit Jahren intensiv nach den richtigen Materialien für die Reaktorwand. General Fusion geht hier einen anderen Weg als die Mainstream-Forschung: Das Plasma soll durch flüssiges Metall eingeschlossen werden. Dieses wird durch die Wechselwirkung mit dem Plasma nicht zerstört und muss daher nicht immer wieder ausgetauscht werden. Zudem erleichtert es die Wand aus flüssigem Metall, die Fusionsenergie in Form von Wärme abzuführen.

Allen bisher genannten Projekten ist gemeinsam, dass bei ihnen ein Magnetfeld das Plasma einschließt. Einen völlig anderen Weg verfolgen etwa die staatliche Forschungseinrichtung National Ignition Facility (NIF) der USA sowie die deutschen Start-ups Marvel Fusion und Focused Energy. Sie setzen auf die laserbasierte Trägheitsfusion. Dabei werden die Bedingungen für die Kernfusion nur für sehr kurze Zeit erreicht, üblicherweise für einige Nanosekunden. Das Plasma hält für diese kurze Zeit schon alleine aufgrund der Masseträgheit zusammen und muss nicht aufwendig in einen Magnetkäfig gesperrt werden. Um die hohe Temperatur und die nötige Dichte für die Kernfusion innerhalb kürzester Zeit zu erreichen, setzen die Forschenden auf leistungsstarke Laser.

Ein Problem plagt alle derzeit verfolgten Ansätze: Bisher sind die Fusionsreaktoren weit davon entfernt, mehr Energie zu erzeugen, als für den gesamten Betrieb notwendig ist. Für die Nutzung der Kernfusion in Kraftwerken ist schließlich nicht die Energiebilanz der Fusionsreaktion entscheidend, sondern die Nettoenergieausbeute des ganzen Kraftwerks.

Wir sehen, daß Kernfusion nicht morgen und übermorgen funktionieren wird. Die FDP schlug heute vor, nach dem Atom-Aus in Deutschland Kernfusion zur Energiegewinnung einzusetzen. Anders als bei der Kernspaltung in Atomkraftwerken würden hier nur minimale Mengen Radioaktivität freigesetzt. Der FDP-Vorschlag soll wohl das liberale Versagen bei der Abschaltung der Kernkraftwerke kaschieren. Aber wie schon dargetan, vor den Preis hat der liebe GOTT den Schweiß gesetzt.

Grüße an den Inlandsgeheimdienst:

Nicht Augenblicke steh ich still
Bei so verstockten Sündern,
Und wer nicht mit mir schreiten will,
Soll meinen Schritt nicht hindern.

(Geh. Rath v. Goethe)