Ein Staatsbürger des Islamischen Staats

Gegen den gestern in Duisburg festgenommenen Terrorverdächtigen ist Haftbefehl erlassen worden. Ihm wird vorgeworfen, mit einer Kontaktperson in Syrien einen Anschlag in Deutschland geplant zu haben. Der 29-jährige Deutsche ist vorbestraft wegen Mitgliedschaft in der Terrorgruppe „Islamischer Staat“. […] Tarik S. ist in Bielefeld geboren, deutscher Staatsbürger.“ So ein Fernsehsender, der zum Überleben Zwangsgebühren erheben muß, weil er sonst wegen der immensen Habgier seiner Macher vermutlich in die Insolvenz schlittern würde.

Ich nehme den Unsinn als ehemaliger Zwangsstaatsbürger zur Kenntnis. Denn die Aufnötigung der DDR-Staatsbürgerschaft brauchte zu ihrer Aufrechterhaltung etwa 300.000 bis 400.000 Ausländer mit etwa 6.000 Panzern, 3.000 SPWs und fast 1.000 Flugzeugen und Hubis, Ein verbrecherischer Gewaltakt.

Ich schätze mal, daß jeder zweite Erdenbürger mit einer aufgehalsten und mit Morddrohung verbundenen Staatsbürgerschaft leben muß: Selbst im angeblich freien Europa ist das stellenweise so. Katalanen, Basken, Schotten, Südtiroler, Krimtartaren, Serben, Kroaten und andere Minderheiten warten nur auf die Gelegenheit das Joch der Unterdrückung abzuwerfen. In Belgien kommt fast niemand auf die absurde Idee ein Belgier zu sein.

In Afrika ist es fast die Regel, daß das zahlreichste oder mächtigste Volk die anderen im Staatsgebiet kujoniert. In Asien ist es auch nicht anders. Selbst in Südamerika wächst die Tendenz zur Auflösung der Staatsverbände.

Was würden Dänen oder Sorben denken, wenn man behaupten würde, daß sie Deutsche seien? Einige, die ich selbst kenne, wären beleidigt.

1976 lernte ich André B. kennen. Er war staatenlos. Seine Mutter war Französin, die im Kriege nach Weimar verschlagen worden war. Als Staatenloser hatte man einen Riesenvorteil: Man durfte raus. Bis in die siebziger Jahre hatte sich niemand um Staatsangehörigkeiten von Staatenlosen gekümmert. B. hatte ein Informatikstudium absolviert, und anschließend hatte er begonnen, in einem Erfurter Betrieb zu arbeiten. Er war bereits verheiratet und Vater, als die Partei auf die Idee kam, daß er sich für eine Staatsbürgerschaft entscheiden müsse. Entweder für die der DDR oder für die französische. Die Entscheidung fiel zunächst schwer: Mit der französischen Staatsangehörigkeit konnte man reisen, aber nicht als Informatiker arbeiten, mit der DDR-Staatsbürgerschaft hätte er weiter arbeiten können, aber mit den Reisemöglichkeiten wäre es zu Ende gegangen. Außerdem konnte er nicht französisch. Andre B. entschied sich für das Reisen und wurde gekündigt. Von nun an fuhr er jeden Sommer in eine süddeutsche Schuhfabrik und verdiente soviele Deutschmark, daß er das ganze Jahr davon leben konnte, nachdem er sie 1:7 in Ostmark umgetauscht hatte. Er war nun rechtlich Franzose, ohne das Land seiner Verlegenheiten jemals gesehen zu haben. Das Thema Staatsbürgerschaft ist wirklich mannigfaltig. Wie sich das nach 1990 ausgegangen hat, weiß ich leider nicht.

Eine Staatsbürgerschaft ist etwas sehr unschönes, aber ein notwendiges Übel. Man sollte den Leuten anheimstellen, ihre Volkszugehörigkeit zu betonen, die mit der Staatsbürgerschaft selten etwas zu tun hat.

Ich denke, daß Tarik S. auch mit einer deutschen Staatsbürgerschaft kein Deutscher ist, genausowenig wie ein Däne oder ein Sorbe Deutscher sein will. Letztlich hat er sich selbst für die Staatsbürgerschaft des Islamischen Staats entschieden. Das sollte auch das Zwangsfernsehen akzeptieren und uns nicht so eine gequirlte Grütze erzählen.

Grüße an den Inlandsgeheimdienst: „Im Deutschen lügt man, wenn man höflich ist.“ (Geh. Rath v. Goethe über ARD und ZDF)