Linkisch wie Wilhelm

Kaiser Wilhelm I. hielt sich im Hintergrund und beschränkte sich im Wesentlichen auf Zeremonielles. Politik überließ er Bismarck. Ganz anders Wilhelm II. Er trennte sich von Bismarck, wechselte dann mehrmals den Reichskanzler und pfuschte dem besonders zum Anfang seines Kaisertums zuweilen ins Handwerk. Das war der Reichsordnung geschuldet, die die Wahl des Kanzlers durch den Reichstag nicht vorsah, sondern dessen Ernennung durch den Kaiser. Mehrmals glich das Machtzentrum Berlin einem Intrigenstadel, ohne daß der Reichstag oder die Lügenpresse aktiv wurden. Das Umfeld des Kaisers sorgte für Unterhaltung. Wilhelm war etwas eitel und überschätzte sich. Extremistische Strömungen wie den kriegerischen Expressionismus oder den Aktivismus mochte er zwar nicht, aber er ließ ihnen ihren Lauf. Die Außenpolitik war etwas zu großfressig. Der Kronprinz beklagte später ein belehrendes Auftreten in der Welt, welches fast überall Unwillen hervorgerufen hätte.

Wenn man für das derzeitige Berliner Personal einen Vergleich sucht, so ist der derzeit modische mit Hitler völlig fehl am Platz. Der war Organisator für ganz große Theatereffekte, die Opern von Richard Wagner hatten ihn geprägt. Sachpolitik mußte sich oft dem großen Bumbum unterordnen. Ausländischen Rücksichten war er unzugänglich. Das lag weder Dr. M. noch hat Scholz dafür einen Sinn. Die Nationale Front hat allerdings ein Personal, das in seiner Linkischkeit und Beschränktheit an Wilhelm II. erinnert.

Das betraf schon Honecker und de Maiziere, die Endfiguren der Zone. Aber auch Dr. M., Scholz, B-bock, H-beck und Lang leben alle über ihre intellektuellen Verhältnisse, sind rechthaberisch, sprunghaft und taktlos. Durch sein als undiplomatisch und großspurig empfundenes Auftreten verursachte Wilhelm II. mehrfach innen- und außenpolitische Krisen, die einschneidenste wohl die Bülow-Affäre. Bei einem England-Besuch hatte er sich sehr herausgestrichen. Der Burenkrieg beispielsweise wäre nur durch seine klugen Ratschläge gewonnen worden, so sein Auftrumpfen in London. Der von ihm stark forcierte Ausbau der Kaiserlichen Marine und die damit verbundene sogenannte Weltpolitik wurden zu seinem Markenzeichen und trugen aber auch etwas zum Konfliktpotenzial bei, das sich im Ersten Weltkrieg entlud. Die Außenpolitik wurde schon damals manchmal zur Magd des Personenkults im Reiche und war mehr auf Schaueffekte, Wunschdenken und Prestige als auf Vernunft gegründet.

Einem Kochbuch habe ich eine Anekdote entnommen. Bei einem Essen hatte sich einer der Gäste die Serviette in den Kragen gesteckt, um sich vor Soßenspritzern zu schützen. Statt den Fauxpas zu übersehen, fragte der Kaiser: „Haareschneiden oder Rasieren?“ und fand sich dabei witzig. Es kam relativ häufig vor, daß er Leute vor versammelter Mannschaft blosstellte, Es ist das, was man gemeinhin als Taktlosigkeit bezeichnet.

Alfred Graf von Waldersee sagte 1891 über den noch jungen Kaiser. „Es ist eine Kleinigkeit, ihn gegen Personen einzunehmen; er glaubt sofort das Schlechte, hat aber das größte Misstrauen, wenn man von jemandem etwas Gutes sagt.“ .

Oft hatte er einen ähnlichen Cäsarenwahn wie Dr. M. oder gewisse Ampelzwerge: „Zu Großem sind wir noch bestimmt, und herrlichen Tagen führe ich Euch noch entgegen. (…) Mein Kurs ist der richtige und er wird weiter gesteuert.“ (Wilhelm, 1892) Das erinnert an Scholzens Wirtschaftswunder und „Wir schaffen das.“

Bismarck bezeichnete er 1897 als Pygmäen und Handlanger, was eine völlige Verkehrtwahrnehmung der Verhältnisse des Frühkaiserreichs war. Der Reichskanzler Bernhard von Bülow wurde von ihm als „Luder“ klassifiziert. „Wenn ich die Feldwebelfresse nicht mehr sehen müsste.“ Wilhelm über General Erich Ludendorff. Es brauchte damals keine AfD um ausfällig zu werden.

Er schimpfte auf die „faulen, lügenhaften Russen“, bereit, „mit dem Ordensschwert in der nervigen Faust“ auf sie einzuhauen. Und gegen Frankreich: „Ich glaube“, sann er vor einer Statue des römischen Diktators in Neapel, „daß ich die Mission habe, Gallien zu zerschlagen wie Julius Caesar.“ Die Berliner Phobie gegen Nachbarstaaten ist also auch nichts neues.

Insgesamt wirkte der Kaiser auf scharfe Beobachter linkisch. Eine verschärfte Repräsentationssucht traf sich mit Phasen regelrechter Verzweiflung, z.B. nach der Bülowaffäre und im WK I. Großspurige Ankündigungen begleiteten den seit 1900 einsetzenden Niedergang des Reichs. Stationen waren die zunehmende Kartellierung und Verplanwirtschaftung, Verwicklung in außenpolitische Erziehungsmaßnahmen wie den Boxeraufstand, die Aufhebung der Goldbindung der Mark, hohe Investititionen in eine Flotte, die nie zum Einsatz kam und die verhängnisvolle Kolonialpolitik, die zu ungünstigen Bündnissystemen führte. Beispiel: Der Panthersprung. Man hätte genüßlich zusehen können, wie Frankreich und England in Afrika konkurrierten, verhedderte sich aber in fatalen Ansprüchen. Raus kamen für Deutschland Sumpfgebiete im Kongo und eine Verfestigung der Entente.

Die Chinaexpedition kann man mit dem Afghanistan- oder Malieinsatz vergleichen, die Kriegswirtschaft mit der Energiewende, die Flotte mit der Elektrifizierung, und die Bülowaffäre mit den militärischen Ratschlägen von Annalena. Alles wiederholt sich.

Von der Persönlichkeitsstruktur und dem Repräsentationsbedüfnis her, vom Mißbrauch der Außenpolitik für innenpolitische Zwecke und der moralischen Aufladung der Agenda sind Scholz und einige seiner Minister Wiedergänger des unglücklichen Kaisers. Die deutsche Politik ist wieder horizontlos.

Grüße an den Inlandsgeheimdienst:

Wer schaut hinab von diesem hohen Raum
Ins weite Reich, ihm scheint’s ein schwerer Traum,
Wo Mißgestalt in Mißgestalten schaltet,
Das Ungesetz gesetzlich überwaltet
Und eine Welt des Irrtums sich entfaltet.

(Geh. Rath v. Goethe)