Aus der Geschichte der Zölle

Der Aufstieg der deutschen Industrie von 1862 bis 1890 ist in einer Periode relativ niedriger Zölle erfolgt. Insofern ist die derzeitige Propaganda für niedrige Zölle nicht verkehrt. Wobei man nicht außer acht lassen darf, daß es im 19. Jh. noch kaum nichttarifäre Schikanen wie das Lieferkettengesetz, dikriminierende Spezifikationen oder Klimazölle gab. Die deutsche Achilleferse war immer der Import von Rohstoffen, der für Rußland und Amerika nicht so wichtig ist. In Amerika spielte zudem der innere Markt eine größere Rolle als bei uns.

Bis 1862 war die Handelspolitik in Deutschland stark von Schutzzöllen geprägt, die dazu dienten, die heimische Wirtschaft vor ausländischer Konkurrenz zu schützen. Die Fibel dazu hatte Friedrich List geschrieben: Im Jahr 1841 erschien sein Hauptwerk Das nationale System der Politischen Ökonomie. Er sah die Industrialisierung eines Landes als Initialzündung eines sich selbst verstärkenden Prozesses und befürwortete einen Schutzzoll nach außen („Erziehungszoll“), bis sich eine international wettbewerbsfähige Industrie gebildet hat. Die Zollpolitik war in den vielen deutschen Kleinstaaten unterschiedlich ausgeprägt, bevor der Deutsche Zollverein 1834 eine gewisse Vereinheitlichung brachte, indem er Zölle unter den Mitgliedsstaaten abschaffte, aber weiterhin Zölle gegenüber dem Ausland erhob. Auch hier war List Vorkämpfer und hatte Erfolg.

Der Cobden-Vertrag war ein 1860 geschlossener Handelsvertrag zwischen Frankreich und Großbritannien. Die Vereinbarung sah im Handelsverkehr beider Länder die Meistbegünstigung vor. Die beiden Vertragspartner verpflichteten sich damit, dem jeweils anderen diejenigen Handelsvorteile insbesondere Zollvorteile einzuräumen, die sie Drittstaaten gewähren würden.

In der Folge des Vertrages reduzierte Frankreich seine Zölle auf britische Importe in zwei Schritten deutlich. Großbritannien schaffte Zölle im Handel mit Frankreich ganz ab. Der Vertrag gilt als ein zentrales Kernstück für eine liberale Handels- und Wirtschaftspolitik im 19. Jahrhundert. Er führte zum Sinken der Zölle und zu einem weitgehenden Freihandel zwischen beiden Ländern. Ein vergleichbares Abkommen wurde zwischen Frankreich und dem Deutschen Zollverein am 29. März 1862 geschlossen. Später kamen weitere Staaten wie Belgien, Italien und die Schweiz hinzu. Die Folge war ein europaweites Sinken vieler Zollsätze. Nach der Reichsgründung 1871 erlebte die deutsche Wirtschaft zunächst den Gründerboom und dann 1873 den Gründerkrach. Viele Industriebetriebe hatten Überkapazitäten; die Preise für Eisen und Stahl verfielen. Billiges Getreide aus Amerika und Russland drückte auf den Markt, viele ostelbische Junker hatten wirtschaftliche Schwierigkeiten. Sie wechselten ihre Position und forderten Protektionismus statt Freihandel. Reichskanzler Otto von Bismarck vollzog 1879 eine zollpolitische Wende zum Protektionismus. Das Reich führte Importzölle auf Eisen, Getreide, Holz und Vieh ein. Bismarck wollte mit den Zöllen auch die Staatseinnahmen erhöhen. Innenpolitisch schwenkte Bismarck von den Nationalliberalen, die eine Freihandelspolitik unterstützt hatten, zu Zentrumspartei und Konservativen um.

Trotz des Widerstandes von Sozialdemokraten und den Liberalen, die das englische Freihandelssystem bevorzugten, verabschiedete der Reichstag mit den Stimmen der konservativen Parteien am 12. Juni 1879 ein Zollgesetz, mit dem das Deutsche Reich Abgaben in Höhe von zehn Mark pro Tonne auf Roheisen einführte. Dies entsprach etwa 17 Prozent des Marktpreises. Andere Industriegüter wurden mit noch höheren Zöllen belegt. Gleichzeitig legte das Gesetz auch Schutzzölle für die zuvor zollfreie Einfuhr von Getreide fest. Für Weizen stieg der Zoll von 1880 bis 1913 von zehn auf 70 Mark pro Tonne. Auch auf Vieh und andere tierische Produkte wurden nun Zölle erhoben, die jedoch nicht so hoch wie die Getreidezölle waren. Daher kamen die Schutzzölle vor allem jenen Großagrariern zugute, die viel Getreide anbauten, während auf kleineren Höfen vorwiegend Viehzucht betrieben wurde.

Vor allem Großagrarier, die sich zu Interessensverbänden wie dem 1893 gegründeten Bund der Landwirte zusammenschlossen, hatten mit Erfolg Druck auf die Politik ausgeübt. Durch ihre Lobbypolitik waren die Interessensverbände maßgeblich an der Einführung und Erhöhung der Schutzzölle beteiligt. Auch die führenden Vertreter der Industrie unterstützten die Schutzzollpolitik – so vereinigten sich Industrielle und Landwirte 1879 zu einem „Bündnis von Roggen und Eisen“.

Die neue Zollpolitik schadete vor allem Rußland, mit dem seit 1873 das Dreikaiserbündnis bestand (Rußland, Deutschland und Habsburg). 1887 wurde es nicht verlängert, die Handelspolitik war neben Spannungen auf dem Balkan ein Grund. 1879 hatte die Schutzzollpolitik moderat begonnen, bis zum Ersten Weltkrieg erhöhten sich die Zölle.

Nach dem Ersten Weltkrieg stand Deutschland vor der Aufgabe, seine Wirtschaft wiederaufzubauen und den Außenhandel zu normalisieren. Die Reparationen standen dem entgegen. Zur Requrierierung der abzuliefernden Güter verfestigten sich planwirtschaftliche Institutionen. Das Reichswirtschaftsministerium hob Ein- und Ausfuhrverbote für viele Waren auf. Deutschland schloss Handelsverträge mit verschiedenen Ländern, um Handelspartner zu gewinnen und die wirtschaftliche Zusammenarbeit zu fördern. Diese Verträge wurden oft unter der demütigenden Bedingung der einseitigen Handelsprivilegien für die Partner des Versailler Vertrags abgeschlossen,

Viele Länder, insbesondere die USA, setzten in den 30ern auf protektionistische Maßnahmen wie hohe Zölle und Importbeschränkungen, um die eigene Wirtschaft zu schützen. Typisch für Handelverträge der damaligen Zeit war der mit Stalin. Rußland lieferte Öl und Getreide, Deutschland Industrieausrüstungen, Waffen usw. Es wurde in der Regel zentral fetgelegt was gehandelt wurde und in welchen Mengen und zu welchen Preisen. Differenzierte Lieferketten konnten sich grenzüberschreitend kaum ausbilden, komparative Vorteile gingen verloren. Die Politik der Nationalsozialisten zielte auf eine weitgehende wirtschaftliche Selbstversorgung (Autarkie) ab, um unabhängiger von Importen zu werden.

Die Handelspolitik der Nachkriegszeit war auf Grund des Diktats von Jalta natürlich zweigeteilt, so daß sie ein Thema für sich ist.