Gibt es etwa eine Gesellschaftsordnung, die in der Theorie nicht vorkommt?

Gastbeitrag von Bernd Zeller, zuerst erschienen im Seniorenakrützel

Die Parteimitvorsitzende wird im Stern interviewt, wenn uns das einer vor ach egal. „Das in der DDR war kein Sozialismus. Also nicht so, wie ihn sich meine Partei vorstellt.“ Das sagt sie und erweckt ein gewisses Aufsehen, auf das es ja ankommt in unserer prätransformatorischen Informationsgesellschaft. Wie wir aus der Geschichte gelernt haben, ist der nächste Sozialismus immer der beste, wo hingegen der, an den man gerade zu glauben hatte, arge Mängel aufwies, die keiner sehen konnte, der das Große und Ganze im Auge hatte. Und die Menschen natürlich, die waren noch nicht so weit, die Sache richtig anzupacken.

Die Parteivorsitzende ist nun kraft Position die Person, die darüber zu befinden hat. Darum fragten wir bei ihrem Abgeordnetenbüro sowie bei der Pressesprecherei des Vorstandes an: Was war es dann? Kapitalis
mus, oder eine Gesellschaftsordnung, die in der Theorie nicht vorkommt?

Nach der herrschenden Theorie wird der Kapitalismus gesetzmäßig überwunden durch die proletarische Revolution, die zum Sozialismus führt, später in die klassenlose Gesellschaft. Sollte also in der Theorie eine Lücke sein oder war die entwickelte sozialistische Gesellschaft noch immer in Wahrheit Kapitalismus, wo vom Klassenkampf abgelenkt wurde durch die Propagierung, der Sozialismus hätte bereits gesiegt?

Von der Sowjetunion können wir das nicht gelernt haben. Über die anderen Volksrepubliken hat sich die Vorsitzende nicht geäußert. Leider wurde uns keine Antwort zuteil in dieser wichtigen Frage. Vielleicht ist sie zuerst in einer Grundsatzkommission abschließend zu beantworten. Es hängt davon ja auch ab, ob die Einheitspartei Deutschlands keine Sozialistische war in der Vorstellung der Partei und ob die Partei des Demokratischen Sozialismus eine des demokratischen Kein-Sozialismus gewesen wäre, das geht uns alle etwas an. Wir haben Verständnis, wenn Sie nun verunsichert sein sollten.

Kann es passieren, dass wir noch erleben, dass unsere Demokratie im Rückblick zu keiner Demokratie oder nicht unserer erklärt wird?

Kann alles passieren, und dann müssen wir den jungen Kräften die Chance geben, es diesmal besser zu meinen. Es wäre wichtig, wenn mit der Erkenntnisgewinnung schon mal begonnen werden könnte. Die
Frage: „Wo leben wir denn?“ wird immer häufiger gestellt, und ihre Beantwortung darf nicht denen überlassen werden, die nicht über die theoretischen Fundamente verfügen.