Braunes Ungeziefer aufgetaucht – Kammerjäger gesucht

Die Nationalsozialisten haben sich am liebsten in der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik getummelt. Zwischen den Aktendeckeln der Gesetzblätter haben sich nationalsozialistische Gesetze wie Ungeziefer eingenistet und sind nur schwer zu bekämpfen.

Gerade ist ein nationalsozialistisches Gesetz aufgehoben worden, das 1934 den Fernbusverkehr in Deutschland verboten hat. Die Aufhebung dieses Verbots war für die demokratische Kultur erbaulicher und konstruktiver, als der tägliche Kampf gegen die NPD-Parteistruktur oder der NSU-Prozeß.

In Deutschland ist bei der Entnazifizierung noch viel zu tun. Ein fester Baustein der nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik war die Organisation der Wirtschaft in Verbänden. Die Architektur dieser Verbandsstruktur wurde schon im Ersten Weltkrieg geschaffen und unter dem Gütesiegel der Sozialisierung über die Runden der Weimarer Republik gerettet. Reichswirtschaftsminister Wissel (SPD) nannte dasselbe so: „Die Gemeinwirtschaft bedeutet die organische Eingliederung und Einordnung der einzelnen wirtschaftlichen Unternehmungen in die Gesamtheit des Reichs, die Unterordnung der privatwirtschaftlichen Interessen unter die Interessen der Gesamtheit“ Auch in Italien dachte man so. Benito Mussolini fabulierte 1932: „Faschismus sollte richtigerweise Korporatismus genannt werden. Denn er bedeutet die Fusionierung von staatlicher und wirtschaftlicher Macht.“ Hitler zog 1934 mit dem „Gesetz zur Vorbereitung des organischen Aufbaues der deutschen Wirtschaft“ nach, das Führung und Gefolgschaft in den Betrieben und Wirtschaftszweigen regelte.

Das Einpferchen der Betriebe in Zwangsverbände wie IHK´s, Handwerkskammern, Architekten-, Ingenieur,- Anwalts- und Ärztekammern ist ein barbarisches Überbleibsel der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die NSDAP führte im Zuge dieser Strategie zum Beispiel das Anwaltsmonopol ein oder die Reichskammer der Bildenden Künste. Das Gesetz über den vorläufigen Aufbau des deutschen Handwerks vom 29. November 1933 machte Pflichtinnungen zur Grundlage der Handwerksorganisation. Es folgte 1935 das Reichsärztegesetz.

Wer das Bedürfnis hat, Vereine zu bilden, der kann das auf freiwilliger Grundlage tun. Zwangsmitgliedschaften sind in einer freien offenen Gesellschaft barbarisch.

Die Gewerbefreiheit war den Nationalsozialisten so wie die Freiheit im Allgemeinen ein Dorn im Auge. Deshalb wurde von den Nationalsozialisten 1935 der Große Befähigungsnachweis, der sogenannte Meisterbrief wieder eingeführt. Die Ausübung eines Handwerks war nun nicht mehr von der Fähigkeit des Gewerbetreibenden abhängig, sondern von der Länge der Schleimspur in der Kammerorganisation. 1953 wurde der Meisterzwang noch einmal erneuert. Seit 2004 sind gewisse Erleichterungen eingetreten, der Meisterzwang für viele Berufe gilt jedoch weiter. Ein gutes Beispiel hat Österreich gegeben, das diesen braunen Spuk 2000 ganz abgeschafft hat.

Der kompakteste Anleihe beim Nationalsozialismus ist das nach wie vor wie eine Staatsreligion gehandhabte kreditgetriebene Wirtschaftswachstum. Hitler war wie die meisten seiner regierenden Zeitgenossen ein Freund dieser durch Schulden finanzierten wirtschaftlichen Expansion. Die sogenannten Mefo-Wechsel wurden im Dritten Reich gezogen, bis der Arzt kam, um die Aufrüstung und den Krieg zu finanzieren. Von der Schuldenwirtschaft des Dritten Reiches zum Stabilitäts- und Wachstumsgesetz mit seiner mittelfristigen Finanzplanung (1967) gibt es eine verbindende Personalie. Es handelte sich um den Nationalsozialisten Prof. Karl Schiller, der nach dem 2. Weltkrieg seine zahlreichen Mitgliedschaften wegwarf und zur SPD wechselte. 1935 promovierte er mit dem Thema „Arbeitsbeschaffung und Finanzordnung in Deutschland“. Dieses Thema war nach über dreißig Jahren während seiner Tätigkeit als Bundeswirtschaftsminister (1966-69) wieder aktuell, weil die Große Koalition aus CDU und SPD 1966/67 eine aus heutiger Sicht kleinere Wirtschaftsdelle auszubügeln hatte. Das schon genannte Stabilitäts- und Wachstumsgesetz führte eine Globalsteuerung der Wirtschaft ein, die man mit wenigen dürren Worten so beschreiben kann: In Wirtschaftsflauten sollte vom Staat mehr Geld ausgegeben werden und in der Konjunktur sollte das Geld wieder abgeschöpft werden. Der SPIEGEL schrieb im März 1967 unter der headline „Schiller, der Regenmacher“: „Die Pferde müssen wieder saufen.“ Mit dem Geldausgeben klappte es gut, die Konjunktur tauchte auf dem Radar der Wirtschafts- und Finanzminister nie wieder auf und es wurde nie ein Pfennig zurückgezahlt.

Prof. Schiller hatte den Weg in den Schuldenstaat zweimal geebnet. Das Ergebnis des Experiments Nr. 1 war 1948 eine Währungsreform. Das Resultat des Experiments Nr. 2 sind nach 46 Jahren 1,4 Billionen € Bundesschulden.

Es ist Zeit das kreditgetriebene Wachstum zu beerdigen und der nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik insgesamt good bye zu sagen.