Was die Alternative für Deutschland von Beppe Grillo lernen kann

Beppe Grillo führte seinen Tsunamiwahlkampf zum italienischen Abgeordnetenhaus und Senat ausschließlich im Internet und auf den großen Plätzen des Landes. Die Presse und der Sender RAI wurden von ihm scharf angegriffen. Wohlgemerkt: Er griff das Fernsehen zuerst an, und nicht das Fernsehen ihn. Die erfolgreiche Wahlkampfstrategie brachte auf Anhieb 25 % der Stimmen. Die Abneigung zwischen Grillo und den Medien hat übrigens eine lange Vorgeschichte. Grillo hatte 1993 den sozialistischen Ministerpräsidenten Craxi wegen seiner Korruption angegriffen. Die Sender waren damals folgendermaßen „aufgeteilt“. RAI 1 „gehörte“ den Christdemokraten und RAI 2 den Sozialisten. Berlusconi war mit seinem Imperium in der Aufbauphase und spielte nicht die Rolle wie heute. Grillo hatte es bei Craxi „verschissen“ und flog aus dem Staatssender RAI. Ein Jahr später war Craxi Hauptakteur im Tangentopoli-Skandal und mußte vor der Justiz nach Afrika fliehen. Grillo handelt heute also nicht nur aus Berechnung, sondern auch aus Rachemotiven. Bei einem kürzlich stattgefundenen Treffen mit Staatspräsident Napolitano forderte Grillo die Beauftragung mit der Regierungsbildung, ersatzweise verlangte er von Napolitano die Lizenz zu notwendigen Aufräumarbeiten beim Staatsfunker RAI.

Die deutschen Piraten waren solange sie im Internet agierten erfolgreich. Als Ponader in den Quasselsendungen des Zwangsfernsehens auftauchte, sank der Stern der Piraten augenblicklich. Die Medien hatten ab diesem Moment das Heft des Handelns aus der Hand und senkten den Daumen.

Professor Lucke baut seinen Wahlkampf für die Alternative für Deutschland (AfD) auf Medienpräsenz in den sogenannten Qualitätsmedien auf, obwohl er mit seiner Europapolitik ein Tabu bricht, das diese Medien sonst bis zur letzten Patrone verteidigen. Er ist auf Fernsehen und Printmedien, die ihn nicht mögen, auf Gedeih und Verderb angewiesen. Die eigene Internetvernetzung der Alternative ist recht schwach.

Welche Wählerschichten sind für das Professorenteam der AfD erreichbar? Es sind zunächst jene Eurozweifler, die schon seit 20 Jahren wußten, daß alles falsch läuft. Das sind 1 bis 2 % meist ältere Herrschaften, die mit dem Internet eh nichts anzufangen wissen und sich lieber morgens über ihre Frühstückszeitung ärgern. Weiterhin sind es etwa 8 %, die bei der letzten Bundestagswahl von der CDU zur FDP gewechselt waren. Ihnen war der Kurs von Frau Merkel zu links und außerdem hatte Merkel kurz vor der Wahl den Papst beleidigt. Diese Wählergruppe wurde von der FDP enttäuscht, denn Herr Niebel und Frau Schnarre beleidigten kurz nach der Wahl den Papst und sie konnten die versprochene Steuerreform gegen Herrn Schäuble nicht durchsetzen. Diese 8 % gehören auch überwiegend der Altersgruppe an, die noch fernsieht und den Blick in Zeitungen wirft. Daneben hat sich eine libertäre und nur im Internet präsente Teaparty gebildet, die von Hartgeld über Goldseiten, Eigentümlich Frei, Rott Meyer, MMnews, Cashkurs und weitere 10 bis 20 Blogs aus der Metallszene und der Österreichischen Schule eine eigene Community bildet. Die Zahl der Metallfans kennen nur die Gold- und Silberhändler, die genau wissen, wieviele Kunden sie haben. Auch diese Gruppe könnte zur Not die AfD wählen. Im Parteiensystem nicht repräsentierte politische Einstellungen wie politisch Inkorrekte, Klimaleugner und Glühlampenfans, kurz alle die die Diktatur der grünen Spießer leid sind, könnten sich auch für die AfD entscheiden. Sie sind eigentlich nur im Internet unterwegs. Fernsehredakteure oder Journalisten sind für diese Leute Teufelsanbeter.

Professor Lucke und sein Team sind in der Medienwelt sehr verletzbar. Sie können von bösartigen Systemjournalisten runtergeschrieben werden. Beste Angriffsfläche sind immer persönliche Defizite wie falsche Steuererklärungen, nicht deklarierte Spenden, frühere Kontakte zu Nationalsozialisten, mißgedeutete Interwievs. Steinbrück kann ein Lied davon singen. Oft hat die Presse eine Person erst künstlich aufgehöht, um sie später um so tiefer fallen zu lassen und Kleinigkeiten zu skandalisieren. Der Ex-Bundespräsident ist ein Exempel. Interessant war die Intrige, die Schavan und Merkel gegen Guttenberg geschmiedet hatten. Als Guttenberg zurückgetreten war, sah man wie Frau Schavan die Nachricht auf dem Handy der Kanzlerin ansah und teuflisch lächelte. In diesem Moment war eigentlich jedem, der die Medien kennt klar, daß Frau Schavan die nächste Gejagte wird.

In eine Medienfalle könnte die AfD auch stolpern. Man wiegt Lucke und seine Mitstreiter in der Gewißheit, Beachtung zu finden, und vier Wochen vor der Wahl gehen die fünf dafür bekannten Medien in Stellung und skandalisieren irgendetwas. Ob das Hand und Fuß hat ist ganz egal. Der ARD-Skandal um Amazon zum Beispiel wurde mit erfundenen Zeugen und erfundenen Handlungsorten gesendet. Fakt ist bei einer vor der Wahl losgetretenen Skandalkampagne, daß die Wahl für die AfD gelaufen ist, und wenn sich herausstellt, daß alle Anschuldigungen falsch waren, wird eine Bundestagswahl trotzdem nicht wiederholt.

Wenn man eine Kampagne früh genug beginnt, die Medien von Anfang an hart angreift, und sich von den Medien unabhängig macht, ist eine Kampagne heute besser planbar und die Risken sind beherrschbar. Man muß zuerst angreifen, so daß die Schmutzkampagnen der Medien vor dem Wähler wie Selbstverteidigung wirken.