Vier Minuten für ein Stück Butter – der Reallohn ist trotzdem gesunken

„Steigende Einkommen und technischer Fortschritt erlauben es den Deutschen, sich mit ihrem Nettoverdienst im Schnitt mehr Waren zu kaufen.“ So trompetete es DIE WELT am 29.05.2013 heraus. „Die Deutschen müssen für ein Paket Butter heute deutlich weniger arbeiten als noch vor rund 20 Jahren. Im vorigen Jahr waren es nur vier Minuten, 1991 noch sechs Minuten, wie aus einer Analyse des Instituts des deutschen Wirtschaft (IW) zur Kaufkraft hervorgeht.“

Aha, da hat der Qualitätsjournalismus wieder mal von Verbandspropaganda abgeschrieben. Das Institut der Deutschen Wirtschaft in allen Ehren, aber es ist ebenso wie die Institute der Gewerkschaften ein Lobbyinstitut, das zum Feldgeschrei bei der Findung der Tariflöhne beiträgt.

Was seit 1991 wirklich los war habe ich mal nachgerechnet.  

Das Durchschnittsentgelt ist seit 1991 von jährlich DM 44.421 = € 22.712 auf € 32.446 im Jahr 2012 gestiegen.

1991 betrug der durchschnittliche Abgabensatz 29.9 %. Es blieben 70,1 % = € 15.921,00 für den Entgeltempfänger zur Verfügung. 2012 war der Abgabensatz auf 33,3 % gestiegen. Es blieben also 66,7 % = € 21.641. Das ist eine Einkommenserhöhung von 36 % in 22 Jahren oder 1,4 % pro Jahr.

Der Verbraucherpreisindex ist von 1991 bis 2012 von 75,9 auf 112,9 gestiegen, insgesamt also auf das 112,9 / 75,9 = 1,48 fache.

Wenn die Löhne um 36 % gestiegen sind, und die Verbraucherpreise um 48 %, dann ist der Reallohn von 1991 bis 2012 um etwa 9 % gesunken (Division 136/148).

Soweit ist das mit offiziellen Zahlen vorgerechnet worden. Man kann das auch ohne offizielle Statistiken mit einer eigenen Preisverfolgung unterlegen. Man kann die jährliche Reallohnsteigerung von 1,4 % mal mit folgender Tabelle vergleichen. 

  1990 2012 Teuerung pro Jahr
Mehl 500 g 0,69 DM 0,79 € 3,8 %
Benzin Liter 1,12 DM 1,50 € 4,6 %
Gold pro Unze 400 $ 1670 $ 6,7 %
Heizöl pro l 0,50 DM 0,92 € 6,1 %
Strom pro kWh 0,19 DM 0,31 € 5.2 %
Erdgas pro m3 0,30 DM 0,49 € 5,5 %
Maß Oktoberfest 6,95 DM 9,10 € 4,4 %
Bananen kg 1,49 DM 1,29 € 2,5 %

Die Statistiker kommen dann immer mit dem Fernseher, um zu beweisen, was alles billiger geworden ist. Der Fernseher Rembrandt kostete 1961  1.770 Ostmark. Das waren 2 ½ Monatslöhne. Heute zahlt man für einen Fernseher einen halben Monatslohn. Der Rembrandt ist damals 22 Jahre gelaufen. Das waren 80 Ostmark im Jahr. Im jährlichen Budget eine lächerliche Summe. Der Liter Benzingemisch kostete damals 1,36 Ostmark. In den Trabanttank gingen 36 Liter. Mit zweimal im Jahr Tanken hatte man schon damals mehr Geld ausgegeben, wie für das Fernsehen. Heute muß man nur noch einmal tanken, um die jährlichen Fernsehkosten zu erreichen. Allerdings sind die Tanks heute größer. So ist eben Statistik…

Übrigens, wenn die Abgabenlast 2012  29,9 % betragen würde wie 1991, dann würde das jährliche Nettoeinkommen 22.744 € betragen. Gegenüber 1991 wäre das eine Steigerung von 43 % statt 36 %. Für die Kompensation der Inflation würde das immer noch nicht ausreichen. Die Inflation ist übrigens weitgehend durch Verbrauchssteuern (Strom-, Energie,- Tabak,- und Umsatzsteuer) getrieben. Letztlich ist vor allem der Staat für den sinkenden Reallohn verantwortlich.